
© Marc Theis
Skorpions
Sänger Klaus Meine (66) und Lead Gitarrist Matthias Jabs (59) sprechen über den Film, das Leben als Rockstar und den dringenden Bedarf nach einem neuen „Wind Of Change“.
Sie konnten die Gitarren dann doch nicht an den Nagel hängen. Im Dezember 2012 sollte ein letztes Konzert in München einen Schlussstrich unter die eindrucksvolle Weltkarriere der „Scorpions“ setzen. Nun halten die Hannoveraner Hard-Rocker doch noch bis zum 50-jährigen Bandjubiläum in 2016 durch. Mindestens. Zum runden Geburtstag schenken die „Scorpions“ sich und ihren Fans ein neues Album und eine Dokumentation, die unter der Regie von Katja von Garnier entstand. „Forever And A Day“ startet am 26. März im Kino.
Herr Meine, Herr Jabs, wer oder was gab den Impuls zu diesem Filmprojekt?
Klaus Meine: Dieses Projekt lag schon über einen längeren Zeitraum in der Luft. So etwas konkretisiert sich aber erst, wenn man einen Partner findet, der wirklich Interesse zeigt. Es war hier in Berlin, als wir mit einem Mitarbeiter von DOKfilm abends in einer Bar saßen. Er wunderte sich, dass noch niemand einen Film über unsere lange, internationale Karriere gemacht hat. Mit Katja von Garnier hat alles von Anfang an fantastisch gepasst. Katja und ihr Team waren dann an vielen Schauplätzen auf der ganzen Welt mit dabei. Wir haben die ersten Aufnahmen 2011 in Bangkok gemacht.
Matthias Jabs: Das Interesse wurde natürlich verstärkt, weil wir 2010 die „Farewell-Tour“ angekündigt haben. Das war für die Produktionsfirma der auslösende Punkt, zu sagen, dass diese letzte Tour der „Scorpions“ jemand festhalten muss. Ursprünglich hatten wir prognostiziert, dass die Tour bis mindestens Ende 2011 gehen würde. Das war eine Erfahrungssache, so lange brauchen wir gewöhnlich für eine Tour rund um die Welt. 2012 kam es zu einer Verlängerung, weil viele Promoter gesagt haben, wir müssten nochmal kommen. „Aber wir haben uns doch schon verabschiedet.“ „Ja, aber in dieser Stadt warten noch weitere 20.000.“ Also waren wir noch einmal in Moskau, noch einmal in Paris. Dann kam es zu diesem vermeintlich letzten Konzert in München. Natürlich hatte die Regisseurin bei der Dramaturgie auf diesen Schlusspunkt hingearbeitet. Das Publikum und die Band bestreiten dieses letzte Konzert und alle weinen fürchterlich. Das wäre ein hochemotionales Ende gewesen, aber es zeichnete sich schon ab, dass es dazu nicht kommen würde. Wir haben das Drehbuch insofern umgeschrieben, das wir doch weitergemacht haben.
War Ihre Rolle im Prozess des Filmemachens nur passiv, oder haben Sie z.B. bei der Songauswahl mitgewirkt?
Meine: Nein, wir haben Katja freie Hand gelassen und ihr vertraut. Es sollte keine langweilige Dokumentation werden, sondern eine spannende Geschichte. Zudem wurde Material von unserem ersten Gitarristen Uli Jon Roth verwendet, das er in den 70ern mit seiner Super-8-Kamera gefilmt hat.
Hatten Sie das Recht auf den „Final Cut“?
Jabs: Im Hinblick auf das sich verändernde Ende haben wir schon die eine oder andere Szene oder Interviews mit Leuten außerhalb der Band noch einmal hinterfragt und nach Alternativen gesucht. Wir konnten von einer zu 95 Prozent stimmigen Basis ausgehen. Es ist kein reiner Dokumentationsfilm und kein echter Konzertfilm. Alles ist in einer Balance, die den Film interessant und spannend macht.
Meine: Ein paar Stellschrauben mussten justiert werden, um dem Titel „Forever And A Day“ gerecht zu werden. In München war eben nicht Schluss. Vielleicht kommt es im Film auch rüber, dass die Band nach dieser Tour mit all ihren, auch gesundheitlichen, Herausforderungen glücklich war, als man Ende 2012 noch mit genügend Energie über die Ziellinie gehen konnte. Es hatte schon einen Grund, dass wir 2010 gesagt haben, jetzt wäre ein Zeitpunkt zum Aufhören. Wir wollten aus diesem Rad, das sich immer weiter dreht, ein bisschen ausbrechen. Es hat schon etwas Befreiendes, wenn man sagt, ich höre jetzt auf. Was immer man danach macht, ist im Grunde ein Extra. Man macht es oder lässt es bleiben. Aber wir fühlen uns schon privilegiert, dass wir eine solche, globale Bühne bespielen und dass wir die „50 Jahre Scorpions“ nochmal mit den Fans feiern dürfen.
Am Anfang Ihrer Karriere, heißt es im Film, wollten Sie sich durch englische Texte „dem Deutschsein entziehen“. Haben Sie heute zu diesem Deutschsein ein entspanntes Verhältnis?
Meine: Absolut. Wenn wir nicht gern in Deutschland leben würden, wären wir vor langer Zeit woanders hingegangen. Mitte der 80er hat sich unser Sein größtenteils in den USA abgespielt, da kam schon der Gedanke auf, ganz dorthin zu gehen. Dann wurden mein Sohn und Matthias‘ Sohn geboren und wir entschieden, unsere Familien nicht zu verpflanzen. Die Aussage im Film bezieht sich auch eher darauf, dass wir als Nachkriegsgeneration mit dem deutschen Schlager aufgewachsen sind. Als in den 60ern die englischsprachige Musik mit grandiosen Bands wie den Stones, The Who und den Beatles nach Deutschland kam, hat uns das musikalisch geprägt. Deswegen haben wir auch mit englischen Texten gearbeitet. Heute ist in Deutschland eine Musikszene entstanden, in der junge und gestandene Künstler sehr erfolgreich mit deutschen Texten arbeiten. Das war Anfang der 70er undenkbar. Selbst Udo Lindenberg hat zuerst ein englischsprachiges Album aufgenommen, bevor er diesen schönen Rock ‘n‘ Roll-Slang in deutscher Sprache erfunden hat. Unser Konzept war ein anderes. Wir haben uns schon Mitte der 70er international orientiert und als junge deutsche Band mit schlechtem Englisch in London auf der Bühne gestanden, wo eine Woche vorher noch Jimi Hendrix oder die Stones gespielt hatten. Wir wollten wissen, ob wir gut genug sind und die Engländer haben uns gefeiert. Wir wussten, dass wir irgendwann eine globale Bühne bespielen würden. In Deutschland hat man das nicht verstanden. Der eine oder andere versteht es bis heute nicht, bis er in Thailand oder in Brasilien am Strand liegt und von der Bar her ein Scorpions-Song ertönt.
Manch‘ Normalbürger hegt den Traum vom Rockstarleben. Findet ein Rockstar das Dasein als Normalbürger reizvoll?
Jabs: Ganz bestimmt. Das Showbusiness an sich ist ja ein Illusionsgeschäft. Die stehen zwei Stunden auf der Bühne, fliegen irgendwo anders hin und liegen gerne auf den Bahamas am Strand. Wenn man wüsste, wieviel Arbeit dahinter steckt, würden viele sagen, so toll ist‘s auch wieder nicht. Wir müssen immer flexibel und auf Stand By sein. Manchmal wäre es gar nicht schlecht, sagen zu können, ich bin um 17.30 Uhr zu Hause.
Meine: Wenn man nur den Rockstar herauskehrt, ist das sicher kein Zeichen einer starken Persönlichkeit. Es ist wichtiger, im Leben glücklich zu sein, als verkrampft irgendwelchen Klischees entsprechen zu wollen.
„Wind of Change“ wurde zur Hymne von Perestroika und Wende. Mit welchen Gefühlen beobachten Sie die Entwicklung in Russland?
Meine: Wie sich die Welt aktuell entwickelt, ist für uns ziemlich beunruhigend. Siebzig Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg können wir in diesem Teil der Welt in Frieden leben, das Land ist wiedervereint, der Ost-West-Konflikt beigelegt. Europa, Russland, alles wächst zusammen. Alles blickt nach vorne, in eine hoffentlich positive Zukunft. Und auf einmal passiert etwas, was wir uns alle nicht mehr vorstellen konnten. Junge Leute haben Angst, dass es wieder Krieg in Europa gibt. Als würde sich die Welt rückwärts bewegen! Wenn die Leute in Dresden und Leipzig auf die Straße gehen, deutet sich eine gewisse Spaltung auch in Deutschland an. Deutschland muss ein weltoffenes Land bleiben. In den letzten 25 Jahren hat sich Europa vereint, nach vorn gedacht. Trotzdem ist der Frieden bedroht und Terroristen treiben weltweit ihr Unwesen. Dem muss man mit einer Stimme begegnen. Ein neuer „Wind of Change“ wäre dringend notwendig.
CineStar feiert das 50. Bandjubiläum mit Katja von Garniers Scorpions-Doku „Forever and a Day“, die an drei exklusiven Terminen auf der großen Leinwand zu sehen wird – und zwar am 27. März um 20 Uhr, am 28. März um 22.45 Uhr und am 29. März um 17 Uhr. Der Vorverkauf läuft, erhältlich sind die heiß begehrten Karten für nur 11 € an der Kinokasse und online unter cinestar.de