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Dom
War es früher Zeitung, Radio oder Fernsehen vorbehalten, Informationen zu verbreiten, hat spätestens seit der Etablierung des Internets jeder die Möglichkeit, ohne große Kosten sich einer breiten Öffentlichkeit mitzuteilen. Vor allem regionale Themen haben hier gute Chancen, Anhänger zu finden. An dieser Stelle wird von Leuten erzählt, die ihre ganz eigenen Seiten zu Magdeburg ins Netz gestellt haben.
An den Tag kann sich Michael Jäger noch ziemlich genau erinnern. Er hatte im Netz nach einem historischen Datum aus der Magdeburger Geschichte gesucht. Das bei Google ausgeworfene Ergebnis aber war enttäuschend. Ein paar dürre Einzelverweise, die nicht zum Ziel führten, nichts Greifbares. Das war 2004.Eine übersichtliche Webseite zur Historie Magdeburgs gab es offenbar nicht. Jäger beschloss, eine eigene Seite zu initiieren, eine, die Material zur Magdeburger Geschichte sammelt. Seither hat der heute 51-jährige in seiner Freizeit zahllose Bücher und Broschüren gewälzt, hat alle nur erreichbaren historischen Fakten über die Stadt gesammelt und auf seiner Seite magdeburger-chronik.de in einer nach Jahrhunderten geteilten Stadtchronik eingetragen. Dazu hält er aktuelle Ereignisse, wie das Jahrhunderthochwasser von 2013 mit seiner Kamera fest und schreibt seine Chronik fort. Längst hat es Jägers Chronik bei Suchanfragen auf die erste Ergebnisseite geschafft, 78.000 mal wurde die Seite seit 2005 aufgerufen, im Schnitt 20 bis 30 Mal pro Tag. Dass die Seite in greller, rot-grüner Oldschool-Optik daherkommt, scheint keinen der Besucher zu stören. Ob Social Media, Blogs oder solche Webseiten – als Privatperson ist es gar nicht so aufwändig, unabhängig von großen Verlagen und Medienunternehmen und jedweder Zensur sein Spezialinteresse zu publizieren. Das Netz ist groß genug. Auch die technische Seite ist überschaubar geworden. Neue Facebook-Seiten oder der eigene Blog sind auch dank einfach zu bedienender Content-Management-Systeme, wie Wordpress, schnell angelegt. Jäger hatte es da noch etwas schwerer gehabt, als er sich anno 2004 ohne Programmierkenntnisse der Microsoft Frontpage bediente, um seine Chronik ins Netz zu hieven.
Gegen das ewige Gemeckere
Weil Inhalt im Zweifel wichtiger als Optik ist, wissen genügend Leute solche Seiten bis heute zu schätzen. So erfreuen sich Facebook-Seiten wie „Dinge, die ein Magdeburger nicht sagt“ oder „Magdefakt“, die beide innerhalb des vergangenen Jahres gegründet worden sind, schon nach kürzester Zeit großer Beliebtheit. Dabei wollte Gründer Tom Siesing, 24-jähriger Student der Sozialwissenschaften, mit seinen Facebook-Seiten nur dem ewigen Gemeckere der Magdeburger über ihre Stadt entgegenwirken. Der größte Erfolg bisher aber ist die Seite „Magdefakt“. Die Idee ist nicht neu, egal, aber seine Leser lieben es, den mal lustigen, mal ernsthaften Statistiken und Zahlenwerken zur Stadt zu folgen. Erst vor kurzem hat der 10.000. User Gefallen an der Seite gefunden. Mit Regionalität kann man eben punkten – gerade im endlosen Netz. Dass, das auch offline funktioniert, hat Tom erkannt. Nun entwirft er unter dem Label „Kukkies“ Stoffbeutel, T-Shirts und Hoodies. Somit kann sich jeder auch im realen Leben zu seiner Heimatstadt bekennen. Da bleibt für andere Ideen nicht mehr allzu viel Zeit. Denn: kreativ zu sein, ist das eine, die vielfältigen Seiten zu pflegen, das deutlich zeitlich aufwändigere andere. So warten die Abonnenten von „Vergessliches Magdeburg“, eine Facebook-Seite mit nicht ernstgemeinten Geschichten zu Fotos von liegengelassenen Dingen und „Magdebook“, ein digitales Gästebuch, seit Frühjahr auf neue Einträge. Allerdings kann eine interaktive Seite nicht ohne Zuschriften auskommen.
Digitale Fernbeziehung
Die Beweggründe, warum Leute private Seiten über Magdeburg starten und zu Netzdiskussionen über das Leben in der Stadt anregen, sind so unterschiedlich, wie die Menschen, die dahinter stecken. Der eine möchte Lokalpatriotismus zeigen, ein anderer Wissenslücken im Netz schließen, manche wollen schlicht Spaß haben. Und andere pflegen auf diese Weise eine Art Fernbeziehung zur alten Heimat. Magdeburg-Chronist Michael Jäger etwa lebt seit 1993 in Braunschweig. Auch Karl Ludwig Weise, studierter Designer und gebürtiger Magdeburger, hat es aus Berufsgründen nach Hamburg verschlagen. 2005 initiierte er die Seite „meinmagdeburg.de“. „Ich wollte eine Seite, welche die interessanten Sehenswürdigkeiten Magdeburgs zeigt, machen. Viele Magdeburger wissen nicht richtig etwas mit ihrer Stadt anzufangen“, sagt der Diplom-Designer. Allerdings sollte die Seite nicht nur Wegweiser für Einheimische sein, sie war gleichzeitig eine Art Lernprojekt für Weise. „Ich probiere beim Webdesign gerne aus, vor allem bei Sachen, die mich interessieren.“ 2007 beschäftigte er sich intensiver mit Programmierung, dann kamen Videos und nun wurde aus der Seite eine Art Suchmaschine, die passend zur Uhrzeit und zum Wetter Locations vorschlägt. Das sollen dann auch die Seiten Magdeburgs sein, die kommerziell nicht interessant sind.Denn in Magdeburg gibt es viel zu entdecken entgegen dem ewigen Gejammer, dass tote Hose sei. Das sehen Dominik Bogner und Matthias Andrasch, zwei Studenten der Medienbildung nicht anders. Für Dominik, der selbst Erfahrungen in der Veranstalterszene gesammelt hat, ist in der Landeshauptstadt mehr los als wir denken. Nur: „Das Marketing bei vielen kleinen Veranstaltern ist oft nicht stimmig, sodass auf diese Events niemand wirklich aufmerksam wird“, sagt er. In der Fülle von Veranstaltungstipps der Stadmagazine würden diese untergehen. Grund genug aktiv zu werden, um den besonderen Veranstaltungen eine Plattform zu bieten. Das haben die beiden auf ihrer Seite „magdeboogie.de“ verwirklicht. Dort findet man nur Events, denen Dominik und Matthias besondere Aufmerksamkeit schenken wollen. Magdeburger sind sie keine, sondern kommen aus Pforzheim und Lutherstadt Wittenberg. Im Laufe ihres Studiums hat es den beiden die Landeshauptstadt mit ihrer vielfältigen Kulturszene allerdings angetan, wodurch ihnen „Magdeboogie“ zu einer Herzenangelegenheit wurde.
Grenzen der Netzfreiheit
Dass allerdings auch private Netzseiten ihre Grenzen haben, durfte gerade der 29-jährige Schönebecker Tim Lehmann erfahren. Weil er unter dem Namen „Ordnungsamt Magdeburg“ eine satirische Facebook-Seite und einen Twitteraccount einrichtete und betrieb, sah die Stadt Magdeburg die Namensrechte und die Rechte am Wappen der Stadt verletzt. Lehmanns Ziel war es, die strengen Auflagen des Ordnungsamtes zu kritisieren, durch die Veranstaltungen behindert worden seien. In einem Eilverfahren klagte die Stadt Magdeburg gegen den 29-Jährigen und bekam Recht. Weder den Namen noch das Wappen darf er erneut benutzen, sonst muss er eine bis zu 250.000 Euro Strafe zahlen oder sechs Monate in Ordnungshaft gehen. Löschen muss Lehmann die Facebook-Seie nicht. Unter dem Namen „Ordnungsamt Machteburg“ darf sie weiterhin im Netz bestehen bleiben.
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