Ja, ich überleg' mir was. Nachgeschaut – Corona Spezial!“
„Danke. Aber nenn' es bitte nicht Corona-Spezial.“
April. Und zum Scherzen ist jetzt garantiert niemand mehr aufgelegt. Diese Online-Kolumne entsteht zwischen Mitte und Ende März und unsere Fressen hängen alle am Boden. Muss man einfach mal so sagen. Im Ausland, inklusive Bayern, sind längst Ausgangssperren verhängt und auch hierzulande – ich vermute es nur – ist der Lagerkoller vorprogrammiert. Bei Tinder kannst Du jetzt wenigstens legitim direkt fragen:„Zu dir oder zu mir?“ Denn ansonsten schauen wir in eine gähnende Kulturwüste. Selbst Ruckelbutzen bleiben geschlossen.
Kreativschaffende, Freelancer und Co. bangen um ihre Existenz. Der Staat hat Soforthilfen angekündigt, in Form von Transferleistungen, zinslosen Darlehen und Steuererleichterungen. Trotzdem, daran gibt es derzeit nichts zu rütteln, werden in den Kreativbranchen einige Menschen kapitulieren, ihr Equipment verkaufen und in fairgehandelte Klorollenwärmer investieren. Auch Bildungseinrichtungen bleiben geschlossen – böse Zungen behaupten, dass das bei der Generation YouTube keinen Unterschied macht – und die Kinolandschaft mutiert gerade zur Heimkinolandschaft. „Seit dem Zweiten Weltkrieg gab es keine Herausforderung an unser Land mehr“, gab Kanzlerin Merkel zu bedenken – und wir dachten noch, es seien Till-Schweiger-Komödien.
Black Widow & Co.: Diese Blockbuster wurden verschoben
Mittlerweile wurde ein Gros der Blockbuster verschoben. Hier ist eine Liste der wichtigsten März- und Apriltitel, die du erst mal nicht im Kino erwarten brauchst; wenn möglich mit neuem (erwartetem) Starttermin.
- A Quiet Place 2: Die Fortsetzung knüpft ans Ende des ersten Teils an; via Flashbacks darf man den Beginn der Invasion geräuschempfindlicher Aliens miterleben. Der Film sollte am am 19. März starten und wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.
- Trolls World Tour: Es gibt sechs Arten von... egal: Trolle, Musik, bunt, mir scheißegal. Verlegt vom 26. März auf 23. April. Aber: In den USA geht der Film zeitgleich mit dem neuen Kinostart auch in den digitalen Verleih zum schmalen Preis von 20 Dollar/19 EUR.
- Peter Hase 2: Ein Hase macht sich vom Acker: Peter will kein braver Hase mehr sein, macht sich aus dem Staub und sorgt für Chaos. Die Rammler-Expedition wurde vom 26. März auf den 30. Juli verlegt.
- Mulan: Disneys Live-Action-Adaption des gleichnamigen Zeichentrickhits soll etwas erwachsener mit dem Stoff umgehen, ohne Musicaleinlagen und Mini-Drachen, dafür mit Hexen und Drama. Der Film sollte am 26. März starten und wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.
- Undine: Christian Petzolds modern-dunkles Märchen, um eine junge Frau, die sich davor scheut ihr Schicksal als Nymphe anzuerkennen, war auch schon Gegenstand unseres Artikels „Starke Frauen“ und wurde vom 26. März auf den 11. Juni verlegt.
- James Bond: Keine Zeit zu sterben: Das letzte Bondventure mit Daniel Craig war der erste Kinostart, den das große C betraf. James Bond 25 wurde vom 31. März auf den 12. November verlegt.
- New Mutants: Der ehemalige „X-Men“-Ableger, um fünf Mutanten-Teenies im Gruselhospiz sollte ein wenig Horror in das X-Men-Franchise bringen und schon 2018, dann 2019 erscheinen. Nach der Übernahme von 20th Century Fox durch Disney und dem Abschluss des bisherigen X-Men-Franchises mit „Dark Phoenix“ (2019) ist es unwahrscheinlich, dass der Film mehr als eine Eintagsfliege wird – leider. Der Film sollte am 16.April starten und wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.
- Black Widow: Das Interquel zwischen „The First Avenger: Civil War“ und „Avengers: Infinity War“, erzählt mehr über die Vergangenheit der Ex-KGB-Agentin und Jetzt-Avenger Natasha Romanoff (Scarlett Johansson). Der Film sollte am 30. April starten und wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.
- Fast & Furious 9: Es gibt aber auch Gutes zu berichten. Der neunte Teil der Action-Ärsche-und-Adrenalin-Saga startet in diesem Jahr gar nicht mehr. Der Film wurde von Mai 2020 auf April 2021 verschoben.
Notfallübertragung: Filmkultur in Zeiten von #StayTheFuckHome
Die Französischen Filmtage auf dem Moritzhof sind natürlich ebenfalls passé. Macht mich nicht nur als Filmliebhaber traurig. Eigentlich hätte ich mit Kollege Lars Johansen die Preview des Horrorfilms „Zombi Child“ anmoderieren dürfen. War eines meiner persönlichen April-Highlights. Danke, Pandemie! Warum nicht lieber 'ne Pandamie? Mit einer Invasion knuffiger Bambusbären hätte ich leben können. Der Moritzhof versucht sich, so wie viele Gastronomien und Kultureinrichtungen dieser Tage, via Live-Stream-Aktionen, Entertainment anzubieten. Bei Veranstaltungen der Reihe „Hof On Air“ darf auch digital mal ein Taler da gelassen werden: „Alle Einnahmen, die über die Plattform Hof On Air eingenommen werden, gehen der freien Kulturszene Magdeburgs zu.“
Auch das Programm Lola @ Studiokino, in dem traditionell die nominierten Filme des deutschen Filmpreises gebündelt gezeigt werden, fällt flach. Die AG Kino hat allerdings für den 3. Mai den ersten „Filmpreis im Kino“ angekündigt, im Rahmen dessen alle teilnehmenden Kinos ausgewählte Gewinnerfilme des Deutschen Filmpreises zeigen werden. Auf Nachfrage bestätigte Kinobetreiber Frank Salender, dass das Studiokino „selbstverständlich teilnehmen“ werde – sofern es denn dann wieder geöffnet ist.
ReWatchlist: Früher war auch nicht alles gut
Hier drei Filme „von hier“, die gerne nochmal eingelegt und im Wohnblock kontaktlos getauscht werden dürfen, solange Klopapier-Gags die höchste Form der Unterhaltung darstellen – und sobald das Knistern der Schellackplatte verstummt ist:
- Gundermann (2018): Baggerfahrers, Liedermacher, Kommunist. „Einer von hier“ könnte man jetzt schreiben und sich der DDR-verklärenden Nostalgie anbiedern. Gerhard Gundermann war beileibe kein perfekter Mensch, aber die Musik war geil. Drehbuchautorin Laila Stieler liefert ein unaufgeregtes, authentisches Bild der DDR: Kumpel gabs überall – nur echt war keiner. War jetzt ein bisschen fies, sorry, aber war die DDR ja auch.
- Solo Sunny (1980): „Ich komme auf die Annonce wegen der Sängerin. Ich würde es gern machen. Ich schlafe mit jedem, wenn es mir Spaß macht. Ich nenne einen Eckenpinkler einen Eckenpinkler. Ich bin die, die bei den 'Tornados' rausgeflogen ist. Ich heiße Sunny“, bellt die Ex-Fabrikarbeiterin Ingrid an einer Stelle im Film. Und passender, kann man sie nicht beschreiben. Selbstbestimmung, Anti-Machismo, künstlerische Selbstzweifel – gerne wieder.
- Polizeiruf 110: Wendemanöver (2015): Der TV-Zweiteiler mit den Teams aus Rostock und Magdeburg ist nicht nur einer der handwer... ach, man – es ist der letzte Polizeiruf mit Sylvester Groth als Drexler. Und wie schön ist es doch, zumindest in der Fiction mal den Satz zu hören: „Wir brauchen die Magdeburger!“
Streamingtipps: Filme abseits von Netflix & Co.
Netflix, Disney+ und Co. greifen in der aktuellen Lockdown-Phase 100 Prozent der Kinogänger ab. Okay okay, ich weiß nicht, ob nun alle, die eigentlich im Kino sitzen würden, sich jetzt bei einem Streamingdienst die Augen wund gucken, aber die Chance ist schon recht hoch. Und was beim Schleuderfilmportal Pornhub dieser Tage los ist, lässt tief blicken – also in jeder Hinsicht: Gratis-Premium-Mitgliedschaften und Pandemie-Pornos. Aber auch wenn du kein Konto bei Netflix, Prime und dergleichen hast – und ich meine damit, wenn dein*e Ex die Zugangsdaten geändert hat und deine Eltern den Scheiß nicht mehr bezahlen – gibt es Futter für die Augen. Ich hab mal diverse Mediatheken durchforstet und hier ein paar kostenlose Streamingtipps zusammengeklebt:
- 1989 – Lieder unserer Heimat (Kurzfilm; 2018): Die Musikvideo-Anthologie erzählt, ganz ohne Ostalgie, vom Aufwachsen in der DDR. Kurzweilige Episodengeschichte aus Leipzig. // 31 Minuten, FSK 0, gratis in der ARD-Mediathek ansehen
- Accidents Happen (Film, 2008): In den Achtzigern versucht die Familie Conway mit diversen Schicksalsschlägen klarzukommen; darunter versehentlicher Mord, Wachkomapatienten und Ehe-Krisen. Eine unterschätzte Filmperle, voll mit rabenschwarzer Komik und bitterem Herzschmerz. // 89 Minuten, FSK 12, gratis auf Watchbox ansehen
- Arctic Circle – Der lautlose Tod (Serie; 2018): Im Zuge einer Kriminaluntersuchung wird in Lappland das neuartige „Jemen-Virus“ entdeckt. Eine finnische Polizistin und ein deutscher Virologe finden sich schnell inmitten einer Verschwörung wieder. Pandemie-Thriller mit Nordic-Noir-Feeling und ruhigem Erzähltempo. // 10 Folgen, je 40 Minuten, FSK 16, gratis in der ZDF-Mediathek ansehen
- Jin-Roh (Anime; 1999): In einem fiktiven Japan in den 1950ern, hat Deutschland den Zweiten Weltkrieg gewonnen und beherrscht auch Japan. In diesen blutigen Zeiten beginnt der Soldat Kazuki die Motivation seiner Spezialeinheit zu hinterfragen. Anime-Klassiker aus der Feder des „Ghost in the Shell“-Autoren Mamoru Oshii. // 98 Minuten, FSK 16, gratis auf YouTube / Netzkino ansehen
Das war jetzt eine extralange Ausgabe Nachgeschaut. Wie gefällt dir dieses Format, was fehlt noch oder was kann raus? Gib gerne Feedback. Wenn ich 'nen guten Tag habe, fange ich auch nicht an zu lachen. Du hast außerdem Filmtipps, musstest selbst Projekte pausieren oder willst dich auskotzen? Für all diese Wundertolligkeiten gibt es folgende Adresse: rob@dates-online.de