© Tobis Film GmbH
Kevin Costner in "Horizon"
Herr Costner, der zweite Teil von „Horizon“ ist bereits abgedreht. Warum haben Sie sich zu diesem ungewöhnlichen Vorgehen entschieden?
Es sind vier Teile, und genau so wollte ich es machen. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die abwarten, ob der erste Teil gut ankommt und dann sagen: „Oh Gott, lasst uns einen neuen Film machen! Machen wir ihn so schnell wir können.“ Diese Filme sind bereits geschrieben und sie bilden eine Einheit. Das mag nicht gut fürs Geschäft sein, aber das ist nicht meine Art von Geschäft. Mein Geschäft ist es, das zu machen, wovon ich glaube, dass das Publikum es zu schätzen weiß. Und das Schreiben ist der einzige Weg, den ich kenne, um das zu erreichen: Die Idee des menschlichen Verhaltens zu ehren, authentische Charaktere und authentische Schauplätze mit authentischer Kleidung und all den Dingen, die dazu gehören, zu schaffen. Man muss sicherstellen, dass das Drehbuch die Hauptrolle spielt.
Wie gelingt Ihnen das?
Ich versuche, einen Roman für die Zuschauer zu schreiben. Sie können alle Marvel-Filme sehen, die sie wollen, das ist völlig okay. Ich mache Filme auf meine eigene Art und Weise. Vielleicht ist das nicht so populär, aber das Wichtigste für mich ist, dass es das Filmerlebnis wert ist. Die Menschen nehmen sich Zeit, um ins Kino zu gehen. Hat es sich für sie gelohnt? Hat es sie zurückversetzt? Waren sie gerührt? Haben Sie eine Träne verdrückt? Ich hatte bei der Berlin-Premiere selbst Tränen in den Augen. Ich habe meinen Sohn angeschaut und weiß, dass diese Szene zwischen Vater und Sohn nicht nur im Film passiert ist, sondern eine Million Mal da draußen. Im Westen gab es eine Million Mal Menschen, die in einer Hütte eingesperrt waren und um ihr Leben kämpften. Mein Ziel war es, das ganze authentisch wirken zu lassen. Wie schaffe ich es, dass Sienna Miller in einer Höhle mit ihrer Tochter um jeden Atemzug kämpft? Für mich ist das genauso wichtig wie eine Schießerei.
Was macht für Sie den Reiz aus, Projekte von solchem Ausmaß in Angriff zu nehmen?
Ich habe auch einen kleinen Film über Rassismus namens „Black or White“ produziert, den niemand realisieren wollte. Ich habe mein eigenes Geld investiert und es war, was es war. Aber ich verliere nie die Liebe zum Projekt. Wenn ich eine Geschichte gefunden habe, die ich liebe, dann mache ich sie, und ich gebe diese Liebe nicht auf. Ich muss vielleicht mit der Realität leben, dass ich es nie schaffen werde, aber solange ich dazu in der Lage bin und denken kann, ist es mir wichtig, diese Geschichte zu schreiben. Es ist, als ob jemand möchte, dass du dich in das Supermodel verliebst, während du denkst: Aber die Kellnerin ist wirklich süß, weißt du? Diese Frau ist vielleicht ein Supermodel, aber das andere Mädchen ist hübscher und sie ist nett zu mir. Ich kann nichts dafür, in was ich mich verliebe, und ich will es nicht ignorieren.
Zwischen den Premieren der einzelnen Teile liegen mehrere Monate. Die Zuschauer müssen alle Charaktere und Handlungsstränge im Kopf behalten. Sehen Sie hier ein Risiko?
Ursprünglich lagen nur sechs Wochen zwischen den einzelnen Teilen, was nicht möglich war. Ich weiß nicht, warum man das versucht hat. Schließlich konnte man diese Pläne nicht umsetzen. Das hat mich verletzt und ich glaube, dass es auch dem Film geschadet hat. Ich hatte geplant, alle vier bis sechs Monate einen Film herauszubringen, damit ich in der Zwischenzeit weiterarbeiten und den Film promoten kann. Aber es ist, wie es ist. So wird es nicht mehr ablaufen. Der zweite Film ist fertig, ich habe ihn beendet. Er wird bei den Filmfestspielen in Venedig gezeigt. Sie sahen ihn sich an und meinten: „Ach du meine Güte, den würden wir wirklich gerne zeigen.“ Und ich sagte: „Nun, danke schön. Das wäre wirklich nett.“ Wir wollen den ersten Film am Morgen zeigen und danach einen Brunch veranstalten. Danach zeigen wir den zweiten Film am Abend. Das hat mir gefallen. Venedig war immer meine Wahl.
Die Produktionsgesellschaft New Line Cinema war nicht glücklich über die Resonanz auf den Film. Wie gehen Sie jetzt mit dem Druck um?
Ich kann mir keine Gedanken über sie machen, aber die Frage ist berechtigt. Ich kann mich nur um das kümmern, was ich in Bezug auf den Film für wahr halte. Ich sollte mir nicht so viele Gedanken über Kritiken machen. Ich nehme sie wahr, wenn sie negativ sind. Ich bin ein menschliches Wesen und kann nicht anders. Aber gerade ist eine Kritik im New York Magazine erschienen, die sehr interessant war. Sie hat sich von der Masse abgesetzt, was mich irgendwie schockiert hat. Es ging um die 20 besten Filme des Jahres und „Horizon“ war die Nummer eins unter allen Filmen, die bisher herausgekommen sind. Ich hatte das Gefühl, dass ich das brauchte. Ich fühlte mich schwach, aber es fühlte sich gut an, dass sich jemand einmischte und sagte: „Dieser war der beste Film.“ Natürlich sind sie nur eine Stimme.
Filme laufen ewig. Es ist nicht länger mein Film. Eure Kinder und Liebsten werden ihn sehen. Und wenn Ihr die zweite Episode sehen wollt, wird der Moment dafür kommen. Wir sehen uns Filme an, die uns bewegen. Wir sehen uns Filme an, die Details enthalten, die wir nie vergessen werden. Das ist es, was ich versuche, in einen Film zu stecken. Dafür stehe ich ein. Es gibt kein einziges Detail in „Horizon“, dass mir jemand ausreden könnte. Alles, was Sie gesehen haben – und vielleicht haben Sie einige Dinge nicht gemocht – war ich. Ich habe es eingebaut, weil ich daran geglaubt habe. Ich dachte, es sei wichtig, dass eine Frau badet und dann zu der Erkenntnis kommt, dass das ein Problem ist. In jedem Jahrzehnt gibt es Voyeure. Es gibt Menschen, die Menschen schikanieren. Es ist eine reale Welt da draußen. Mein Vertrauen in diesen Film ist sehr groß. Ich habe nichts darüber zu sagen, was ein Hit ist. Ich habe alles darüber zu sagen, was ich für gut halte. Und ich weiß, dass „Horizon“ wirklich gut ist.
Wann werden Sie Teil 3 angehen?
Teil drei ist erschütternd. Ich habe acht Tage gedreht und dafür mein eigenes Geld verwendet, um eine Montage zu erstellen. Sie führt zum nächsten Teil. Am Ende von Film Nummer zwei war keine Montage vorgesehen, die zeigt, in welche Richtung sich der dritte Teil bewegen wird. Man wollte den Film einfach ohne veröffentlichen, aber ich sagte nein. Ich bin losgezogen und habe es selbst gemacht. Ich werde Teil drei im Frühjahr fertigstellen. Ich werde versuchen, Teil drei und vier gleichzeitig zu machen. Wenn mir Glück beschieden ist, werde ich das schaffen.
Wie wichtig war es Ihnen, dass die Seite der Ureinwohner in Ihrem Film akkurat abgebildet wird?
Ich mag die meisten Western nicht. Sie sind zu einfach gemacht, sie sind nicht authentisch. Es gibt fünf oder zehn Filme, die ich für sehr stark und sehr gut halte und die mir ein Gefühl dafür geben, wie schwierig das Leben damals wirklich war. Das war kein Park in Disneyland. Die meisten von ihnen sind faul. Die Kostüme stimmen nicht, die Städte sind nicht richtig, die Geschichten sind schwach, Frauen sind überhaupt nicht vertreten und die Ureinwohner werden nicht richtig dargestellt. Wenn ich also wenigstens den Versuch sehe, diese Aspekte einzubinden, weiß ich es zu schätzen. Ich bin nicht in Western verliebt. Ich bin verliebt in das, was der Westen war. Und das war ein harter Ort. Er war unberechenbar, er war gewalttätig, er war beängstigend. Inmitten all dieser Dinge gab es immer noch gute Menschen, die versuchten, ihre Kinder in einer feindlichen Umgebung aufzuziehen und ihnen Anstand zu lehren. Die Menschen denken, der Westen sei einfach. Das ist er nicht. Wenn wir es uns zu einfach machen, schaden wir diesem Genre. Jetzt ist es einfach, weil wir zivilisiert sind. Wir haben Recht und Ordnung, auch wenn wir alle denken, dass das momentan zum Teufel geht.
Die Vereinigten Staaten sind auf dem Mythos des Westens aufgebaut. Glauben Sie, dass es jetzt an der Zeit ist, den Westen neu zu denken?
Man muss den Mythos überwinden. „Yellowstone“ ist eine wirklich unterhaltsame Serie, aber jede Figur aus dieser Serie sollte im Gefängnis sitzen. So gut die Show auch ist, es hat etwas Unauthentisches, wenn Menschen all diese Dinge tun können. Der Charme von „Yellowstone“ besteht in der Unabhängigkeit der Aussage: „Dies ist mein Land. Ich sollte entscheiden, was ich damit mache. Ihr könnt es mir nicht wegnehmen.“ Und dann gibt es auch noch bunte Charaktere. Für mich war der Westen so, dass man, wenn man einen Mann verloren hat, einen neuen finden musste, der Herr des Hauses wird. Die Moral der Zeit spielte keine Rolle, deine Familie brauchte Schutz. Ich mag es, mich mit diesen Themen zu beschäftigen und jede Situation mit der Realität zu überlagern, mit der man konfrontiert war. Man bemerkt im Film, dass die Armee nicht sehr weit ausrückt. Die Menschen, die in den Westen kamen, wussten seit geraumer Zeit, dass sie, auch wenn sie Technologie und Waffen hatten, jede Sekunde ausgelöscht werden konnten, wenn sie etwas Falsches taten. Achten Sie auf die entsprechenden Dialogzeilen, wenn Sie den Film jemals wieder sehen. Man hatte Angst, hinauszugehen. Sie hatten nicht genug Masse. Die Leute kamen einfach, aber diese Städte entstanden nicht automatisch. Am Ende sehen Sie in der Rückblende einen Mann in Chicago, der Zeitungen druckt. Er druckt diese Zeitungen, als ob es da draußen ein verdammtes Riesenrad gäbe, das man erwischen kann. Da draußen gibt es aber keine Stadt. Er wird nach Horizon kommen und man wird ihm den Arsch aufreißen.
Haben Sie auch in Erwägung gezogen, den Film für den kleinen Bildschirm zu machen?
Ich weiß, dass er seinen Weg dorthin finden wird. Natürlich wird das passieren. Die Leute haben mich gedrängt und ich habe gesagt: „Nein, ich glaube an die große Leinwand.“ „Oh, Kevin, das ist so dumm.“ Ich entgegnete: „Ich kann nicht anders.“ Er wird seinen Weg in Flugzeuge finden. Er wird auf Ihren Geräten sein. Wenn ich einen Film mache, setze ich mich für das Drehbuch und für das Publikum ein. Sie sind das Publikum. Sie werden entscheiden. Aber jede Entscheidung, die ich getroffen habe, traf ich mit Ihnen im Hinterkopf.
In den Kritiken zu diesem Film wurden Sie als einer der letzten großen Hollywood-Filmstars bezeichnet. Ist das etwas, das Sie gerne hören?
Das fühlt sich für mich wie ein Kompliment an, also akzeptiere ich es als solches. Ich glaube an Hollywood und daran, was wir sein könnten – nicht was wir tatsächlich sind. Ich bin nicht Yoda. Ich bin nicht so etwas wie eine Stimme von Hollywood. Aber wenn ich zur Oscar-Verleihung gehe, versuche ich, mit einem gewissen Maß an Würde zu gehen und mit einem Blick auf das, was vor mir da war. Ich habe Sidney Poitier, Gregory Peck und Sean Connery die Hand geschüttelt. Manchmal ist es ein Spiel, berühmt zu sein, aber es ist auch eine Verantwortung.
Es ist 21 Jahre her, dass Sie bei Ihrem letzten Film Regie geführt haben. Was hat so lange gedauert?
Das ist eine wirklich gute Frage. Ich sage es mal so. Ich denke immer, dass andere Regisseure besser sind als ich. Ich denke mir: „Ich sollte wahrscheinlich dies inszenieren. Sie sollten wahrscheinlich das inszenieren.“ Ich habe nur bei drei Filmen Regie geführt. Dies ist der vierte. Aber ich wusste, dass ich bei diesem Film Regie führen musste, weil ich wusste, wie schwierig es werden und ich bei nichts nachgeben würde. Das Letzte, was ich tun wollte, war, mit den Regisseuren zu streiten und zu sagen: „Nein, lass die Szene drin, in der sie ein Bad nimmt.“ Das wollte ich nicht tun. Auch wenn ich nicht glaube, dass ich so talentiert bin wie einige dieser Leute, werde ich dafür sorgen, dass man alles sieht, was ich dort eingebaut habe. Das ist mein einziges Versprechen. Deshalb führe ich bei allen vier Filmen Regie, denn sonst würden Sie nicht sehen, was meiner Meinung nach ein wenig Magie in sich trägt.
Die Fragen stellten Lucas und André Wesche.