Radu Jude macht schnelles, intellektuell scharfes Gegenwartskino. Nach »Bad Luck Banging or Loony Porn« (Goldener Bär 2021) erzählt er neuerlich von einer Frau, die aus dem normalen Leben herausfällt. Prämiert mit einem Silbernen Bären für das beste Drehbuch auf der Berlinale 2025.
Der Film erzählt die Geschichte der Gerichtsvollzieherin Orsolya, die bei einer Zwangsräumung Zeugin einer Tragödie wird und sich nun die Schuld daran gibt. Ihr moralisches Ringen – vergebliche Gespräche mit Freunden, Familie, einem ehemaligen Studenten und sogar einem orthodoxen Priester – wird zur Vermessung eines Europas, das seinen Humanismus im Fortschritt zu verlieren scheint.
Schon die eindrucksvolle Eingangssequenz, in der ein Obdachloser durch einen Park voller animatronischer Saurier-Figuren streift, bevor er aus Verzweiflung den Freitod wählt, gibt den Ton vor: rührend, sarkastisch und durchdrungen von einer fatalistischen Grundstimmung. Wie Roberto Rossellinis »Europa ’51« verbindet Radu Jude neorealistische Beobachtung mit moralischem Diskurs. Die auf dem iPhone gedrehte Inszenierung lässt Anklänge an Wenders’ »Perfect Days« und Brechtsche Verfremdung ebenso aufscheinen wie Seitenhiebe auf Orban und Putin. Jude zeigt, wie Ceaușescus Erbe – Armut, Korruption, Nationalismus – im neuen Raubtierkapitalismus weiterwirkt. Das Ergebnis ist ein perspektivenreiches Sozialdrama, das seine Heldin nicht idealisiert, sondern als Symptom und Hoffnung zugleich versteht.
»Kontinental ’25« ist bewegendes Kino über Schuld, Verantwortung und den kleinen Rest Menschlichkeit, der vielleicht doch bleibt.
Länge: 109 min
Sprache: OmU
Info
© Studiokino


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