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Alice: Das Wunderland liegt so nahe
Für das Wunderland von Regisseurin Caroline Stolz braucht es nicht viel, nur das wandelbare Bühnenbild und die fantasievollen Kostüme von Lorena Díaz Stephens, Jan Hendrik Neidert.
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Alice - Musical
Charles Dogsons (Ralph Martin) nimmt Alice (Lena-Sophie Vix) mit in die Abgründe seines Wunderlandes.
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Fantasievolle Kostüme bei Alice
Das blaue Kleid - ist so aufgeplustert, dass das Mädchen, was in ihm gefangen ist, hilflos wirkt. Ihre lockigen, schwarzen Haare erinnern an das unschuldige Schneewittchen. Das Wunderland erscheint für Schauspielerin Lena-Sophie Vix als kindliche, tollpatschige Alice in der Caroline Stolz' Inszenierung von Tom Waits Musical "Alice" wie ein abenteuerliches Gefängnis voller abstruser, phantasievoller Gestalten.
Das düster-bunte Wunderland von Carrolls "Alice"
Natürlich braucht man kein Disney-Wunderland erwarten. Ganz besonders nicht weil Tom Waits seine Finger bei der musikalischen Komposition und den Texten des Musicals im Spiel hat. Jazz vermischt sich mit eindringlichen, lyrischen Texten über Tod und Sehnsucht, die mal gesungen und mal gesprochen werden. Ausgebildete Musicalstimmen sind da nicht von Nöten. Schon bei seinem das düsteren Musical "The Black Rider" hielt Tom Waits 1989 nicht viel von überbordenen, allzufröhlichen Musical Evergreens. Drei Jahre später feierte das Avantegarde-Musical "Alice" seine Premiere am Hamburger Thalia Theater.
Waits "Alice" ist ein unschuldiges Mädchen, ein Kind - allerdings ist ihr Wunderland anders als wir es erwarten. Im Mittelpunkt von "Alice" steht die ungewöhnliche Bessesenheit von Alice-Autor Charles Dogsons alias Lewis Carroll von der jungen Alice Liddell. Sie war Vorbild für Dogsons berühmteste Werke "Alice im Wunderland" und "Durch den Spiegel und was Alice dort fand". Damit spielt das Musical. Es ist ein Wechsel zwischen der Realität und der Fantasie von Dogsons, die irgendwann nicht mehr voneinander zu unterscheiden sind. Dann wird er zum weißen Kaninchen, zum weißen Ritter, der Alice durch das verrückte, düstere Wunderland begleitet.
Authentisches Zusammenspiel
All diese Figuren sind Metaphern der vom Alice-Autor erdachten Traumwelt, die Caroline Stolz am Schauspielhaus inszeniert. Schauspieler Ralph Martin bewegt sich als Charles Dogsons stets zwischen dessen Fiktion und Realität. Klick, klick, klick - es sind kaum Worte notwendig, um die Bessenheit des Schriftstellers für sein Objekt der Begierde zu verstehen. Allein die gezielten Handgriffe, mit denen Martin seinen Dogsons Alice für das perfekte Foto formen lässt und Dogsons Unachtsamkeit für ihr Unwohlsein untermauern die unangenehme Beziehung zwischen den beiden. Das perfekte Lächeln sucht der passionierte Fotograf vergeblich, immer wieder verschwindet es aus dem Gesicht von Alice. Bei der Gestaltung des Bühnenbildes lassen Lorena Díaz Stephens und Jan Hendrik Neidert vor allem Symbolik sprechen. Große, kleine - alte, neue Fotoapparate hängen herab und geben der Situation eine irreale Atmosphäre,
Regisseurin Caroline Stolz setzt beim Bühnenbild auf Symbolik
Auch sonst ist das Bühnenbild auf das Notwendige reduziert. Viel mehr als die vier beweglichen grünen Hecken verändert sich häufig auf der Bühne nicht - das Wunderland entfaltet sich bei Caroline Stolz Inszenierung vor allem durch die liebevoll gestalteten Kostüme. Die sprechenden Blumen, oder die Gefolgschaft der Herzkönigin lassen die vielfältige Palette der fantasievollen Figuren von Dogsons Fantasiewelt auf der Bühne leben. Man begegnet Tweedle Dum, Tweedle Dee und natürlich dem verrückten Tee-Quartett aus Haselmaus, Maihase und natürlich dem verrückten Hutmacher. Die weiß geschminkten Gesichter geben den Figuren nicht allein ein schauriges Ansehen. Sie markieren sie gleichzeitig als Fantasiegestalten
Viele Rollen - viele Chancen
Sieht man von Lena-Sophie-Vix als Alice und Konstantin Marsch als Altar Boy ab, schlüpfen alle Schauspieler in nur kurzer Zeit in die verschiedensten Rollen. So wird aus der etwas unglücklichen Rose von Alexander Säbel, eine anmütige, aber hinterlistige Grinsekatze mit Melone und Spazierstock. Im Dunkeln möchte man dieser Grinsekatze nicht begegnen, wenn sie zwischen den bläulich schimmernden Hecken entlang schlendert und "Cheshire Cat" singt.
Ein Highlight des ersten Teils ist ohne Frage das Zusammentreffen von Alice und dem Trio um den verrückten Hutmacher. Konstantin Lindhorst, Sebastian Reck und Peter Wittig gelingt es verrücktem Hutmacher, Märzhase und Haselmaus authentisch abgedreht darzustellen. Sei es mit welcher Sicherheit sie eine populäre Redewendung verdrehen und man sich sicher ist, dass Hutmacher, Märzhase und Haselmaus nun wirklich annehmen, sie hätten recht. Die Kostüme wirken dabei nur noch mehr unterstützend. "We're All Mad Here" - man glaubt es ihnen, wenn sie es singen und sich dabei dem Rhythmus der offensichtlichen Spieluhr anpassen. Lena-Sophie Vix gibt ihnen die Geschwindigkeit als Alice vor.
Starke Bilder, allerdings fehlt teilweise die Geschwindigkeit
Caroline Stolze hat bei ihrer Inszenierung Wert auf starke Bilder mit reduziertem Bühnenbild gesetzt. Das war auch wichtig, da das Publikum des Öfteren dank Walt Disney das Musical mit einer bestimmten Erwartungshaltung sieht. Es ist ihr gelungen schöne Bilder zu zeichnen, dabei bleibt allerdings der Fluss des Geschehens zeitweise auf der Strecke, wenn Alice beispielsweise auf die Gefolgschaft der Herzkönigin trifft und sich ein Tanz um und durch die Hecke entspinnt. Die Figuren in Tom Waits haben sicherlich eine Verrücktheit an sich, allerdings sollte sich das nicht unnötig in die Länge ziehen. Hinter den Spiegel sollte man allerdings unbedingt schauen, denn die düstere, bedrückende Atmosphäre passt bei "Alice" einfach.