
© Kerstin Schomburg
Preisgekrönte Halbzeitbilanz: Die Schauspielhaus-Leitung aus Clemens Leander, Bastian Lomsché und Clara Weyde
„Bei manchen Inszenierungen merkt man schon in der Generalprobe, dass da gerade etwas abhebt“, beschreibt Bastian Lomsché, neben Clara Weyde und Clemens Leander Teil des Schauspielleitungstrios, einen dieser seltenen magischen Momente. Bei „Blutbuch“ in der Regie von Jan Friedrich sei das so gewesen. Die Wahl eines Gegenwartsromans, der die Identitätssuche einer non-binären Person erzählt, sei „für Magdeburg durchaus ein Experiment“ gewesen. „Das Publikum in Magdeburg ist nicht berechenbar“, konstatiert Clemens Leander. Aber es honoriert, so scheint es, wenn Theater wirklich etwas zu sagen hat. „Blutbuch“ zog Publikum an – auch neues. „Das Stück hat wie ein Dosenöffner gewirkt. Das Publikum hat sich seitdem merklich verändert“, freut sich Lomsché.
Und dann saß er im Publikum: ein Juror des berühmten Berliner Theatertreffens. Später weitere. Das blieb natürlich nicht unbemerkt. In München, wo die Inszenierung bei „Radikal jung“, dem Festival junger Regisseure, zu sehen war, noch weitere Beobachter. Und schließlich sogar der Technische Leiter des Theatertreffens – „und wenn der kommt, kann man davon ausgehen, dass man in der engeren Auswahl ist“, so Lomsché.
Warum das so aufregend ist? Weil eine Einladung zum Berliner Theatertreffen der Ritterschlag jedes Theaterschaffenden ist. Alljährlich werden dort die 10 „bemerkenswertesten“ Inszenierungen des deutschsprachigen Raums präsentiert. Dafür scannen lokale Juroren ein bestimmtes Terrain nach herausragenden Aufführungen ab und schicken, so fündig geworden, ihre Kollegen zur Sichtung. Rund 30 schaffen es auf die Shortlist – die aber bis zur Bekanntgabe der finalen Auswahl geheim bleibt. „Ein wahrer Krimi“, so empfand es Lomsché. Am 24. Januar dann hockt das Magdeburger Team um den PC und verfolgt die Pressekonferenz. Ein Inszenierungsfoto wird eingeblendet. Großes Theater! Große Emotionen! Erstmalig ist das Theater Magdeburg zum Theatertreffen eingeladen! Chapeau und Glückwunsch!
Für das Team ist es die Krönung einer erfolgreichen Strategie, die sich mit Leanders Worte etwa so zusammenfassen lässt: „Wir wollen das Theater in die Stadt bringen und die Stadt ins Theater.“ Deswegen die vielen Formate jenseits klassischer Vorstellungen: Partys, Open Stages, Vermittlungsprojekte, Bürger:innenDinner. Deswegen die Wahl von Themen, Autoren und Regisseuren mit lokalem Bezug. Das Magdeburger Haus sei dabei das ideale Experimentierfeld: nicht zu groß und nicht zu klein. Mit sehr guten künstlerischen Bedingungen, aber nicht allzu üppiger Publikumskapazität. Mit einem gewissen Renommee, aber noch nicht unter solch Erfolgsdruck wie in den Metropolen. Wobei die Einladung zum Theatertreffen die Parameter ein bisschen verschiebt: Neuerdings kommt nämlich auch Publikum aus Berlin oder Hannover, um Theater in Magdeburg zu sehen.
Alles richtig gemacht also. Was kann da noch kommen? „Wir machen einfach so weiter wie bisher“, sagt Leander augenzwinkernd. Um mehr zu erfahren, werden wir uns bis zur Spielplanvorstellung im Mai gedulden müssen.

© Engelhardt
Schauspielhaus/Theater Magdeburg
Otto-von-Guericke-Straße 64, 39104 Magdeburg
Theaterkasse: eine Stunde vor Vorstellungsbeginn