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Der Stadtläufer
Die Fraktion „Die Linke“ hat im Stadtrat einen Zehn-Punkte-Plan zur Diskussion gestellt, der den Hasselbachplatz zurückführen soll in jene paradiesischen Zeiten, als er von „coolen Kneipen, Restaurants und Geschäften“ geprägt war - statt wie heute von Spätis, Dönerläden, Barbershops und Shisha-Bars. Noah Biswanger lieferte im Namen seiner Fraktion eine schonungslose Zustandsbeschreibung ab, die („um es“, wie er sagt, „freundlich zu formulieren“) eine „wirtschaftliche Einfalt“ beklagt. Es gab kaum jemanden im Rat, der ihm darin widersprechen wollte, im Gegenteil: der Wunsch nach einer Rückkehr zur „Vielfalt“ war allgemein. Der Erfüllung dieses Wunsches steht aber vorerst die Sorgfalt im Weg, denn das Bundesverwaltungsgericht lässt nicht ohne weiteres zu, dass Kommunalparlamente sich einfach ein Kneipen- und Geschäftsviertel nach eigenem Gutdünken zusammenstellen können. Dagegen steht das vom Stadtrat selbst 2021 beschlossene Märktekonzept mit seiner heiligen Dreifaltigkeit aus den Sortimentskategorien nahversorgungsrelevant, zentrenrelevant und nicht zentrenrelevant. Alle drei sind rund um den Hassel erlaubt, so dass sich dort also Spätis, Dönerläden und Shisha-Bars bis zum Abwinken ansiedeln können.
Obwohl genau dies also die Rechtslage ist, wollten sich viele Stadtverordnete nicht damit abfinden und fordern im Gegenteil fraktionsübergreifend, nicht nur am Hassel, sondern auch in Magistralen wie der Diesdorfer, der Halberstädter und der Lübecker Straße gegen ein Übermaß an Dönerläden vorgehen zu dürfen.
O sancta simplicitas! Verbietet denn das erwähnte Märktekonzept, dass sich am Hasselbachplatz coole Kneipen, Restaurants und Läden ansiedeln? Arbeitet das nach Diskussionen installierte Hasselmanagement etwa heimlich dagegen? Gab es nicht jede Menge Ärger mit den Anwohnern, als der Platz noch ein lebendiges Kneipenviertel war? Hat man nicht sogar ein Alkoholverbot diskutiert? Und liegt das Kneipensterben wirklich darin begründet, dass es dort vier Shisha-Bars gibt?
Abgesehen davon, dass ein Platz nicht einfältig, sondern allenfalls eintönig sein kann, ist die Kausalität von Angebot und Nachfrage nun einmal ein Wesensmerkmal der freien Marktwirtschaft; und man darf den Betreibern der Barbershops und Dönerläden gewiss nicht unterstellen, dass sie einen wirtschaftlichen Ruin in Kauf nehmen, so lange er nur rund um den Hasselbachplatz stattfindet und sie dort also Präsenz gezeigt haben. So einfältig sind sie nicht.
Würden sich dort tagtäglich tausende zahlungskräftige Menschen auf der Suche nach coolen Kneipen und Restaurants auf die Füße treten, die sich von Spätis und Dönerläden angewidert abwenden, dann würde das Erscheinungsbild des Hassels schon bald ein anderes sein. Aber die sind verschwunden und nun offenbar woanders. Magdeburg ist eben vielfältig.