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Viggo Mortensen
Als König Aragorn in der „Herr der Ringe“-Trilogie wurde er berühmt. Nun brilliert der 55-jährige in der Patricia Highsmith-Verfilmung „Die zwei Gesichter des Januars“, einer undurchsichtigen Film-Noir-Rolle an der Seite von Kirsten Dunst. Ein Gespräch mit Viggo Mortensen über Rauchen und andere Risiken, Herr-der-Ringe-Souvenirs und schlechte Drehbücher.
Mr. Mortensen, Sie leben sehr gesundheitsbewusst. Wie war es da, für einen Film so viele Zigaretten zu rauchen?
Das ist nicht gut für dich, klar. Aber es war der Filmfigur angemessen.
Ist das Rauchen vor der Kamera eine Kunst für sich?
Nein, eigentlich nicht. Abhängig von der Figur, der Zeitperiode oder der Persönlichkeit wird man eine Zigarette auf unterschiedliche Weise halten. In jeder Rolle versucht man, jemanden glaubhaft darzustellen, der man eigentlich nicht ist. Aber die Rolle des Chester erforderte Schauspiel-im-Schauspiel, schließlich ist sein Name definitiv nicht Chester MacFarland. Seinen richtigen Namen wird man niemals erfahren. Seine Kleidung oder seine Art, eine Zigarette zu halten, verändern sich völlig, wenn er angetrunken ist. Er raucht und trinkt mehr, wenn er sich ärgert. Er drückt sich dann auch nicht mehr so gewählt aus. All diese Dinge fließen mit ein, wenn man einen Charakter baut.
Haben Sie es als Risiko empfunden, mit einem Erstlingsregisseur zu drehen?
Nein, Hossein Amini war sehr gut vorbereitet und ich habe mich vom ersten Tag an sehr wohl gefühlt. Er hat sehr schnell in den Job hineingefunden und ich glaube, er liebt ihn. Vor Drehbeginn habe ich ihn gefragt, ob er als gestandener Autor schon immer davon geträumt habe, selbst zu inszenieren. Er hat das bestritten und meinte, er wolle nur diesen konkreten Stoff, an dem ihm sehr gelegen war, selbst realisieren. Ich habe mit ihm gewettet, dass er es mögen würde. Und spätestens in der zweiten Woche hat er es auch zugegeben.
Zählt Patricia Highsmith zu Ihren Lieblingsautoren?
Meine Lektüre ist sehr vielfältig. Ich würde Highsmith nicht als Favoritin bezeichnen, aber ich habe einige ihrer Bücher gelesen. Ich mag besonders die Kurzgeschichten. Diesen Roman halte ich nicht für ihren besten. Er ist okay, aber der Film hebt die Geschichte meiner Meinung nach auf eine höhere Ebene.
Das ist bei Literaturadaptionen keineswegs selbstverständlich.
Ja, man muss schon froh sein, wenn man der Vorlage halbwegs gerecht wird. Ein Film ist immer anders als das Buch. In diesem Fall sind die Figuren vielschichtiger und bodenständiger geworden. Der Film ist eher eine Ode an Patricia Highsmiths Gesamtwerk und ihre Sensibilität als nur die Verfilmung eines einzelnen Buches.
Fällt es Ihnen nach „The Road“ und „Die zwei Gesichter des Januars“ leichter, in Romanfiguren zu schlüpfen?
Es hängt immer davon ab, wie gut ein Roman geschrieben ist. In diesem Fall wird Chester gleich zu Beginn als schlampig beschrieben, man weiß sofort, was für ein Typ er ist. Verzweifelt, verschwitzt, nicht gerade liebenswert. Er spielt ein falsches Spiel, das ist klar. Im Film hat man dieses Gefühl nicht. Chester tritt eher positiv in Erscheinung und scheint keine Probleme zu kennen. Man bemerkt erst nach und nach, dass das alles Fassade ist. Wie im klassischen Film Noir macht sich der Charakter umso mehr selbst etwas vor, ja mehr man von ihm erfährt. Man ahnt, dass das alles nur schlecht enden kann. Die Frage ist, ob man dazu imstande ist, die Geschichte gut genug zu erzählen, um den Zerfall der Figur und ihrer Welt interessant zu gestalten.
Die meisten Zuschauer kennen Sie aus „Herr der Ringe“. Bedauern Sie, dass Sie beim „Hobbit“ nicht mitmischen?
Aber nein. Aragorn kommt im Buch „Der Hobbit“ nicht vor. Natürlich hat man Einiges hinzugedichtet, um aus einem dünnen Buch drei große Filme zu machen, das sich im Wesentlichen an Kinder richtet. Nicht alles davon ist meiner Meinung nach wirklich „tolkienesk“. Aber es macht Spaß, sich diese Filme anzuschauen. Ich habe mir die beiden Teile jeweils am Starttag und in Begleitung von Kindern angesehen. Ich hatte großen Spaß. Der letzte war für mich eine schwindelerregende Erfahrung. Ich saß ganz vorne, mit einer 3D-Brille auf der Nase. Aber die Kinder waren voll bei der Sache und ihre Freude hat mich angesteckt. Ich habe mich auch immer gefreut, wenn ich für einen Moment eine echte Landschaft wiedererkannt habe. Für „Der Hobbit“ wurden sehr viel mehr Landschaften künstlich geschaffen als in „Herr der Ringe“. Aber man entdeckt die echten Bäume, die Felder und die Berge und das ist immer eine schöne Sache.
Haben Sie ein Souvenir von „Herr der Ringe“ behalten?
Ich habe Aragorns Streicher-Kostüm und eines seiner Schwerter. Und ich habe einige Narben zurückbehalten. Es sind schöne Erinnerungen.
Haben Sie sich die Filme mal wieder angeschaut?
Nein, seit den Premieren nicht wieder. Erst im Sommer vorigen Jahres habe ich sie den Kids von Freunden gezeigt. Es war schön, die Filme noch einmal durch ihre Augen zu sehen. Vor allem der erste Teil gefällt mir sehr, hier ist das Visuelle noch ziemlich „organisch“. Ich erinnere mich, dass wir den letzten Teil hier in diesem Hotel vorgestellt haben. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Begeisterung gerade ihren Höhepunkt erreicht, sehr viele Menschen warteten bei Tag und Nacht draußen, obwohl es sehr kalt war. Sie wollten einen Blick auf einen Hobbit oder auf irgendeinen der sonst am Projekt Beteiligten erhaschen. Es war der Wahnsinn.
Sind Naturerfahrungen für Ihren inneren Frieden heute immer noch von so großer Bedeutung wie seinerzeit?
Natürlich. Ich glaube nicht, dass sich das jemals ändern wird. Ich brauche das. Durch meinen Beruf habe ich das Glück, an viele Orte der Welt zu gelangen. Bei diesem Film habe ich die Bergwelt von Kreta erkundet, das war wunderschön. Zuvor habe ich einen Film in Patagonien gedreht. Wir filmten weit entfernt jeder Siedlung, mitten im Nirgendwo. Ich liebe das. Und gerade erst habe ich einen französisch-arabischen Film fertiggestellt, der in wunderschönen, nordafrikanischen Landschaften spielt.
Gehen Sie die Arbeit an einem Film heute anders an als vor zwanzig Jahren?
Vor zwanzig Jahren habe ich mich auch schon darum bemüht, an wirklich guten Geschichten mitzuwirken. Aber ich hatte nicht so viele Optionen. Und wie jeder junge Mensch wollte ich Erfahrungen sammeln. Für mich war jede Art von Job beim Film oder auf der Bühne eine wichtige Lektion. Es war „Learning by Doing“. Die „Herr der Ringe“-Filme haben mir und auch den anderen Schauspielern Türen geöffnet. Danach stiegen wir im Wert, wie man so sagt. Deshalb bin ich heute ein wenig wählerischer. Aber am Ende müssen die Leute immer noch mit dir arbeiten wollen. Du kannst nicht sagen, was du gern machen möchtest, und alles geht automatisch seinen Gang. In fortgeschrittenem Alter wird einem bewusst, dass einem nur noch eine beschränkte Zeit zur Verfügung steht. Und diese Zeit möchte man so gut wie möglich nutzen. Ich möchte bei jedem Projekt etwas hinzulernen. Es war mir noch nie wichtig, wie groß und wie teuer eine Produktion ist. Auch was ich verdiene, ist für mich sekundär. Eine interessante Geschichte sollte die Chance bekommen, erzählt zu werden.
Was macht für Sie eine gute Geschichte aus?
Es hängt natürlich viel davon ab, zu welchem Zeitpunkt du sie liest und welche Gefühle dich in diesem Moment beherrschen. Wenn eine Geschichte gut strukturiert und geschrieben ist, fällt einem das sofort ins Auge. Besonders angesichts der Tatsache, dass die meisten Drehbücher, die man liest, schrecklich sind - unabhängig davon, ob sie später realisiert werden oder nicht. Das meiste des Realisierten aber eingeschlossen. Wenn die Bücher nicht schrecklich sind, sind sie nicht interessant, sie provozieren keine Gedanken. Sie mögen Geld einspielen, aber sie haben keinen Erinnerungswert.
Inwiefern hat sich Griechenlands Finanzkrise während der Dreharbeiten bemerkbar gemacht?
Man stößt allerorten darauf, wenn man nicht blind durchs Leben geht. Als wir in Knossos drehten, beherrschten Streik und Demonstrationen das Land. Wir waren ganz für uns allein. Wir hatten damit gerechnet, dass der Platz von Touristen überschwemmt wäre und es sehr laut zuginge, was umfangreiche Nacharbeiten zur Folge gehabt hätte. Aber der Ort war verlassen. Natürlich fühlt man sich schlecht dabei. Es war ein seltsamer Kontrast, in Athen eine Szene zu drehen, in der ich im Café sitze und ein Bier trinke, während die Streiks nicht zu überhören sind. Es war befremdlich, vorgeben zu müssen, es sei ein goldener Nachmittag des Jahres 1962 und alles wäre nett.
Interview: André Wesche