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Der Stadtläufer
Die AfD strebt bei der kommenden Landtagswahl in Sachsen-Anhalt einen haushohen Wahlsieg und die Alleinregierung an – und die Ergebnisse der zurückliegenden Europawahl lassen dieses Ziel zumindest nicht vollends absurd erscheinen. Bei der letzten Wahl im Jahr 2021 war es der CDU mit einer Panik-Kampagne gelungen, einen zuvor kaum für möglich gehaltenen Triumph zu feiern, indem sie sich selbst als einzige Alternative zur Alternative für Deutschland erklärte; was dazu führte, dass Menschen, die zuvor nie im Leben darauf gekommen wären, ihre Stimme der CDU zu geben, für Haseloff und seine Truppe stimmten, nur um Schlimmeres zu verhindern. Die Gewissheit, dass das erneut funktionieren könnte, scheint nach der Europawahl allerdings verloren gegangen zu sein, und die Suche nach einem gleichwertigen Ersatz für Reiner Haseloff gestaltet sich so schwierig, dass man den amtierenden Ministerpräsidenten verzweifelt bekniet, den wohlverdienten Ruhestand noch ein wenig hinauszuschieben. Da aber auch eine erneute Kandidatur des Wittenbergers keine wirkliche Sicherheit bietet, war es an der Zeit, noch schwerere Geschütze aufzufahren. Und der Landesvater lieferte: er hat damit gedroht, seine Heimat gemeinsam mit seiner Frau zu verlassen, sollte Sachsen-Anhalt ab 2026 tatsächlich von der AfD regiert werden!
Den Weg ins Exil hat 1994 nicht einmal Christoph Bergner angetreten, als die PDS unser Bundesland zumindest indirekt mitregierte. Stattdessen hat er 1998 einen Comeback-Versuch unternommen, der allerdings krachend scheiterte. Ob das anders gekommen wäre, wenn auch er damit gedroht hätte, das Land zu verlassen, muss Spekulation bleiben. Und es bleibt natürlich auch spekulativ, ob die Landeskinder von der Drohung ihres Landesvaters, seinen Wohnsitz in Wittenberg aufzugeben, derart traumatisiert sind, dass sie der AfD ihre Stimme verweigern werden – selbst dann, wenn sie sie eigentlich für eine gute Alternative halten.
Vermutlich hängt das entscheidend davon ab, wohin es das Ehepaar Haseloff treibt oder verschlägt. Ein neuer Wohnsitz auf Sylt oder in Baden-Baden wäre etwas völlig anderes als ein echtes Exil auf Mallorca oder in Florida. Letzteres böte zumindest die Möglichkeit, den weiteren Weg von Reiner und Gabi bei „Goodby Deutschland“ mitzuverfolgen - damit der Kontakt nicht völlig abreißt. Die Pension reicht zweifellos aus, sich einen schönen Lebensabend zu machen, aber wer immer rastlos tätig war, kann vielleicht gar nicht ohne weiteres übergangslos die Füße hochlegen. Einen guten Landesvater kann man gewiss vielerorts brauchen, allerdings dürfte es da allerorts Widerstand von Seiten der amtierenden Landesväter geben. Aber Haseloff ist ja auch Diplom-Physiker und war ein Jahrzehnt lang Direktor des Wittenberger Arbeitsamtes, seine Frau ist Zahnärztin, da sollten sich Betätigungsfelder also finden. Aber vielleicht gewinnt die AfD ja auch nicht - und er kann im Lande bleiben und sich redlich nähren.