Ein Mann kommt nach Deutschland. Er war lange weg, der Mann. Sehr lange. Und er kommt ganz anders wieder, als er fortging. Äußerlich ist er ein naher Verwandter jener Gebilde, die auf den Feldern stehen, um die Vögel zu erschrecken. Innerlich – auch.
Der Mann heißt Beckmann und er war im Krieg. Was er dort erlebt hat, lässt sich nur erahnen. Nun kommt er zurück. Der Krieg ist aus, seine Heimat ist zerstört. Alles, was er kennt, was ihm Stütze war und Halt – kaputt und vorbei. Wohin er auch kommt, die Türen sind verschlossen. Die Menschen wollen Normalität, wollen nicht mehr erinnert werden an Bomben, Tote und das Grauen. Sie haben andere Probleme, sie haben Hunger und sind damit beschäftigt, Normalität wiederherzustellen. Beckmann mit seinen Verletzungen, mit seinen Fragen und Anklagen, personifiziert genau das, was alle ausblenden und verdrängen wollen.
Während Beckmanns Verzweiflung immer größer und sein Wille zum Weiterleben immer kleiner wird, werden seine Vorwürfe immer lauter. Er fühlt sich ausgestoßen, unverstanden. Er empfindet sich als Opfer. Zugleich stellt sich eine Frage immer dringender und lauter: die nach Beckmanns Verantwortung…
Wolfgang Borcherts Nachkriegsdrama »Draußen vor der Tür« entstand 1946. Borchert, selbst Soldat im Zweiten Weltkrieg, avancierte mit diesem Stück innerhalb kürzester Zeit zum Sprachrohr einer ganzen Generation desillusionierter Kriegsheimkehrer. Er gab deren Gefühlen und Ängsten eine Stimme.
Heute kommen wieder Menschen aus Kriegen zurück. Und heute gibt es für deren Gefühle und Ängste sogar Diagnosen. Posttraumatische Belastungsstörung ist so eine. Und auch wenn das Land, in das sie zurückkehren, nicht zerstört ist, so ist es für sie doch ein fremd Gewordenes. Eines, in das sie sich mühsam zurückfinden und dessen geschlossene Türen sie aufstoßen müssen. Und auf dessen Nachfragen nach Sinn und Unsinn von Krieg und Kampfeinsätzen sie Auskunft geben sollen.
Die Fragen, die das Stück aufwirft, sind auch heute noch dringlich. Es sind Fragen nach Verantwortung, nach Schuld und Vergeben, nach Liebe und Moral. Borchert selbst war es nicht vergönnt, sein Stück auf der Bühne zu erleben. Einen Tag vor der Uraufführung, am 21. November 1947 an den Hamburger Kammerspielen, stirbt der Autor infolge einer Gelbsuchterkrankung. Er wurde 26 Jahre alt.
Die Inszenierung »Draußen vor der Tür« findet im Rahmen der Reihe Werkstatt für junge Regisseure, Bühnen- und Kostümbildner im Schauspielhaus statt.
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© Engelhardt