Wer ein bleiernes Wort zum Sonntag oder eine verquaste Predigt befürchtet, wird nach diesem Porträt des Papstes widerrufen müssen. Kein selbstgefälliger Phrasendrescher im theologischen Elfenbeinturm ist dieser Franziskus, sondern ein radikaler Reformer, der seine Bodenhaftung nie verloren hat. Als cineastischer Biograf bekam Wim Wenders bereits drei Oscar-Nominierungen. Nach den Musikern vom »Buena Vista Social Club«, Tanz-Ikone »Pina« Bausch sowie dem Fotografen Sebastião Salgado in »Salz der Erde« folgt nun dieses Porträt.
Präsentiert werden dessen politisch durchaus radikale Ansichten in Sachen Ökologie, sozialer Gerechtigkeit oder Konsumgesellschaft. Rigoros beklagt der Pontifex zudem die Vertuschung von sexuellem Missbrauch in seiner Kirche. Er fordert die Stärkung von Frauen und die Akzeptanz von Schwulen. Neben den Bildern der Papst-Reisen rund um die Welt überrascht Wenders vor allem mit einzigartig intimen Innenansichten: Mehrfach erhielt er Interview-Audienz im Vatikan. Wie in „Salz der Erde“ postiert er die Kamera dabei so raffiniert, dass der Befragte wie Auge in Auge mit dem Zuschauer wirkt. In Zeiten von zunehmendem Zynismus dürfte dieses Biopic über einen ebenso bescheidenen wie charismatischen Sinnstifter einen Nerv beim Publikum treffen.