© Majestic Juergen Olczyk
Blickt auf eine Hollywood-Karriere zurück: Senta Berger
Sie hat alle Rollen gespielt, ab 21. September ist Senta Berger in der romantischen Komödie „Weißt Du noch“ zu erleben: Zusammen mit Günther Maria Halmer gibt sie ein alterndes Ehepaar. Doch ausgerechnet am Hochzeitstag zeigen sich deutliche Risse in der starken Festung, die ihre Ehe zumindest in ihrer Eigenwahrnehmung war. Ein Gespräch.
Frau Berger, eigentlich wollten Sie allmählich den Ruhestand genießen. Wie hat Rainer Kaufmann Sie gekriegt?
„Allmählich“ ist das richtige Wort. In diesem Beruf ist es nicht unbedingt notwendig, dass man nach einer Arbeit sagt: So, das war nun das letzte. Man kann sich allmählich lösen, indem man vielleicht ein bisschen wählerischer wird. Diese Geschichte von Autor Martin Rauhaus war sehr geglückt. Ich habe sie gelesen und sofort gewusst, dass man das wie eine Partitur vom Blatt spielen kann. Nicht mit großem Ehe-Drama und auch keine platte Komödie, die nichts ernst nimmt, sondern eine ernstzunehmende Komödie. Das hat mir gut gefallen.
Günter wird von seinem Freund mit blauen Pillen versorgt. Ein Schelm, der dabei auf gewisse Gedanken kommt. Mochten Sie diese falsche Fährte?
Ja, unbedingt! Dabei ist es aber auch so, dass sehr viele Leute, die den Film gesehen haben, das anders interpretierten. Ich spreche den Verdacht Nummer eins aus: Männertreu und Viagra. Verdacht Nummer zwei ist ganz schrecklich und ob man den versteht, weiß ich gar nicht. Marianne hat nämlich das Gefühl, ihr Mann bringt etwas nach Hause, mit dem sie sich beide umbringen sollen, weil ihr Leben so schrecklich ist. Marianne muss sich für diese schreckliche Vermutung bei Günter entschuldigen. Das hat Rainer aber so nebenbei erzählt, ohne große Tragik, dass ich gar nicht weiß, ob man das auch wirklich so versteht. Das macht aber nichts. Ich finde es gut, wenn man nicht auf diesen Gedanken kommt. Es muss nicht alles ausgesprochen werden. Manche Leute sehen das und andere sehen es halt nicht.
Sind Sie jemand, der viel zurückdenkt?
Ja, unbedingt. Aber ich glaube, dass das jeder Mensch macht. Man lebt und handelt in der Gegenwart, aber selbstverständlich bin ich von der Vergangenheit umgeben. Die Vergangenheit fängt schon gestern an. Morgen bin ich wieder eine andere als heute. Ich denke viel an die Vergangenheit und gehe weit zurück. Es ist nicht so, dass ich mein Leben überdenke. Dazu fehlt mir vielleicht die Ruhe. Ich will kein Resümee ziehen, das muss ich auch gar nicht. Ich denke aber gerne an einzelne Kapitel in meinem Leben und gehe auch viel in meiner Kindheit spazieren.
Welche berufliche Zeit war für Sie die am meisten erfüllende?
Das kann ich nicht so gut beantworten, wie ich das beantworten können sollte. Am glücklichsten war ich in den zehn Jahren in Italien. Da ist mir ein Land zugefallen, das einfach zu mir gehört hat. Das war ein Zeitpunkt, an dem ich richtig für Italien und Italien richtig für mich war. In Amerika war es schwer. Ich war da, ich war in Hollywood! Das hatte man sich doch mit 16, 17, 18 immer gewünscht, oder? Dann war alles sehr anders und sehr schwierig. Vor allem ging mein privates Leben nicht mit meinen Erwartungen zusammen. Auch mit meinem künstlerischen Leben war das nicht vereinbar. Ich bin nicht zum Sitzen und Warten geboren. Ich bin nicht dafür geboren, auf Pläne zu warten, die andere Leute für mich im Kopf haben.
Wie haben Sie sich die Zeit vertrieben?
Ich habe das Glück, dass ich so verbunden mit der Natur bin. Was du in Beverly Hills in die Erde steckst, das wächst. Wir hatten immer wunderbare Gärten. Und dass man dort am Strand entlanglaufen kann, hat mir schon sehr viel gegeben. Auf der anderen Seite habe ich das Gefühl gehabt, dass mir die Zeit davonläuft. Ich war ein bisschen wie ein Pferd, das mit den Hufen scharrt. Dazu kam eben, dass Michael dort nicht leben konnte. Er ging mir zuliebe zweimal in Amerika in ein Krankenhaus, damals war er noch Arzt. Er war immer der Darling aller, weil er halt ein charmanter Europäer ist. Aber es ging nicht. Dann kamen doch sehr schöne Anfragen und Angebote aus Frankreich und Italien. Es kam ein Film von Volker Schlöndorff und Wim Wenders hat angefragt, ob ich mit ihm etwas machen würde. So langsam bin ich wieder zurückgekehrt. Wir haben die Koffer gepackt und waren eigentlich sehr froh darüber.
Sie scheinen das Geheimnis einer langjährigen, glücklichen Beziehung zu kennen.
Naja, man weiß nicht, ob man es richtig oder falsch macht. Die Fehler sieht man immer erst hinterher. (lacht) Ich finde, dass man sich im Zusammenleben Respekt und Anstand bewahren muss. Darum muss man sich bemühen, auch wenn`s manchmal schwerfällt. Das kannst du dir vornehmen. Du kannst es auch umsetzen. Wenn aber sonst nichts zwischen den beiden ist, dann nützt es auch nichts. Wir haben uns gefunden, in jeder Beziehung und auf jeder Ebene. Dann muss man gar nicht mehr weiter darüber nachdenken. Aber sicherlich hat es auch damit zu tun, dass der Beruf eine gemeinsame Klammer ist. Wir haben ständig Gesprächsstoff. Der geht nie aus, bis heute nicht. Wir haben auch viele Interessen, die wir teilen. Trotzdem gibt es immer wieder Stoff, über den wir diskutieren und uns ein bisschen streiten müssen. Wir sind diejenigen geblieben, die wir waren. Das finde ich ganz wichtig. Wir müssen nicht in diesem Sinne verschmelzen. Und wir haben Kinder, das darf man auch nicht vergessen. (lacht)
Marianne sagt zu Günter: „Du hast Angst vor dem Genuss“. Sind Sie ein Genussmensch?
Ja, unbedingt. Das ist ein Satz, der ein bisschen meinen Vater beschrieben hat. Er war ein zutiefst pessimistischer Mensch, ganz im Gegensatz zu meiner Mutter. Wie die zwei sich gefunden haben, weiß ich nicht. Schade, dass man seine Eltern nicht kennt, als sie noch jung waren. Da könnte man sich wirklich viel vorstellen. Mein Vater hat sich vorm Leben gefürchtet. Dort und dort kann er nicht hingehen. Eine Reise nach Italien? Nein! Er könnte dort einen Unfall haben, das Hotel könnte eine Enttäuschung sein. Der Günter als Rolle hat etwas davon. Lieber gar nichts erleben, als verletzt oder enttäuscht zu werden. Es ist schwer, wenn man so einen Mann oder Menschen in der Familie hat. Das ist auch das, was die Marianne am allermeisten stört: dass ihr Günter diese misanthropische Einstellung gegenüber dem Leben und den Menschen hat.
Empfinden Sie das Altern auch wie ein Massaker, als das es im Film bezeichnet wird?
Nennen wir es mal eine Zumutung. Und in diesem Wort ist auch das Wort Mut verpackt. Das braucht man immer wieder. Meine Mutter hatte eine wunderbare Gabe. Sie konnte jeden Tag leben, als würde sie immer leben, als gäbe es für sie kein Ende. Das kann ich nicht. Ich würde es aber gerne können und beneide sie darum. Ich glaube, dass es leichter ist, alt zu sein, wenn man mit jemandem zusammenlebt, der auch alt ist. Wir richten uns gegenseitig immer mal wieder auf. Wir haben ziemlich viel Humor - nicht immer, aber wir bemühen uns darum. Natürlich hilft es, dass wir noch stark in der Gegenwart eingebunden sind. Innerhalb der Familie, aber auch innerhalb unseres Berufes. Das gibt dir mehr Kraft, als wenn du keine Aufgabe hast.
Glauben Sie, dass uns nach dem Tod noch etwas erwartet?
Nein. Und das ist doch ganz schön und tröstlich. Man wird Erde. Und ein Rosenstock wächst aus dieser Erde. Auch ein schöner Gedanke. Meine Mutter ist aber immer bei mir. Immer. Ich stelle mir oft vor, wie schön es wäre, wenn ich mich umdrehe und sie würde dort sitzen. Ich möchte gerne mit ihr teilen. Ich möchte gerne sagen: Schau! Es ist doch ganz gut ausgegangen. In den alltäglichen Dingen fehlt sie mir am allermeisten. Sie ist aber immer da. Nicht in einem religiösen Sinne. Sie ist da, weil ich sie in mir habe, in meinen Gedanken.
Sie kennen noch Bombennächte im Keller. Empfinden Sie eine Demut, dass Sie dann in einer Zeit des Friedens und des Wohlstands leben durften, die es nie gab und wohl niemals wieder geben wird?
Demut ist das falsche Wort. Ich weiß aber, was Sie meinen. Demütig sein gefällt mir nicht. Sich bewusst sein, gefällt mir besser. Ich war mir dessen immer bewusst. In den 50er Jahren war jedes Paar Nylons eine Sensation. Sich ein solches Paar von der ersten Gage am Theater in der Josefstadt leisten zu können, war ein bewusster Akt der Freude und des ungläubigen Glücks. Dieses Bewusstsein ist mir geblieben. Manche Leute sagen: Ach, jetzt sei doch mal nicht so bescheiden! Ich bin überhaupt nicht bescheiden, ich brauche das alles nur nicht. Ich nehme nur das, was ich brauche. Mir ist dieser materielle Überfluss, dieses kaufen-müssen-Wollen, unangenehm. Es hat auch damit zu tun, dass man etwas nicht unbedingt braucht, aber für den Moment vergessen kann, dass man es nicht braucht. Man dröhnt sich ein bisschen zu. Ich brauche das nicht.
Wer hat Ihre Jugendbilder für den Film zusammengestellt?
Das war ein lustiger Zufall. Rainer Kaufmann war für die Kostümproben bei uns zu Hause und hat gesehen, dass ich eine Menge Super-8-Filme aufgebaut habe. Die habe ich zum Teil überspielen lassen. Wir kommen ins Gespräch und er fragt, ob er sich mal etwas anschauen darf. Ich meinte: Moment! Ich muss etwas raussuchen, was nicht zu intim ist. Ich habe ihm ein paar Sachen ausgewählt und er war total begeistert. Das war das eine. Das andere war, dass wir schon als das Buch fertig war und wir unsere ersten Begegnungen hatten, gesagt haben: Lass uns bitte keine Rückblende mit jungen Schauspielern machen. Man glaubt das sowieso nicht. Man steigt aus. Lass uns irgendwas anderes versuchen. Vielleicht etwas Weggewischtes, einen Erinnerungsfetzen. Wir haben alle nachgedacht. Wie kann man diese Rückblenden, dieses junge Glück zeigen? Dann hatte Rainer eine Idee: „Leihst du uns was von deinen Super-8-Filmen?“ Wir haben die überspielt und jetzt sind sie im Film. Ich finde, das ist wunderschön reingestreut worden. Nicht so aufdringlich, nicht so märchenhaft. Man kann sich die beiden vorstellen.
Zur Person:
Senta Berger (82) zählt zu den wenigen deutschsprachigen Schauspielerinnen, die auch auf eine große Hollywood-Karriere zurückblicken konnten. Legenden wie Dean Martin, Kirk Douglas oder John Wayne waren ihre Filmpartner. Aus dem deutschen Kino und TV ist die gebürtige Wienerin längst nicht mehr wegzudenken.