Ein Abend im Mai 2011. Bereits aus der Ferne scheint der U-Bahnhof Schlesisches Tor in Berlin zu beben. Hypnotische Beats und Melodien elektrisieren die Luft, eine unwiderstehliche Anziehungskraft geht von dem historistischen Ziegelbau aus. Im Inneren des Bahnhofs beugen sich ein paar junge Musiker über ihre Instrumente und verwandeln die Szenerie binnen Minuten in einen orgiastischen Street Rave. Schon bald drängen sich die Massen bis zur Straße und darüber hinaus, der Späti-Verkäufer kommt mit den Getränken nicht mehr nach. Seit diesem und vielen weiteren Guerilla-Konzerten hat die Gruppe auf organische Weise eine überaus beeindruckende Entwicklung genommen. Das erste, was auffällt: Alle neuen Songs sind auf Deutsch getextet. Eine Entscheidung, die dem stilistischen Multikulturalismus der Gruppe jedoch nur scheinbar entgegensteht. Mindestens so wichtig wie ihre musikalische Offenheit und Vielseitigkeit ist es il Civetto nämlich, verstanden zu werden. Ihre gesellschaftlichen und politischen Anliegen sind ihnen so wichtig wie die Musik selbst. Themen wie Klimawandel oder Gentrifizierung spielen eine Rolle. Ihrem neuen Album ist außerdem ihre gemeinsame unstillbare Sehnsucht nach der Ferne ebenso eingeschrieben, wie dem großartigen „Neonlicht“ der Pop. „Wir haben uns früher nie getraut, uns so klar zu unserer Pop-Leidenschaft zu bekennen«, sagt Lars Löffler-Oppermann. Dass sie diesen Mut jetzt aufgebracht und sich im Geiste des Pop neu erfunden haben, ist gut für uns alle.
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© Engelhardt