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Der Stadtläufer
Um einen geeigneten Ort und eine angemessene Form für das Gedenken an die Opfer des Weihnachtsmarkt-Anschlags zu finden, hatte die Stadt unter dem Motto „Magdeburg trauert“ eine Umfrage gestartet. An dieser haben sich 72 Menschen mit 81 Vorschlägen beteiligt, von denen keiner Berücksichtigung finden wird. Die Verwaltung selbst hat nämlich den besten Vorschlag gemacht und befasst sich nun unter Zeitdruck mit dessen Umsetzung. Gemeinsam mit dem Eigenbetrieb Stadtgarten und Friedhöfe sowie der Weihnachtsmarkt GmbH hat sie bereits mehrere Begehungen des geplanten Gedenkortes an der Hartstraße, Ecke Ernst-Reuter-Allee absolviert, wo eine „bodennahe Einlassung eines Gedenksteins“ vorgenommen werden soll. Dabei hat man sich gegenseitig immer wieder versichert, wie wichtig es sei, die Angehörigen der Todesopfer einzubeziehen.
Diese Kommunikation ist aber offenbar fehlgeschlagen, denn die Hinterbliebenen fühlen sich alles andere als einbezogen und laufen daher gegen die Pläne der Verwaltung Sturm. Ob sie es geschlossen tun oder so verschiedener Ansicht sind, wie die Ideengeber der Gedenk-Umfrage, bleibt natürlich im Dunkeln. Die anonyme Sprecherin der Hinterbliebenen jedenfalls wütet und nennt die „über alle Opfer, Hinterbliebenen und Betroffenen des Anschlags hinweg“ gefällte Entscheidung „einen Schlag ins Gesicht“ derselben. Dies gelte im übrigen auch für alle, die sich bei der Umfrage mit Ideen eingebracht hätten.
Das stimmt freilich nicht wirklich, denn unter den 81 Vorschlägen waren immerhin zehn, die sich ebenfalls für einen Gedenkstein oder eine Gedenktafel aussprachen. Zwanzigmal hingegen wurde eine Skulptur oder eine Statue vorgeschlagen, neunzehnmal eine Nachbildung des Fahrtweges, neunmal ein dauerhaftes Licht, achtmal ein Glockengeläut und viermal eine Stele mit Sprüchen und Bildern. Und eine Musikerin und Trauerrednerin aus Bocholt bot ein individuelles Gedenklied an, mit dem sie schon lange vorher Geschäfte gemacht hat und entblödete sich nicht, es „Magdeburg“ zu nennen.
Aber um Mehrheiten und Geschäftemacherei geht es hierbei natürlich nicht. Auf eine weitere Beteiligung der Bürger oder gar einen Kunstwettbewerb zu verzichten, wird dennoch für weitere Empörung sorgen, zumal die Begründung der mangelnden Zeit so selbstherrlich ist wie die Entscheidung für Ort und Art des Gedenkens; denn das Ziel, bis zum Jahrestag des Anschlags fertig zu sein, wurde auch nicht auf seine Mehrheitsfähigkeit hin befragt.
Es bleibt mithin der Eindruck zurück, als habe man den Bürgern nur einen Knochen hingeworfen und nie ernsthaft vorgehabt, die Ergebnisse der Umfrage in die Entscheidungsfindung einfließen zu lassen. Und dieser Eindruck ist völlig korrekt.