© Anjelika Conrad
Schonzeit
Im Wald herrscht Schonzeit: Eine Schutzfrist nicht nur für die Wölfe, die hundert Tage lang nicht geschossen werden dürfen. Auch in der angrenzenden Stadt und unter ihren Bewohnern gilt ein unausgesprochener Waffenstillstand. Doch unter der Oberfläche von Lügen und Halbwahrheiten brodelt es gewaltig.
Der aus Dänemark stammende Regisseur Nis Søgaard („ich fühle mich heute aber eher deutsch“) gehörte lange zum Ensemble des Puppentheaters, mittlerweile arbeitet er freiberuflich. Jetzt ist er mit einer Adaption des Rotkäppchen-Stoffs zurück. Das vom österreichischen Autor Andreas Jungwirth geschriebene Drama „Schonzeit“ holt das Volksmärchen ins Hier und Heute und formt das ursprüngliche Lehr- und Initiationsstück zum Lebensdrama einer permanenten Sinnsuche im Glück um.
Für die Produktion hat sich Søgaard die Mitarbeit zweier anderer Dänen gesichert. Der Entwurf für die Figuren und die Kulisse stammt vom Zeichner Simon Bukhave, der sich mit seinen in Schwarz-Weiß gehaltenen, mystisch-dämonischen Comicstorys weit über Dänemark hinaus einen Namen gemacht hat. Obwohl Søgaard ihn bestens aus Kindheitstagen kennt, ist es die erste Zusammenarbeit der beiden, denn zwischenzeitlich hatte man sich einfach aus den Augen verloren: „Simon denkt sehr untraditionell, das ist es, was ich an seiner Arbeit so mag“, gibt Søgaard zu Protokoll. Die Ästhetik von Bukhaves vier Hauptfiguren – Mutter, Großmutter, Wolf und Jäger – lehnt sich an den Stil der erzgebirgischen Nussknacker an, mit Klappmäulern und gebleckten Zähnen, die irgendwie niedlich und bedrohlich zugleich wirken – ähnlich vielschichtig wie die Rolle der Figuren im Stück.
Nur das Rotkäppchen selbst hat keine eigene Figur. „Mir geht es mehr um ihren jeweiligen Zustand, als um die Figur selbst.“, beschreibt es Søgaard und so wird es als eine Art unkörperliches, schwebendes Wesen wechselweise und je nach Situation von einem der weiße Gewänder tragenden Puppenspieler gespielt.
Dritter Däne im Bunde ist Philip Nikolic, seit über 20 Jahren ein guter Freund, der die begleitende Musik geschrieben hat. Die folgt auch den emotionalen Schwankungen des Stücks, denn schnellt zeigt sich, dass die Rollenverteilung der Charakere gegenüber dem originalen Rotkäppchen eine andere ist. Es sind einsame Figuren, jede auf der Suche nach sich selbst, sehnsüchtig nach dem, was das Leben bereithält. Denn nicht allein der Wolf braucht eine Schonzeit, um bei den aufbrechenden Wünschen und Begierden nicht vom Weg abzukommen. Da ist die „Mutter“, die im Wirtshaus die Männer mit Bier versorgt, Einst hatte sie die Großmutter allein im Wald zurückgelassen und das Mädchen bekommen, das nun kein Kind mehr ist. Es sucht den Vater, der im Wald blieb, und will einen, der ihr gefällt.
Gefangen zwischen der Angst, ihren überschaubaren Wohlstand zu verlieren, und der Chance auf Freiheit lassen sich die Figuren von ihren Sehnsüchten in den Wald führen, wo er seinen Hunger hat, der Wolf, der kein Wolf mehr sein will.
In „Schonzeit“ werden letztlich die großen Themen Freiheit, Selbstbestimmung und Entfremdung gespiegelt. Dabei schimmern Geheimnisse durch, es werden Andeutungen gemacht, da lassen sich die Risse zurückliegender heftiger Konflikte erahnen.
Zu den Veranstaltungsterminen von "Schonzeit" ab 29. Oktober im Puppentheater

© Jesko Döring
Puppentheater
Warschauer Straße 25, 39104 Magdeburg
Kassenzeiten Di-Do 10-12.15 Uhr u. 13-18 Uhr Fr 10 -12.15 Uhr u. 13 -16 Uhr Abendkasse: 1 Stunde vor Vorstellungsbeginn nach Vorstellungsbeginn erfolgt kein Nacheinlass.