© Annemone Taake
Schiller
Christopher, warum der Name „Wanderlust“ fürs neue Album? Schnürst du tatsächlich die Stiefel?
Ja, es hat mit meiner Freude am Unterwegssein zu tun. Erste Überlegungen für die Tour hatte ich bereits 2022, die Ausläufer der Corona-Jahre, als das „Auf Tour-Sein“ recht verunmöglicht wurde. Diese Sehnsucht hat sich dann im Wort „Wanderlust“ manifestiert. Auch, weil es eines der wenigen deutschen Worte ist, die es in den englischen Wortschatz geschafft haben. Ich mag unser Land gern, bin selbst ein Small-Town-Boy vom Land. Man kann ja vielschichtiger Auffassung sein, ob sich das wirkliche Leben in den Metropolen abspielt, also Berlin, Hamburg oder Köln das Maß der Dinge sind? Oder Orte, die nicht ganz oben auf dem Radarschirm sind, so wie mein Wagenburg, wo man noch Mensch sein kann und sofort draußen in der Natur ist.
Magst du da lieber die intimeren Gigs oder die große Bühne mit dem großen Besteck?
Die Abwechslung zwischen beidem ist perfekt. Bei mir verlief die Entwicklung antizyklisch. Die ersten Tourneen waren schon größer. Mit den Clubs habe ich 2020 angefangen: Im Rahmen der Solo-Tour zum Christopher-von-Deylen-Album. Das fand ich großartig, weil ich ja gar nicht wusste, was mir all die Jahre entgangen ist. Es macht natürlich wahnsinnig Spaß, bei einer Arena-Tour aus dem Vollen zu schöpfen. Aber alles hat ein Preisschild. Dort kann man schwer individuelle Verbindung zum Publikum aufbauen. In Clubs ist man sich physisch nah. Wenn ich merke, da ist eine Passage, die gut ankommt, kann ich viel intuitiver reagieren, kann die Arrangements verändern um die Energie im Raum aufzunehmen.
Du hast mit vielen Künstlern zusammengearbeitet. Gibt es noch jemanden auf der Wunschliste?
Klar, einer der absoluten Wunschkandidaten ist Neil Tennant von den Pet Shop Boys. Ich bin mit seiner Musik aufgewachsen, eine Band, die nie in die Nostalgiefalle getappt ist. Natürlich ist die Stimme großartig, weil sie in ihrer Melancholie genau das ist, was zu elektronischer Musik passt. Gefragt habe ich ihn schon mehrfach, aber er hat mir stets ganz hinreißend abgesagt. Einmal schrieb er, dass Schiller für ihn „wonderful German Kitsch“ sei, dass Chris und er aber gerade am neuen Album arbeiten würden und gern vielleicht ein anderes Mal.
Wie kommt so eine Zusammenarbeit zustande? Ruft man Midge Ure an und fragt, hey, hast du Lust, die Stimme zu geben für einen neuen Song von mir?
Das ist jedes Mal anders. Im Falle von Midge Ure ist es tatsächlich so, dass es eine meiner Lieblingsstimmen ist. Ich habe ihn proaktiv angesprochen: „Hi, my name is Schiller.“ Dann gibts auch Kollaborationen, die durch Zufall zustandekommen. Das war mit „Unheilig“ so. Wir waren damals bei derselben Plattenfirma und haben uns im Fahrstuhl getroffen. Aus einer gewissen Verlegenheit heraus fiel der Satz, „Lass mal was zusammen machen.“ – „ Ja, ich rufe dich an.“ Sehr unverbindlich, aber daraus ist tatsächlich was geworden.
Was war in den 20 Jahren Schiller die größte Story, die du erlebt hast?
Wenn ich zurückdenke, natürlich ein Nummer-1-Album. Das sage ich mit einer gewissen Abgeklärtheit, weil es ja schon 8 oder 9 gab. Und sonst? Ich hab gerade mit Talla2XLC in einem Club aufgelegt. Da kam jemand zu mir, nahm meine Hand, schaute mir in die Augen und sagte: „Deine Musik hat mein Leben verändert“. Mehr nicht! Aber dieser Moment mit dieser Ehrlichkeit in den Augen und der Gänsehaut, die es bei mir hervorrief, ist etwas, das ich früher als Eindringen in den persönlichen Bereich empfunden hätte. jetzt bedeutete mir der Satz.
Bei den großen Gigs sieht man wie viele Synthesizer du aufgebaut hast. Das ist mehr als bei Michel Jarre und Howard Jones zusammen. Ein gewaltiger Aufwand, ich finde das unglaublich.
Als ich angefangen habe, live zu spielen, standen Soundveränderung und Soundmanipulation gar nicht so im Vordergrund, eher war ich froh, wenn ich mich nicht verspielt habe. Dann noch parallel an Sequenzern zu hantieren oder den Sound massiv zu verändern, das war nicht vorgesehen. Also habe ich mich lange auf digitale Technik verlassen. Seit einigen Jahren baue ich wieder ein ganzes Studio auf. Das macht natürlich mehr Arbeit als den Laptop aufzuklappen oder ein, zwei Keyboards hinzustellen. Tatsächlich bieten sich viele Möglichkeiten, Sounds in Echtzeit zu verändern. Ohne mich jetzt zu sehr in Hi-Fi-Alchemie verzetteln zu wollen, glaube ich, dass es, tatsächlich einen riesengroßen klanglichen Unterschied macht, ob man mit analogen Geräten oder mit digitalen Geräten arbeitet.
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