© Conrad Engelhardt
Michael Günther
Jetzt im besten Kombinatsdirektorenalter: Michael Günther spielt erneut „Ein Vormittag in der Freiheit“.
Tote Zeit ist es, diese endlos langen Stunden bis zum Mittag. Noch vor wenigen Wochen hatten diese Vormittage ihre Ordnung, da war Herr Lehmann Kombinatsdirektor. Jetzt aber ist er arbeitslos und seine DDR liegt auf dem Müllhaufen der Geschichte. Im Kopf des so plötzlich Nutzlosen stapeln sich die Gedanken, er ist trotzig, ist wütend auf die ungerechte Welt, immer wieder taucht die Frage auf, was er denn zu bereuen hätte: Dass er stets mehr tat als seine Pflicht? Dass er nie unentschuldigt auf einer Parteiversammlung fehlte? Dass er bei jeder Olympiade die DDR-Siege mitzählte? Also beschwört er Thälmanns Martyrium, seine FDJ-Vergangenheit, sein angestrengtes Leben, um in einem absurden Theater, das er sich selbst bereitet, auf den Knien rutschend um Verzeihung für seinen Einsatz in der DDR zu winseln.
Lothar Trolles Werke, Prosa, Hörspiele, Theaterstücke, sind Träume, die mit der Wirklichkeit spielen, ohne sie abzuschreiben, lobte ihn dieser Tage eine Zeitung zu seinem 70. Geburtstag. Als sein „Vormittag in der Freiheit“ im Oktober 1991 an den Freien Kammerspielen seine Uraufführung erlebte , da war der Stoff brandaktuell, da krempelte sich gerade ein Land komplett um und mit ihm die Lebensläufe seiner Einwohner. Bunge inszenierte das Stück damals mit dem jungen Michael Günther, ließ ihn graumähnig, im zotteligen Bademantel und in stinkenden Pantoffeln über die Bühne schlurfen, und die Braunschweiger Zeitung lobte in ihrer Kritik, er hätte da „einen hervorragenden Schauspieler zur Verfügung, der ganz ohne Larmoyanz die sprachlichen und gestischen Nuancen mit geradezu parodistischem Vergnügen geniesst.“
„Theater“, hat Lothar Trolle mal in einem Interview gesagt, „sollte genau registrieren, wo nach Feststellung der Katastrophe die Chancen fürs Leben liegen: im provozierenden Träumen“. Die Neuinszenierung seines Erfolgsstücks aus dem Jahr 1991 vereint noch einmal Regisseur mit dem Hauptdarsteller der damaligen Aufführung. Ein Vierteljahrhundert nach dem Fall der Mauer gehen sie der Frage nach, ob Trolles Lehrstück von der plötzlichen Überflüssigkeit eines durchschnittlichen Menschen noch immer aktuell oder inzwischen ein moderner Klassiker ist.
Ein Vormittag in der Freiheit, 9. November, 20 Uhr, Forum Gestaltung