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Мир для України!
Hab mir gerade "Hagen – Im Tal der Nibelungen" angeschaut. Genau, das ist der Film, in dem Jannis Niewöhner einen straßenköterblondierten »Siegfried von Xanten« mimt; mit soviel Pathos, Kunstpausen und großen Gesten, dass ich mich stellenweise in einem Bühnenstück wähnte. Aber das kann verschiedene Gründe haben. Was mich zwischendurch viel mehr abgefuckt hat, war der Eindruck etwas zu verpassen, dass die Figuren eigentlich formen würde, stellenweise regelrecht interessant macht und – ja, sagen wir, schon fast einen spannenden Film hätte ausmachen können. Dann fiel es mir plötzlich wie Rosenkohl aus dem Mund: »Amphibienfilm«
Als Amphibienfilm bekotzt man jene Bewegtbildförderzusagen, die aus Gründen der Kosteneffizienz und breiterer Vermarktungsmöglichkeiten, gleichsam als Kinofilm und TV-Fassung / Serie produziert werden. Da kann Produzent Oliver Berben noch dreimal beteuern, dass »der Kinofilm und die Serie unabhängig voneinander« funktionieren!
» Hagen – Im Tal der Nibelungen«-Film und -Serie sind verschiedenen Schnittfassungen des gleichen Rohmaterials. Absolut absurd da eine Eigenständigkeit zu unterstellen. Ich kann natürlich einen Milkshake mit Sahne und Kirsche bestellen, drei Löffel davon in ein extra Glas umfüllen und das eine Eisdiele weiter als eigenen Eisbecher verkaufen, aber man schmeckt doch, dass da etwas fehlt!
Aber das ist eine deutsche Eigenart, diese Branchenfickerei zwischen Kino und TV. Da kann nicht einfach ein solider Film produziert werden, nein, da muss die TV-Produktion »Buddenbrooks« direkt noch in einer 30-minuten kürzeren Fassung ins Kino gewürgt werden. Unsäglich. Gleiches gilt für die Produktionen »Der Medicus«, »Die Päpstin« usw.
Diese Produktionen sorgen nicht dafür, dass sich Kinoqualität im TV etabliert. Vielmehr hieven sie TV-Qualität ins Kino – und dafür sind doch eigentlich die »Eberhofer«-Krimis da.
Produzenten wie Berben haben das deutsche und andere Filmfördersysteme verstanden und aus gedribbelt. Mit 15 Millionen Euro Budget – die natürlich auch an den Zitzen verschiedener Filmförderungen genuckelt hat – gehört »Hagen« schon zu den teuersten deutschen Produktionen der Gegenwart . Absurd. Also nicht, dass das wenig Geld wäre, aber für ein Projekt, das sich offenkundig an internationales Fantasy-Publikum ankuschelt, sind 15 Millionen wiederum auch nicht die Welt. Wäre es da nicht der sinnigere Weg gewesen, sich gleich international(er) aufzustellen und damit auch mehr Kohle zu akquirieren?
Wurde eigentlich vorher versucht, andere Streamer mit ins Boot zu holen – also Netflix, WOW oder Prime Video? (Amazon) Prime Video hatte ja erst vor einem Jahr eine andere Vorlage von Wolfgang Hohlbein umgesetzt: »Der Greif«; die zweite Staffel bekam noch kein grünes Licht. Passend dazu gab es aber auf Amazons Audiobook-Portal Audible mit »Die Vorboten« auch eine Prequel-Hörspielserie. Ich liebe Hörspiele, aber klar ist auch: Eine Hörspielserie ist in der Audio-Nation Deutschland eine deutlich sicherere Bank als eine Bewegtbildproduktion.
Deutschlands Produktionsfirmen wollen Genre für Deutschland. Das ist ehrenwert. Aber je größer das Budget ist, desto schneller setzt der Reflex ein, das Werk aufzuspreizen, um eine möglichst breite Zielgruppe bedienen zu können. Das Resultat ist dann Mittelmaß, an dem man sich im schlimmsten Fall noch nicht einmal aufreiben kann, weil es in Belanglosigkeit ertrinkt. Nun sind weder »Hagen – Im Tal der Nibelungen« noch »Der Greif« belanglos, bleiben aber deutlich hinter den Erwartungen zurück – in verschiedenen Bereichen. Ob es nun auch gerade diese Hohlbein-Romane sein müssen, die wir auf die Leinwand bringen? Wesentlich internationaler und dem aktuellen Publikumsgeschmack entspräche da der von Hohlbein geschöpfte »Hexer«-Zyklus, um Robert Craven, den »Hexer von Salem« und seine lovecraft’schen Abenteuer voller Groschenheftgrusel und Cosmic-Horror-Anleihen. Aber darauf kann ich wohl genauso lange warten, wie auf eine anständige Adaption unseres Kulturguts »John Sinclair« oder Markus Heitz-Verfilmungen. Stattdessen freue ich mich auf den nächsten großen Amphibien-Blockbuster – Vielleicht ein Remake von »Die unendliche Geschichte« –, der sicherlich in einer 140-Minuten-Fassung im Kino, einer 9-teiligen 480-Minuten-Fassung im TV, einer speziellen fünfstaffeligen 310-Minuten-Fassung im Hochformat auf Instagram, einer 12-teiligen Audio-Only-Radiodrama-Serie bei Spotify und einer interaktiven 6x6-Fassung für VR-Headsets erscheint.
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