Das Bier von hier

by

© Spezialitäten Brauerei Eckart Lindhorst

© Colbitzer Heidebrauerei

© Bodensteiner

© Conrad Engelhardt

© Conrad Engelhardt

© Conrad Engelhardt

© Conrad Engelhardt

© Lemsdorfer Lümmelbräu

© Conrad Engelhardt

© Conrad Engelhardt

Wann genau das erste Magdeburger Bier gebraut wurde kann man nicht mehr sagen. Alten Schöppenchroniken zufolge gab es bereits im 13. Jahrhundert an die 500 Braustätten in der Stadt. Es war eine Art Hausgewerbe, das Bürger, die Braugerechtigkeit besaßen, nebenbei betrieben. Später wurde der legendäre Breyhan gebraut, man schätzte die Nahrhaftigkeit des Gerstenbräus und stufte Bier als Nahrungsmittel ein.

Gründerjahre

Spätestens mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert nahm das Brauwesen einen Aufschwung, im Stadtgebiet schossen die Brauereien nur so aus dem Boden. Um die Jahrhundertwende bestanden 24 Brauereien im Magdeburger Stadtgebiet, aber nur drei von ihnen überlebten den Krieg und wurden im VEB Getränkekombinat Magdeburg vereint: die Diamant Brauerei, die zur Börde-Brauerei umbenannte Brauerei Bodenstein und die Sudenburger Brauerei. Bis zu 1 Million Hektoliter macht das Kombinat, aber je mehr der Realsozialismus in die Jahre kam, umso knapper wurden die Rohstoffe. Vor allem für das einfache Helle wurde Braugerste allzu oft durch Mais oder Reis ersetzt.

Aufbruch ins Ungewisse

Die Zeit nach 1989 wird zu einem Aufbruch ins Ungewisse. Als Bestätigung der Pessimisten gehen noch 1991 in der Bördebrauerei und in Sudenburg die Lichter aus. Da konnte man den zeitgleich erfolgten Verkauf der Diamant-Brauerei an den Getränkegiganten März AG auch als Chance begreifen. Unter neuer Führung der Bavaria St. Pauli Brauerei aber wurde die Markenstrategie geändert, vertraute Namen wie Luxator und Goldquell spielte plötzlich keine Rolle mehr, stattdessen wurde das neu kreierte „Magdeburger Pilsener“ zur Nr. 1 ernannt. Ein knapper Anruf aus der Zentrale beendete 1994 die jahrhundertelange Brautradition. Zu verlustreich, so die Argumente der Mutter, sei das Magdeburger Geschäft. Im September 1994 war Schluss mit dem Braubetrieb.

 Bier braucht Heimat

Lange Zeit sah es so aus, als ob 1994 tatsächlich der Schlussstrich unter das Thema Magdeburger Bier gezogen wurde. Denn in Zeiten fortschreitender Konzentration des Marktes steht etwas, das einmal auf dem Boden liegt, nicht einfach wieder auf. Also konzentrierten sich die Hoffnungen der Magdeburger lange Zeit auf die immer mal wieder auftauchenden Pläne für Gasthofbrauereien nach dem Vorbild der mittlerweile in Gommern eröffneten Burgbrauerei, die ab 1996 mit ihrem süffigen Burgbräu und dem Gommerator-Starkbier schwunghaft Freunde gewannen. Überhaupt konzentrierte sich die Zuneigung der Magdeburger auf das noch verbliebene regionale Bier. Die Colbitzer Brauerei war 1991 an die Nachfahren des Alteigentümers übertragen worden und entwickelte sich auch dank des guten Heidewassers zum neuen Liebling. Erst zum Überflieger und dann zum Lehrbeispiel aber wurde das Hasseröder Bier aus Wernigerode. Die Brauerei war nach der Wende an die Gildebrauerei Hannover verkauft worden. Mit dem heimatverbundenem Auerhahn auf dem Etikett und massivem Sportsponsoring stieg sie zur meistkonsumierten Biermarke in den neuen Ländern auf, aber mit dem schlussendlichen Verkauf an die von reinen Finanzinvestoren gesteuerte brasilianisch-belgische Inbev-Gruppe rückte das Bier in deren Markenregal in hintere Reihen. Entscheidungen werden seither irgendwo zwischen Brasilien und Bremen getroffen. Verletzt wurde dabei vor allem die alte, goldene „Bier braucht Heimat“-Regel. Heute dümpelt die Marke, abgekoppelt vom Sympathie bringenden regionalen Sportsponsoring, dafür mit schwankender Qualität und beliebigem Markenbild vom „Männerbier“ nur noch herum.

 Wieder Magdeburger Bier

Ein erster Silberstreif am Horizont war die im Frühjahr 2006 von Carsten Thiele und Bernd Fricke erfolgte Neugründung der Privatbrauerei Diamant. Nach zwölf Jahren Pause wird seither in Magdeburg wieder Bier gebraut, unter Duldung der Radeberger-Braugruppe darf dafür die lange brachliegende Marke Diamant genutzt werden. Der Absatz mit 1-Liter-Flaschen über den Einzelhandel ist trotz Liebhaberpreis gesichert, nur der so wichtige Sprung in die Gastronomie als regionale Spezialität gelang bisher nicht. Weniger erfolgreich war dagegen die Gründung von Schütte Bräu. 2009 von Andreas Schütte aus der Taufe gehoben, wurde das allerdings im Umland von Magdeburg gebraute Bier 2013 wieder eingestellt.

Regional verankert

Wie man regionales Bier zurückgewinnt, zeigt sehr eindrucksvoll das Beispiel vom Hofbrauhaus Wolters Braunschweig. Lange war die Marke eine von vielen innerhalb der großen InBev, ein Beifang im internationalen Konzentrationsprozess und sollte 2005 wegen „Unrentabilität“ eigentlich geschlossen werden. Braunschweiger Geschäftsleute um den ehemaligen Hasseröder-Manager Peter Lehna gelang es, die Marke 2006 zu kaufen und mit einem wieder stark regional ausgeprägten Auftritt, zu dem Kultur- und Sport-Sponsoring in der Region fest dazugehört, binnen weniger Jahre zu eindrucksvollen Steigerungsraten zu führen.

Mit Heidewasser gebraut

Mit ähnlichen Ambitionen übernahmen die Braunschweiger im letzten Herbst die ins Trudeln geratene Colbitzer Heidebrauerei. Mit Geschäftsführerin Petra Haase, steht eine Frau an der Spitze, die aus der Region stammt, eine die die „Sprache der Region spricht“. „Es ist unser Ziel, Colbitzer mittel- und langfristig als das Heimatbier der Region auszubauen“, sagt sie und hat dabei natürlich vor allem Magdeburg im Fokus. Seit letztem Herbst wurde intensiv investiert: eine halbe Million für neue Kästen, weitere 400.000 um den Reparaturstau bei Lagerung oder Filtration aufzulösen, für 1,5 Millionen entstand ein neues Sudhaus mit 120.000 Hektoliter Kapazität. Dort wurde Anfang Juni wieder der erste Sud angesetzt, „Wir gehen davon aus, dass Anfang Juli das erste wieder in Colbitz gebraute Bier auf den Markt kommt.“  Zum Konzept der Regionalmarke gehört, dass man neben dem Kernsortiment Pils, Bock, Dunkel und Edel keine Party- oder Biermischgetränke macht, stattdessen zielt man mit Exporten nach China, Chile und Ukraine.

„… das gute Sudenburger Bier“

Und dann ist da noch Ulf Steinforth, Unternehmer und erfolgreicher Magdeburger Boxpromoter. Steinforth ist ein Sudenburger Kind, seine Urgroßeltern hatten hier in alten Zeiten schon ein Fuhrgeschäft. Die Brauerei und ihren Slogan „... und nach der Arbeit trinken wir das gute Sudenburger Bier“ kennt er noch aus Kindertagen, aber da war der Betrieb längst als „Werk III“ ins Getränkekombinat Magdeburg eingegliedert. Kurz nach der Wende wurde die Brauerei stillgelegt, die Anlagen abgerissen. Nur die Villa der Firmengründer Dummer und Döring im Langen Weg ist noch erhalten, wurde gerade saniert.Seit Jahren sammelt Steinforth alles zum Thema Magdeburger Bier. „Ich träume schon seit langem davon, das Magdeburger Bier wierderzubeleben.“ Ganz im Verborgenen arbeitete er an seinem Plan und einer wie er bringt, wenn es sein muss, auch die notwendige Finanzkraft auf. Im letzten Jahr kaufte Steinforth die Insolvenzmasse der Garley Brauerei Gardelegen – Garley gilt, nebenbei gesagt, als älteste Biermarke der Welt! Mehr noch: Auch in Thüringen kaufte er die Insolvenzmasse einer Brauerei – neben Brautechnik bekam er so einen Großposten 0,33-l-Bügelflaschen, im Volksmund einst „Maurerflasche“ genannt. Dazu sicherte er sich Markenrechte am Sudenburger Bier und am Magdeburger Getränkekombinat. Mit einem bis ins Detail inszenierten Auftritt launchte Steinforth im Juni auf dem Domplatz sein gleich dreifach neues Sudenburger Bier – Helles, Pils und Bock, die Etiketten im sanft modernisierten Retro-Design. Und landete damit einen Volltreffer bei den Magdeburgern!Noch wird das Bier nach seinen Wünschen im Frankenland abgefüllt, eine Übergangslösung, denn „aus Leidenschaft für meine Region möchte ich hier in Sudenburg auch wieder ein Brauhaus aufbauen“, sagt Steinforth. Wenn alles nach Plan läuft, könnte es in ein, zwei Jahren soweit sein, dann will er hier ökozerifiziertes Craft-Bier brauen, also handwerkliches Bier. Parallel dazu möchte er auch Garley als künftige „A-Marke“ wieder aufbauen. Es klingt ein wenig wieder nach goldenen Zeiten für den Gerstensaft aus Magdeburg.

Back to topbutton