© Majestic, Paramount Pictures
Weiß nicht, ob er die Midlife-Crisis schon hatte: Christoph Maria Herbst
Herr Herbst, hätten Sie jemals damit gerechnet, die Hauptrolle im neuen Film eines Oscar-Preisträgers zu ergattern? Das war immer mein nie geträumter Traum! Eine Hoffnung, die ich nie gewagt hätte, zu haben! Daran kann man wieder mal sehen, dass das Leben doch schneller ist, als die eigene Gedankenwelt. Am Ende des Tages fühlte es sich aber bei der Arbeit gar nicht so an, als wäre da ein Oscar im Spiel. Ich muss trotzdem meinen Text können und Florian Gallenberger ist immer noch ein Mensch wie du und ich und hat sich erfreulicherweise durch so ein bisschen Metall charakterlich nicht verändert.
Der Bestseller und seine Verfilmung leben vom hohen Wiedererkennungswert, den die Geschichte für die Generation der Protagonisten hat. Fühlten Sie sich auch angesprochen? Eher nicht. Ich bin ja nun auch schon 55 und der Begriff „Alterspubertät“ war mir nicht so wirklich bewusst. Geschweige denn geheuer. Zu meiner Zeit hat man das noch Midlife-Crisis genannt. Man liest ja immer mal wieder, dass Männer, die in der Midlife-Crisis sind, auf einmal einen Motorradführerschein machen. So nach dem Motto: „Das kann doch nicht alles gewesen sein.“ Ich weiß gar nicht, ob ich die jemals hatte. Ich habe vor zehn Jahren einen Pilotenschein zum Gleitschirmsegeln gemacht. Vielleicht habe ich meine Midlife-Crisis dahingehend sublimiert, dass ich einfach das Paragleiten gelernt habe. Das Problem bei der Figur, die ich spiele, ist nochmal vielschichtiger. Der gute Mann vertieft, wie er eigentlich ist oder war, dann hat er noch eine Schreibblockade und lässt sich in allen Belangen gehen. Er ist nicht mehr mit im Fluss seiner Familie. Das ist das Problem. Alle anderen fließen, nur sein eigener Tümpel steht. Und wir wissen alle, was mit stehenden Gewässern passiert: Sie fangen irgendwann an, zu stinken. Da ist es dann schon verständlich, dass die sehr attraktive Gattin dann kurz mal die Reißleine betätigt.
In der Geschichte geht es auch darum, etwas im Leben zu verändern. Sind Sie jemand, der Veränderungen mag oder eher scheut? Ich mag Veränderungen sehr. Ihnen kann ein ganz eigener Zauber und Charme innewohnen, wobei das natürlich immer mit Risiko verbunden ist. Mich lehrt mein bisheriges Leben, dass „Nichtveränderung“ Stillstand bedeutet. Und dann passiert das, was Paul im Film passiert. Alles ist in Bewegung und alles muss sich verändern, so wie sich die Zellen in meinem Körper - und am Ende bin ich ja nur ein großer Zellhaufen - auch ständig verändern. Ich kann mit meiner Persönlichkeit wenig unternehmen, um dem Einhalt zu gebieten. Ich muss mich mitverändern. Ich habe mal in irgendeiner Rolle sagen müssen: „Wer nicht mit der Zeit geht, muss mit der Zeit gehen.“ Das ist eigentlich ein sehr schöner Satz. Veränderung tut einfach Not. Dabei aber das Gute bewahren, sage ich jetzt mal so ganz blöde. Wir leben ja alle in der schnellstlebigen Zeit, die man sich überhaupt denken kann. Da geht es eher darum, die Frage zu stellen und zu beantworten: „Kann ich eigentlich Schritt halten?“
Sind Sie mit der Zeit ruhiger und vielleicht auch spießiger geworden? Dazu müsste man das Wort „spießig“ erstmal definieren. Aber ruhiger bin ich schon geworden. Ich lasse mich auch nicht durch alle möglichen Devices und digitalen Techniken stressen, die einen kribbeliger und hippeliger machen könnten. Dadurch neige ich mindestens einmal im Jahr zum guten, alten Digital Detoxing und ziehe den Stecker. Es tut gut, das Handy ein paar Wochen aus zu lassen, sich nicht im Internet zu verlieren und sich nicht den Kopf von News, die ja meistens Bad News sind, vollblasen zu lassen. Es ist für mich ein wesentlicher Teil meines Batterieaufladens, mich so konzentriert zu entschleunigen.
Paul testet sogenannte Männer-Kugeln. Sind Sie ein Method Actor, der diese Kugeln zur Vorbereitung selbst verinnerlicht? (lacht) Also mir reicht es schon, dass ich mir Haare wachsen ließ und mir diesen Bauch angefressen habe. Da muss ich mir jetzt nicht noch diese Kugeln antun. Und Sie werden es nicht glauben, das mache ich im Film ja auch nicht! Ich spiele das nur! Also so weit geht dann mein Method-Actortum doch nicht, dass ich mich darauf vorbereitet hätte. Und dann haben wir diesen überzeugenden YouTube-Film gemacht, mit diesem Mann im weißen Kittel, der eine seriöse Ausstrahlung hat und einem irgendwie sehr nachvollziehbar erklärt, was es mit den Kugeln auf sich hat. Dass es gut ist für die Muskulatur, dass es die Sensibilität erhöht und so weiter. Ja, willkommen in Pauls Leben! Das ist genau sein Thema und deshalb probiert er‘s halt aus. Weil er seine Frau eben so sehr liebt und sich wieder verfügbar machen möchte. Und es wäre natürlich keine Komödie, wenn es nicht zum Schlimmsten käme und er mit seinem Po so ein Ding verschluckt.
Welche Titel würden sich auf einem von Ihnen zusammengestellten Mix-Tape finden, wie es im Film vorkommt? Das ist eine gute Frage. Da fällt mir jetzt spontan der Film „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ ein, da kommt so wunderbare Musik vor. Von dem Score würde ich, glaube ich, das eine oder andere Stück mitnehmen. Dann eine Menge von Duran Duran, falls Ihnen das noch etwas sagt. Sade müsste dabei sein. Also all die Sachen, die man in den 80ern, 90ern aufgesogen hat.
Im Film heißt es: „Wir sterben und das Leben geht weiter.“. Wie häufig setzen Sie sich gedanklich mit dem Tod und dem Sterben auseinander? Eigentlich unentwegt. Uns mit dem Tod auseinanderzusetzen ist vielleicht das letzte, große, gesellschaftliche Tabu, das wir überhaupt noch haben. Ich bin Botschafter und Pate des Kinder- und Jugendhospizes Balthasar in Olpe, des ältesten Kinderhospizes Deutschlands. Das mache ich bestimmt schon seit über zehn Jahren. Sie sehen also allein daran, dass mir dieses Thema durchaus bewusst und präsent ist. Es hat bei mir dann auch nochmal zu einer ganz klaren Fokussierung geführt. Keine Fokussierung auf den Tod, sondern viel mehr auf das Leben. Man muss jeden einzelnen Tag wirklich als Geschenk verstehen, weil der Tod noch früh genug kommt. Deshalb würde ich ganz gerne mein Leben so bewusst und gegenwärtig und den Moment auskostend leben, wie es eben geht. Das funktioniert mal gut, mal besser, mal weniger gut. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass es ein Leben vor dem Tod gibt. Und das versuche ich zu führen. Der Tod an sich, als Institution oder großer Gleichmacher, wie es der Poet gerne sagt, hat für mich keinen Schrecken. Ich bin da komplett angstbefreit.
Und was das Sterben anbetrifft? Es kommt drauf. Auch deswegen beschäftige ich mich mit dem Hospizgedanken. Es muss möglich sein, in unserer Gesellschaft nicht nur würdevoll und auch selbstbestimmt zu leben, sondern auch zu sterben. So wie ein Leben in Würde, das schon im Grundgesetz verankert ist, möglich sein muss, so muss es auch das Sterben sein. Dafür werde ich dann, wenn ich das Gefühl habe, dass es so weit ist, die nötigen Vorkehrungen treffen. Ich habe das noch nicht so zu Ende gedacht, aber ich habe nicht vor, anders zu sterben, als ich gelebt habe.
„Es ist nur eine Phase, Hase“, Beziehungskomödie, Starttermin: 14. Oktober, u. a. im Moritzhof