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Der Stadtläufer
Zwölf lange Jahre hat es gedauert; Jahre der Hoffnung, Jahre des Bangens, Jahre der Resignation. Doch nun war es so weit: die Sendung „Shopping Queen“ kam endlich aus Magdeburg. Und dann macht Stardesigner Guido Maria Kretschmer schon im zweiten Satz seiner Moderation alle Freude wieder zunichte, indem er den Namen unserer Stadt mit einem langen A ausspricht. Im Kommentar der Heimatzeitung wird darauf verwiesen, dass ihm dieser Fehler nicht hätte passieren dürfen, da er durch die Aussprache seines Wohnorts Hamburg hätte wissen müssen, wie man Magdeburg ausspricht; aber da sind die Bewohner von Radebeul oder Stapelburg sicher anderer Meinung. Es ist keine Frage der Phonetik, sondern eine der Recherche. Dass die nicht sehr viel Zeit in Anspruch genommen haben kann, wurde spätestens klar, als der Sprecher zu Aufnahmen der Elbe mitteilte, dass „Magdeburg die Klinke als Fluss“ habe, was aus Sicht eines Hamburgers natürlich viel unverzeihlicher ist. Als belegte Brötchen mit in Scheiben geschnittenen Eiern serviert wurden und der Moderator festhielt, dass „Eiersalat ja auch so ein Ostding“ sei, war das Maß voll. Nun musste er sich auch die Kritik gefallen lassen, dass die Auswahl der Kandidatinnen nicht divers genug gewesen sei. Die Altersunterschiede seien zu gering, die Lebensumstände zu ähnlich und die Hautfarbe zu identisch gewesen.
Dass dieselbe Zeitung der Sendung dann dennoch eine ganze Seite widmet, in der es in den übrigen Spalten vor Stolz und Begeisterung trieft, mutet in diesem Kontext ein wenig merkwürdig an. Die mitgeteilten Hintergründe und Details sind freilich spektakulär: Kandidatin Yvonne trägt nie eine Jogginghose, Kandidatin Bianca besitzt 350 Kleiderbügel, Kandidatin Katharina ist bereits Oma und die Kleiderstange von Kandidatin Marleen ist kurz vor Drehbeginn „kaputt gegangen“ – zum Glück ist Marleen kurzerhand in den Wald gefahren und hat sich als Ersatz einen großen Ast besorgt. Boutique-Inhaberin Isabel Kuntermann, die vom Moderator mehrfach (!) als „zauberhafte Verkäuferin“ bezeichnet wurde, musste vor lauter Nervosität erst einmal ein Glas Sekt vor Drehbeginn trinken und bedauerte später, dass sich Kandidatin Michéle, die sich bei ihr einkleidete, für ein reinweißes Outfit entschieden habe, ohne dem Kleid mit der roten Blume auch nur eine Chance zu geben. Der moderierende Stardesigner schloss sich diesem Bedauern an und hätte sich zusätzlich sogar noch die roten Stiefeletten gewünscht, aber es war nichts zu machen: Michéle kommt „an Rot nicht ran“. Dieses Bedauern geriet aber angesichts von Kretschmers Faszination darüber, wie Michéle ihren Blazer die ganze Zeit einfach über der Schulter getragen habe, schnell in Vergessenheit.
Und so lautete das Fazit trotz aller Einwände, dass hier „beste Nachmittags-Unterhaltung“ geboten worden sei. Jedenfalls der halben Million Menschen, die diese Sendung regelmäßig einschalten. Dass es 84 Millionen Menschen gibt, die das anders sehen, ist ein Umstand, der den Glauben an dieses Land noch weiterleben lässt.