Als der Körper noch vorzeigbar war, ging Gockeln ganz einfach: Ich brauchte lediglich eine Badehose - keine dieser heutigen Labbershorts -, eine Sonnenbrille und einen Strand mit ordentlich Promenade. Meine Badehose war rot, saß knackig und warf keine Falte! Sie hatte Aufforderungscharakter. Naja, klar brauchte man noch den Jägerblick und das Gespür für den richtigen Moment, in dem der Jäger auf Charmeur mit Schmachtblick umschaltet – ganz einfach. Heute ist Badehosengockeln überholt. Die Lieblingsliebste weiß Bescheid und bleibt unbeeindruckt von Badehose und Schmachtblick. Aber: Die Liebe ist unersättlich und will immer wieder aufs Neue gefüttert werden. Neues Jahr, neuer Gockel-Versuch und wenn alles klappt unendlich viel Liebe. Nein. Ich nahm mir nicht vor, wieder in die rote Badehose zu passen. Die ist auch gar nicht mehr so rot und mittlerweile ganz ohne die Gockel-Erfolgs-Elastizität. Ich lud meine Lieblingsliebste für den Neujahrstag ins Schwimmbad ein. Sie war begeistert und rollte ihre großen dunklen Rehaugen wie schon lange nicht mehr. Ich hatte alles richtig gemacht. Es war natürlich nicht nur der Schwimmbadbesuch. Die Tageskarte überreichte ich zusammen mit einem knallroten Badeanzug. Sie probierte den Badeanzug noch zu Hause an. Ein Traum, wie er sich an sie schmiegte und ihre Formen betonte. Nur weigerte sie sich, ihn auch im Schwimmbad zu tragen. Sie fand das eingearbeitete Faltenröckchen bescheuert. Dabei meinte die Verkäuferin im Dessous-Laden, gerade dieses Detail würde Frauen ab 35 schmeicheln. „Na dann eben Gockeln. Im Badeanzug!“, dachte ich und probierte ihn selbst an. Er saß perfekt. Und das Faltenröckchen umspielte dezent Bauch und Hüfte. Gut, die Beine müsste ich rasieren. Ich präsentierte mich meiner Lieblingsliebsten. Ob rasiert oder nicht, meinte sie resolut, sie gehe nicht mit einem Mann ins Schwimmbad, der einen Faltenröckchenbadeanzug trägt. Und wenn ich diesen trotzdem anziehen sollte, dann werde sie dem Schwimmmeister anzeigen, dass ein Perverser im Schwimmbad sei und sie verfolge. Ich entschied mich für gute Laune und verzichtete auf das Tragen des roten Badeanzuges mit Faltenröckchen. Die Sprunganlage im Schwimmbad war meine Rettung. Großartig! Wenn es früher mit dem Badehosengockeln mal nicht klappte, dann war ein Auerbach vom Zehner der Garant für Hühner-Ahhh-und-Ohhh. Und siehe da. Die Lieblingsliebste rekelte sich auf einer Liege in bester Lage mit Blick auf den Zehn-Meter-Turm. Sie blickte zu mir hinauf und ich sah ein Ohhh auf ihren Lippen. Einen Auerbach bin ich das letzte Mal vor 20 Jahren gesprungen. Aber was man einmal kann, kann man immer wieder. Und es lief wie geölt. Ich stand am Rand und konzentrierte mich so lange, bis es still wurde im Schwimmbad. So sollte es sein. Alle Blicke waren auf mich gerichtet. Früher hatte ich meine rote Badehose. Heute stand ich in einer Labber-Shorts mit Palmenmotiv da - ein Geschenk meiner Lieblingsliebsten. Und eben diese Hose rutschte mir beim Absprung in die Knie und verfing sich dort zu einer Fessel. Ich hörte noch jemanden „Bondage-Perverser“ rufen, während ich kopfüber stürzte und unendlich lange fiel. Ich drehte mich mehrfach, aber eben nicht nur rücklings. Aufgeschlagen bin ich seitlich. Das Gute: Die vielen unqualifizierten Kommentare erreichten mich nur bedingt, des geplatzten Trommelfells wegen. (olegockelt)