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Der Stadtläufer
Die Brandmauer im Stadtrat zu Magdeburg ist eingestürzt. Liest man einige der Kommentare dazu, so könnte man glauben, dass dieses Ereignis in eine Reihe mit dem Stadtbrand von 1207 (der uns den Ottonischen Dom kostete) sowie den verheerenden Bränden vom Mai 1631 und vom Januar 1945 gehört. Die Fraktion „Grüne/Future!“ jedenfalls findet die eingestürzte Brandmauer „extrem enttäuschend und besorgniserregend“, und genau das hat man vermutlich über die erwähnten Stadtbrände gesagt, als sie gerade ausgebrochen waren.
Aber wie konnte das geschehen? Seit 2021 zieren drei Bremsschwellen, sogenannte „Berliner Kissen“, den Hasselbachplatz, wo sie der Verkehrsberuhigung dienen sollen. Umstritten waren sie von Anfang an, doch die damals noch vorhandene Mehrheit von Grünen, SPD und Linken hatte sie gegen den Widerstand von CDU und AfD durchgesetzt. Inzwischen aber lässt sich gegen den gemeinsamen Widerstand dieser beiden Fraktionen nichts mehr durchsetzen und so fand der AfD-Antrag, die Kissen wieder zu entfernen, dank der CDU-Fraktion eine Mehrheit. Die Christdemokraten haben es gewagt, einem Antrag zuzustimmen, den sie selber gestellt hätten, wenn ihnen die AfD nicht zuvor gekommen wäre. Und sie besaßen nicht die Anständigkeit, den AfD-Antrag abzulehnen, um sofort danach denselben Antrag zu stellen und zu hoffen, dass die AfD nicht beleidigt ist.
Und so bejubelt diese ihren erfolgreichen Antrag als „bedeutendes Aufbäumen des gesunden Menschenverstandes“ und konstatiert, „wie gut es Magdeburg tut, dass die linksgrünen Mehrheitsverhältnisse Geschichte sind“. Die linksgrüne Minderheit hingegen ist enttäuscht und besorgt. Die Brandmauer ist gefallen, die Büchse der Pandora geöffnet. Alle künftigen Anträge aus dem demokratischen Lager stünden nunmehr auf außerordentlich wackligen Füßen.
Wir befinden uns wie 1933 auf direktem Weg zu einer Art Ermächtigungsgesetz, das vollständig übrigens „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ hieß. Setzen wir Republik oder Stadt an die Stelle von Reich, so klingt es gar nicht mehr so verschieden von den Verlautbarungen zur Schaffung des Sondervermögens und mancher Stadtrats-Debatte. Es fängt mit drei Fahrbahnschwellen an und endet mit der Alleinherrschaft von Björn Höcke bzw. Ronny Kumpf. Der kerngesunde Menschenverstand bäumt sich auf und walzt alles nieder, was sich ihm in den Weg stellt. Es gibt keine Berliner Kissen am Hasselbachplatz mehr – und keine Ruhekissen für die demokratische Mitte.
Es sei allerdings daran erinnert, dass die AfD schon vor fünf Jahren erfolgreich einen Antrag für Kita-Schwimmkurse eingebracht hat, nachdem sie zuvor sechs Jahre lang mit jedem ihrer Stadtrats-Anträge gescheitert war. Gewiss, die Abstände werden kürzer und vielleicht dauert es bis zum nächsten erfolgreichen AfD-Antrag nur noch vier Jahre, aber dennoch ist es von da bis zur Einparteienherrschaft noch ein gutes Stück Weg. Und notfalls müssen halt Bremsschwellen gelegt werden.