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Der Stadtläufer
Magdeburg hat mindestens bis 15. August keinen Stadtratsvorsitzenden und muss so lange also noch ohne diesen, dafür aber mit Hohn, Spott und Kopfschütteln ob einer einzigartigen Provinzposse leben. Dabei hatte sich zunächst alles so gut angelassen. Trotz der schwierigen Mehrheitsverhältnisse im neuen Stadtrat hatten sich die Fraktionsvorsitzenden auf einen gemeinsamen Kandidaten geeinigt, dem eine eindeutige Mehrheit sicher schien, so dass vermutlich niemand überraschter war als dieser, nämlich Wigbert Schwenke selbst, als er sie im ersten Wahlgang verfehlte.
Der Alterspräsident und Ex-Schiedsrichter Bernd Heynemann reagierte entschlossen und vermeintlich souverän, als er den Rat in die Verlängerung, also einen zweiten Wahlgang schickte, für den Roland Zander zusätzlich zu Schwenke Manuel Rupsch vorschlug, den Schwenke einer kurz zuvor bekannt gewordenen E-Mail zufolge ursprünglich auch selbst vorgeschlagen hatte, ehe er sich besann und sich selber vorschlug. Ob die Abweichler aus den eigenen CDU-Reihen kamen, bleibt spekulativ, ist aber gut vorstellbar. Zur Stichwahl zwischen Rupsch und Schwenke kam es dann aber nicht, da Rechtsamtsleiterin Alexandra Kuhle einschritt und verkündete, dass ein zweiter Wahlgang nicht zulässig sei, wenn der erste gescheitert wäre. Daraufhin bekannte sich der Stadtrat geschlossen dazu, das nicht gewusst zu haben, und pochte darauf, den ersten Wahlgang wiederholen zu dürfen, weil die Abstimmung anders ausgefallen wäre, wenn man um diesen Umstand gewusst hätte. Genau das beschlossen die Räte dann auch und wählten erneut, inthronisierten den verwirrten Schwenke, der von einem „holprigen Start“ sprach, und gingen erleichtert nach Hause. Allerdings hatten sie das Kommunalverfassungsgesetz immer noch nicht zu Ende gelesen, denn sonst hätten sie gewusst, dass die Wiederholung des ersten Wahlgangs genauso unzulässig war wie ein zweiter, da der Stadtrat einem eigenen unrechtmäßigen Beschluss nicht widersprechen könne; dies sei der Oberbürgermeisterin oder der Kommunalaufsicht vorbehalten. Warum das trotz der Anwesenheit der Rechtsamtsleiterin und mehrerer Unterbrechungen mit eifrigem Studium des Kommunalverfassunsgesetzes niemand herausgefunden hat, bleibt ein Geheimnis, das der Kern der Posse ist.
Die Wahl ist nun offiziell für ungültig erklärt worden und muss am 15. August wiederholt werden, wobei noch nicht feststeht, ob der gedemütigte Schwenke erneut an den Start geht. Da sich die Räte nun freilich mit einer weiteren neuen Information konfrontiert sehen, ist den Spekulationen, wie es weiter gehen wird, natürlich Tür und Tor geöffnet. Denn wenn man permanent in Unkenntnis der Rechtslage abstimmt und sich nach Erlangung von deren Kenntnis umentscheiden möchte, könnten durchaus noch ein paar Wahlgänge folgen.
Die peinliche Sitzung hätte laut Gesetz nach dem ersten gescheiterten Wahlgang sofort beendet werden müssen. Wie glücklich wären sie alle, wenn sie es getan hätten!