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Мир для України!
Früher hab ich mal angefangen, mich mit praktischen Effekten zu beschäftigen; inkl. eigenem Kunstblut mit Kakao – wird so schön krustig – und Lebensmittelfarbe. Habs nie weiter verfolgt, bin aber heutzutage dankbar, immer mal wieder Profis bei der Arbeit über die Schulter schielen zu dürfen. Mit richtiger Stuntarbeit hingegen hatte ich bisher nur einmal zu tun. Vor einigen Jahren drehten wir mit einem kleinen Filmkollektiv einen recht ambitionierten Kurzfilm, an dem man sich verhob und der letztendlich in der Indie-Post-Produktionshölle verbrannte. In einer Szene wurde unser Protagonist von einem Auto angefahren. Gott, was waren wir alle begeistert, als er mit 2 km/h angeditscht wurde und er trotzdem auf die Motorhaube knallte und sich zurück auf den Boden schleuderte, als ob er gerade mit 50 Sachen gerammt worden wäre. Grandios! Ob das Team jetzt in Summe gleich einen Oscar verdient hätte, wage ich zu bezweifeln, aber man hat schon weniger Spektakuläres in der Magdeburger Filmbubble gesehen.
Ab 2028 wird im Rahmen der 100. Oscar-Verleihung auch das beste „Stunt Design“ ausgezeichnet. In der offiziellen Pressemeldung der Academy heißt es dazu: „Stunts sind in jedem Filmgenre unverzichtbar und tief in der Geschichte unserer Branche verwurzelt […]“
Richtig! Und weil das so ist, zeichnen die Emmys – das Oscars-Equivalent der TV-Branche – bereits seit Jahrzehnten verschiedene Aspekte der Stuntarbeit aus, von den internen Branchenpreisen (z.B. Taurus Awards) mal ganz abgesehen.
In Zeiten des digitalen Overkills im Kino, verliert man vielleicht manchmal das Gefühl dafür, dass Stuntarbeit für viele Filme und Serien (und Live-Acts; z.B. Filmpark Babelsberg & Co.) noch immer eine feste Säule der visuellen Gestaltung ist. Jeder „Mission: Impossible“-Film wäre nur halb so unterhaltsam, wenn Tom Cruise nicht die absurdesten Stunts- und Choreografien abliefern würde. Oder denken wir an Jackie Chan, Jet Li und unzählige andere Vertreter des Hong Kong Action Cinema. Ein ganzer Branchenzweig; ein ganzes Subgenre entstand nur um das Versprechen herum, dass das Publikum handgemachte Action zu sehen bekommt. Das Stunt-Gewerk, so wie das Gewerk der Spezialeffekte (SFX), sorgt oft für spektakuläre Bilder, ist aber auch mit einem nicht wegzudiskutierenden Risiko verbunden.
Brandon Lee spielte die Hauptrolle in „The Crow“ (1994). Er starb am 31. März 1993 infolge eines Unfalls mit einer Requisitenwaffe.
Joi Harris doubelte Schauspielerin Zazie Beetz in „Deadpool 2“ (2018). Sie starb am 14. August 2017 infolge eines Motorradstunts.
Olivia Jackson doubelte Hauptdarstellerin Milla Jovovich in „Resident Evil: The Final Chapter“ (2016). Infolge eines Motorradstunts erlitt sie schwerste und dauerhafte körperliche Schäden, u.a. musste ihr der linke Arm amputiert werden.
Halyna Hutchins war Kamerafrau beim Western „Rust“ (2025). Sie starb am 21. Oktober 2021, als sich ein scharfer Schuss aus einer Requisitenwaffe löste. Der Schuss verletzte außerdem Regisseur Joel Souza.
Die Liste ist deutlich länger. Der Ausschnitt soll nur mal ins Gedächtnis rufen, wie viel Herz- und teilweise echtes Blut in Filmproduktionen steckt – egal, wie gut oder schlecht wir sie finden.
International anerkannte Stuntarbeit findet sich – wie üblich – nicht nur in Übersee, sondern auch direkt vor der Haustür. Sicherlich der Promi der deutschen Actionproduktionen: Papas liebste Autobahnraserei „Alarm für Cobra 11 – Die Autobahnpolizei “. Im Verlauf von fast 30 Jahren – mit Unterbrechung – hat sich die Besetzung verändert; aus der Fernsehserie wurde eine „Eventfilm-Reihe“; die Themen setzen sich mit aktuelleren Themen auseinander (#alledreiminuten) und auf den Grafiken geht das „Alarm für…“ und „Die Autobahnpolizei“ fast schon unter. Man möchte meinen, dass sich die Produktion, rund um den deutschen Stunt-Guru Hermann Joha und seine action-orientierte Produktionsfirma "Action Concept" mittlerweile fast lieber den simpleren Titel „Cobra 11“ wünschten – vielleicht zurecht. Lässt sich auch besser promoten. Wir imaginieren ein neues Spin-off und das gleichzeitige Crossover-Legacy-Sequel-Reboot, das sich im Geheimen jeder wünscht: DER CLOWN – Aus der Welt von Cobra 11.
Aber weg von meinen Träumereien. Hermann Joha, "Action Concept" und nicht zuletzt auch "Cobra 11" haben das deutsche Film-Stunt-Gewerk vermutlich überhaupt erst auf das Radar der internationalen Branche gebracht. Zugegeben: die richtig großen Branchenauszeichnungen sucht man seit Mitte der 2010er vergeblich, aber wenigstens gibt es mit der "German Stunt Association" eine Interessensvertretung. Und mit dem neuen Stunt-Oscar am Horizont schafft es "Cobra 11" ja dann vielleicht doch noch nach Hollywood.
PS: Spezialeffekte für Hollywood made in Magdeburg? Über dieses Thema hab ich mit SFX-Experte Stefan Treffkorn gesprochen. Zu lesen in der Mai ‘25-Ausgabe des DATEs oder direkt hier.
Handgemachte Mails an: rob@dates-online.de
PS: Du bist Kreativkopf in Magdeburg oder Umgebung? Dann schau doch mal beim monatlichen Treffen des Netzwerkes NMC (New Magdeburg Cinema) vorbei. Austausch über Projekte und Netzwerken ohne Stress.
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