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Der Stadtläufer
Die Fraktion Gartenpartei/Tierschutzallianz hat gefordert, dass auch in Magdeburg (genau wie in Leipzig, Dresden, Berlin, Wittenberg und Pforzheim) ein Panometer mit einem 360-Grad-Panorama von Yadegar Asisi errichtet wird. Denn weil in Leipzig derzeit ein Asisi-Panorama zu bestaunen ist, das New York mit den Zwillingstürmen unmittelbar vor den 9/11-Anschlägen zeigt, und weil Magdeburgs Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg zusammen mit der Zerstörung Hiroshimas in dieselbe Kategorie falle, wäre ein vergleichbares Monumental-Kunstwerk als weiteres Plädoyer für den Frieden nirgendwo sonst so am rechten Platz wie in Magdeburg.
Die Anforderungen sind freilich hoch – und die Zeit ist knapp. Eine lichte Höhe von 30 Metern und ein freier Durchmesser von 38 Metern werden genannt (an der Berliner Mauer reichte freilich auch die Hälfte), dazu Kosten von mindestens zehn Millionen Euro. Bei einer geschätzten Bauzeit von bis zu acht Jahren, müsste die Grundsteinlegung also eigentlich noch in diesem Frühjahr stattfinden, wenn der kolossalen Zerstörung pünktlich im Mai 2031 so kolossal gedacht werden soll.
Es erschließt sich allerdings nicht recht, warum die Antragsteller mit einem Asisi-Panorama zwingend ein Anti-Kriegs-Kunstwerk assoziieren. Als der Leipziger Gasometer vor zwanzig Jahren das erste dieser Werke präsentierte, zeigte es den Himalaya. Danach folgte Rom im Jahre 312 und dann der Regenwald im Amazonas. Eine Darstellung der eigenen Stadt ist also weder verpflichtend, noch die Regel. Erst das vierte Werk zeigte in Leipzig zehn Jahre nach der Eröffnung ein regionales Motiv, nämlich (zu deren 200. Jubiläum) die Völkerschlacht bei Leipzig, allerdings vom Turm der Thomaskirche aus, also aus sicherer Entfernung. Danach folgten dann aber wieder Darstellungen des Great Barrier Reefs, der Titanic und von „Carolas Garten“ aus der Perspektive eines Insekts. Ins Feld geführt wird freilich auch das Asisi-Werk „Dresden 1945“, das eben dort seit 2015 in jedem Frühjahr zu bewundern ist. Dieses zeigt Elb-Florenz allerdings NACH seiner Zerstörung durch die angloamerikanischen Bomber und taugt als Mahnung daher schon weitaus eher.
Man stelle sich vor, der Künstler, dem man ja keine Befehle erteilen kann, würde (so er denn überhaupt gewonnen werden kann) für Magdeburg etwas Vergleichbares vorschlagen. Die Stadt unmittelbar nach ihrer Zerstörung im Mai 1631: Der Dom inmitten rauchender Trümmer! Berge von Leichen! Die Initiatoren würden sich winden und ihre Anti-Kriegs-Attitüde würde recht schnell als Vorwand dafür entlarvt werden, die Stadt in ihrer alten Pracht sehen zu wollen. Dieser Wunsch ist absolut nachvollziehbar und vollkommen in Ordnung; sich aber als Friedensapostel und Mahner zu stilisieren, ist peinlich. Und nicht durchdacht. Denn was wäre die Mahnung – gerade im Kontext des aktuellen Krieges in der Ukraine? Auf die Forderungen eines übermächtigen Gegners nicht einzugehen und sich stattdessen zu wehren, ist falsch, denn es führt zur totalen Zerstörung – siehe Magdeburg und Hiroshima? Ist das wirklich die Botschaft, die die Magdeburger Fraktion Gartenpartei, Schrägstrich Tierschutzallianz in die Welt senden will?