
(RG)
Мир для України!
Ich war neulich auf einer charmanten kleinen Veranstaltung des Deutschen Produzent:innen-Verbands (PROG). Das fand überraschenderweise hier in Magdeburg statt. Als Freiberufler hab ich »Essen« gehört und mich unters Volk gemischt. Dabei schossen mir zwei Gedanken durch den Kopf.
1. Witzig, dass bei einem bundesweiten Branchenevent genau fünf Menschen aus der lokalen Filmbranche (MD) anwesend sind. In Magdeburg wohnen Schnitt, Regie, Kamera, Ton, Kostüm, Drehbuch, Location Scouting, Produktion – sogar SFX wie ich neulich quasi beiläufig erfuhr –, Set-Runner, Produktionsfahrer und und und … Wo kommt dieser Verdruss her; woher die Bequemlichkeit, sich einfach nicht zu vernetzen und damit auch über die Stadtgrenzen hinaus als Produktionsinfrastruktur sichtbar zu werden? Die gesamte Branche hadert gerade mit sich selbst; Produktionen bekommen längst nicht mehr einfach so grünes Licht wie früher und selbst etablierte Fachkräfte telefonieren die Filmproduktionen ab und fragen nach, wann und ob überhaupt dieses Jahr gedreht wird. Vernetzung ist da vielleicht nicht das Allheilmittel, aber grundsätzlich kann es uns als Region doch nur helfen, wenn Magdeburg sich auch infrastrukturell a(ttra)ktiv nach außen präsentiert. Kann doch nicht sein, dass hier entweder niemand drehen will, weil man nicht weiß, wo man hier mal unkompliziert Filmtechnik ausleihen kann oder andersherum eine komplette Crew durch die Republik gekarrt wird, weil bei der Vorproduktion keine Sau weiß – oder sich nicht die Arbeit machen will es zu recherchieren –, ob und wo es hier Kameraleute, Aufnahmeleitung etc. gibt.
Beispiel: Die selbsterklärte Fitness-Dramady „Pumpen“ (ZDF Neo, 2024, Mediathek) erzählt die Geschichte zweier zerstrittener Geschwister, die nach dem Tod der Mutter, das geerbte Fitnessstudio in Magdeburg gemeinschaftlich weiterführen sollen.
Über Geschmack müssen wir hier nicht streiten, es geht mir um etwas anderes. Auf Branchenportalen wie Crew United werden als Drehorte Hamburg und Magdeburg angegeben. „Ja, na klar, Rob – natürlich Magdeburg! Die Serie spielt ja im Prinzip komplett in Magdeburg; ist doch selbstvertürlich, dass die in Magdeburg gedreht wird.“
Auch die Volksstimme freute sich darüber, Zitat: „In Magdeburg wird nicht mehr nur der Polizeiruf gedreht.“
Branchenkenner fassen sich jetzt an den Kopf und wissen, dass natürlich regelmäßig Location X für Motiv Y verkauft wird. Der Oscar-prämierte Film „Im Westen nichts Neues“ (2023, Netflix) wurde fast ausschließlich in Tschechien gedreht; erzählt aber natürlich de facto Deutschland und Frankreich. Check. Günstiger, andere Landschaft, besseres Gulasch, etc. na klar.
„Pumpen“ hatte 85 Drehtage. 84 davon wurden in Hamburg absolviert. Einen Drehtag gab es für Magdeburg plus Luftaufnahmen, um die Studioszenen glaubhaft in MD zu behaupten. Da die Serie zu 90 Prozent im Studio gedreht ist, habe ich an dieser Stelle Fragen: Gab es in ganz Magdeburg und Umgebung kein Studio, um die Serie zu realisieren? Da wirklich aber auch gar nichts – weder die Charaktere, noch die Probleme oder gar die Handlung – was an Magdeburg erinnert, die Landeshauptstadt irgendwie einbindet oder sonst wie den Eindruck erweckt, irgendjemand hätte vor Beginn der Drehbuchphase mal einen Fuß in die Stadt gesetzt oder wenigstens mal am Hassel ‘nen Döner gegessen – warum musste es denn überhaupt Magdeburg als Handlungsschauplatz sein? Protagonistin Mia (Lotte Becker) zieht aus Köln nach Magdeburg. Warum denn nicht gleich nach Hamburg, wenn man doch sowieso da dreht? Oder ist da der suggerierte Cultur Clash nicht groß genug? Wobei, das Ost-West-Thema wird ja auch nicht angefasst. Natürlich nicht. Dieses Fass wollte vermutlich niemand aufmachen, aus Angst sich zu schnell in Nörgelossi-Klischees zu ergehen. War der Gedanke wirklich, dass pures Namedropping ausreicht, um Sichtbarkeit vorzugaukeln?
Aber dieses Phänomen gibt es natürlich nicht erst seit „Pumpen“. Frag mal bei einem Magdeburger Polizeiruf nach, wie viel Gesichter aus Cast & Crew tatsächlich aus Magdeburg oder zumindest der Umgebung stammen?
Ich verstehe das Bedürfnis mit vertrauten Gesichtern zu arbeiten, wirklich, aber insbesondere bei Produktionen die mit öffentlichen Geldern finanziert werden – und das sind in Deutschland quasi 99 Prozent – sollte es doch eine Selbstverständlichkeit sein, dass man Infrastruktur vor Ort stärkt, wenn man der Meinung ist, es gäbe dort noch ungenutzte Potenziale. For real: Ich persönlich brauche nicht den drölfzehnten Berlin-Film. Berlin ist ‘ne Metropole mit Schulden, zu teuren Bruchbuden und großen Gebäuden, in denen Firmen in zu teuren Bruchbuden hocken und Schulden haben – das habe ich jetzt verstanden! Ich wette, dass wir DAS hier genauso gut können. Wann gibts den ersten Magdeburg-Film oder die erste Magdeburg-Serie der und die nicht in den ersten zehn Minuten erzählt, wie kauzig die Ossis doch alle sind?
Achsooo… der zweite Gedanke… Hab ich vergessen. Dafür gibt es hier nochmal passende „Nachgeschaut“-Ausgaben mit Stoffideen & Weiterführendem:
#110 | 50 Years Ago: Die unverlangten Prequels zu Deutschlands Kult-Sketchen
#104 | Feiertag: Mit Horrorfilmideen zu zünftigem Ostalgie-Holiday-Horror
#106 | Magdecore III: Noch mehr Indie-Perlen aus der Landeshauptstadt
#105 | Magdecore II – Voll Magde: Mehr Indie-Perlen aus der Landeshauptstadt
#91 | Magdecore: Indie-Perlen aus MD + 5 Stoffideen für MD-Filme!
Nörgel-Ossis wenden sich herzlich an: rob@dates-online.de
PS: Du bist Kreativkopf in Magdeburg oder Umgebung? Dann schau doch mal beim monatlichen Treffen des Netzwerkes NMC (New Magdeburg Cinema) vorbei. Austausch über Projekte und Netzwerken ohne Stress.
Schreibt einfach 'ne Mail an new-magdeburg-cinema@gmx.de
oder schau auf Insta vorbei: https://www.instagram.com/new_magdeburg_cinema