
© Engelhardt
Magdeburgs ehemaliger Kulturdezernent Dr. Rüdiger Koch an der Lukasklause
Die Situation war verfahren. Seit Wochen bereits belagerten katholisch-kaiserliche Truppen die Stadt Magdeburg, jene unbeugsame Hochburg des Protestantismus, aber die Aufforderung zur Kapitulation lag längst auf dem Tisch der Magdeburger Ratsherren. Noch in den frühen Morgenstunden des 10. Mai 1631 saßen sie beisammen, um zu beratschlagen, um auf Entsatz durch Schwedenkönig Gustav zu hoffen, aber General Tilly hat am frühen Morgen den Befehl zur Erstürmung der stolzen Stadt gegeben. Der Türmer von St. Johannis blies noch das Sturmsignal und steckte die weiße Kriegsfahne auf. Aber zu spät: Söldnertruppen hatten am Neuen Tor (heute etwa Höhe Askanischer Platz) den Graben überwunden und waren über den Wall eingedrungen. Dann begann ein schier unglaubliches Gemetzel und ein Brandschatzen, nur einem kleinen Teil der Einwohner gelang es, sich in den Dom zu flüchten. Mit martialischen Begriffen wie „Magdeburger Bluthochzeit“ fand das Ereignis Eingang in die Zeitgeschichte. Das Wort „Magdeburgisieren“ wurde zum gebräuchlichen Begriff für das totale Zerstören eine Ortes und so muss Magdeburg heute in einer Reihe mit Jerusalem, Troja und Hiroshima genannt werden. 2031 wird sich dieses Fanal zum 400. Mal jähren. Bereits im letzten Herbst gründete sich ein Kuratorium zur Vorbereitung dieses 400. Jahrestags im Rahmen einer Dekade 2021-2031. Den Vorsitz hat dabei Magdeburgs ehemaliger Kulturdezernent Dr. Rüdiger Koch. Ein Glücksfall. Das Credo des Kuratoriums heißt dabei: „Ein Erinnern ohne Vergegenwärtigen belässt es beim Trauma“. In einer Welt, in der die Geißel des Krieges täglich neues Leid hervorruft, und doch der Ruf nach Frieden und Verständigung niemals verstummt, bleibt Magdeburgs Schicksal ein Sinnbild für globale Menschheitsfragen. So ist es die Chance zur Gestaltung einer Dekade des Erinnerns, der Diskussion und der Verständigung über Konflikte und Kriege bis in die Gegenwart. „Von Magdeburg soll ein starkes Signal für eine reflektierte Friedensarbeit ausgehen, die auf Verstehen, Versöhnung und Zusammenarbeit setzt“, bringt es Koch auf den Punkt. Anders ausgedrückt: für das Kuratorium geht es um nicht weniger als eine moderne Neudeutung des Begriffs „Magdeburgisieren“ hin zur Fähigkeit der Konfliktbewältigung ohne Krieg. Alle konzeptionellen Fäden dieser Dekade laufen dabei an St. Johannis zusammen: Die älteste Stadtkirche, fünfmal abgebrannt und zerstört, ist mit dem Wiederaufbau ab 1990 zum Symbol des Neuanfangs geworden. Es gibt bereits eine Vielzahl bewusstseinsschaffender Ideen, so die Neuauflage des noch bis 1876 am Magdeburger Theater aufgeführten „Sturm auf Magdeburg“ ähnlich der Nibelungen-Saga in Worms oder eine Domprediger-Bake-Inszenierung vor dem Dom. Auch mit Le Havre, der im Zweiten Weltkrieg ebenfalls schwer zerstörten Partnerstadt, könnte man gemeinsame Sache machen.