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Der Stadtläufer
An der Berliner Chaussee hat eine neue Mc-Donald‘s-Filiale eröffnet, zu der bald auch ein 25 Meter hoher Pylon gehört, mit dem die Fastfoodkette für sich selbst und eine Unterbrechung der Fahrt auf der geschichtsträchtigen Straße wirbt. Dieser Umstand sorgt für reichlich Aufregung, denn Stadtrat Reinhard Stern von der CDU ist in derart großer Sorge darum, dass dieser Pylon den Blick auf Magdeburgs berühmtestes Wahrzeichen einschränken könnte, dass er sich im Ausschuss für Stadtentwicklung, Bauen und Verkehr zu dem so emotionalen wie syntaktisch fragwürdigen Ausruf „Wir sind keine McDonald‘s-Stadt. Wir sind ein Magdeburg und ein Dom.“ hinreißen ließ. Und er prophezeite, dass der Pylon, sollte sich seine Befürchtung bewahrheiten, abgerissen werden würde; denn: „Die Bürger wollen das nicht.“ Denn die Bürger sind nun einmal ein Dom und wollen sich als solcher ihren aus dem Osten anreisenden Gästen in einer freien Sichtachse präsentieren.
Die heutige B1 wurde schon im 2. Jahrhundert n. Chr. vom griechischen Gelehrten Ptolemäus erwähnt, als sie auf ihrem Weg von Brügge bis nach Nowgorod weder an Werbepylonen noch an bedeutenden Sakralbauten entlang führte. Wie alle Straßen diente sie vornehmlich als Heer-und Handelsstraße, touristische Effekte oder die Möglichkeiten zur Selbstdarstellung der an ihr gelegenen Ortschaften haben ihre Erbauer vermutlich nicht angetrieben. Um die Jahrtausendwende machte sie als Via Regia und ottonische Königsstraße zwischen Aachen und Magdeburg von sich reden; damals, als Berlin noch ein gänzlich unbedeutendes Fischerdorf war. Zwischen der Mitte des 18. und der des 19. Jahrhunderts wurde sie schließlich als Reichsstraße 1 modernisiert und mit fast 1400 Kilometern Länge zur längsten Straße, die jemals in Deutschland existiert hat. Sie führte von Aachen über Düsseldorf, Essen, Dortmund und Braunschweig bis nach Magdeburg, und von dort über Potsdam, Berlin, Küstrin und Königsberg bis nach Eydthuhnen an der damaligen deutsch-litauischen Grenze. Heute heißt sie B1 und endet an der Grenze zu Polen, führt aber immer noch über die Glienicker Brücke, den Potsdamer Platz, den Alex und die Karl-Marx-Allee. Sie ist aufgeladen mit Geschichte und Geschichten, das steht außer Zweifel.
Wenn eine Straße historisch derart bedeutsam ist, dann ist es mehr als angemessen, wenn man bei ihrer Befahrung in westlicher Richtung einen spektakulären Blick auf ein so bedeutsames Bauwerk wie unseren Dom geboten bekommt, wenn man schon einmal durch „ein Magdeburg“ fährt. Das ist zwar, wie erwähnt, nicht der Sinn der Sache, aber ein erfreulicher Nebeneffekt. Dass bereits die beiden Pylone der Kaiser-Otto-Brücke die Sichtachse zum Teil verstellen, kommt erschwerend hinzu, so dass es ein großes Glück ist, dass sich die B1 an genau der Stelle, wo nun (die Tatsache, dass wir keine McDonald‘s-Stadt sind, frech missachtend) die Fastfood-Werbung aufragt, von ihrem historischen Verlauf abwendet und über den Nordbrückenzug weiterführt. Denn von dort aus kann man den Dom, der wir sind, sehr gut sehen.