Glutenfrei, laktosefrei & Co.: Die Wahrheit über Lebensmitteltrends und über echte Allergien

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Glutenfreie Backwaren und laktosefreie Milch liegen voll im Trend, zuckerfreie Energydrinks sind angesagt, fettfreie Nahrung bei Sportlern beliebt. Immer mehr Menschen richten sich nach diesen „Vorschriften an die eigene Nahrung“, wissen aber gar nicht so genau, ob all diese Mythen wirklich stimmen. Ist Gluten wirklich so schädlich? Beeinflussen die Sulfite im Wein die Gesundheit? Ist jede Unverträglichkeit eine Allergie?

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Allergien, Unverträglichkeiten und ihre Verbreitung

Allergien befinden sich auf dem Vormarsch: Bereits im Jahr 2015 zeigten das der Lungenarzt Prof. Dr. Jens Schreiber und der Hautarzt Privatdozent Dr. Andreas Ambach vom Kompetenzzentrum für klinische Allergologie Sachsen-Anhalt. Bei ihrem Vortrag, der im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Medizinischer Sonntag“, die regelmäßig von der Universitätsmedizin Magdeburg in Medienkooperation mit der Volksstimme und der Urania präsentiert wird, erklärten sie, dass sich die Zahl der Allergiker in Sachsen-Anhalt und anderen ostdeutschen Ländern seit der deutschen Wiedervereinigung vervielfacht habe. Grund dafür sei vor allem der westliche Lebensstil: Luftqualität, Ernährung, Hygiene usw. spielten eine entscheidende Rolle.

Nicht wenige Menschen sind also auch hierzulande von verschiedensten Allergien betroffen. Insgesamt wird bei rund einem Drittel aller Erwachsenen einmal im Leben eine Allergie diagnostiziert. Die Wahrscheinlichkeit unter Heuschnupfen zu leiden liegt mit rund 14,8% dabei am höchsten, es folgen Asthma bronchiale mit 8,6%, Kontaktekzeme mit 8,1%, Nahrungsmittelallergien mit 4,7%, Neurodermitis und Urtikaria mit jeweils 3,5% und Insektengiftallergien mit 2,8%.

Beobachtet man das Konsum- und Kaufverhalten der modernen Gesellschaft, könnte man aber zum Schluss kommen, der Großteil leide unter einer Nahrungsmittelallergie – obwohl es eben nicht einmal 5% sind. Viele der durch Nahrungsmittel hervorgerufenen Unverträglichkeitsreaktionen sind nicht einmal echte Allergien. In einer Befragung der Universitätsmedizin Charité in Berlin etwa, gaben 35 Prozent der Teilnehmer bestimmte Symptome nach dem Verzehr von Lebensmitteln an. Es ließen sich allerdings nur bei 3,7% der Personen Unverträglichkeitsreaktionen nachweisen. Gerade einmal 2,5 Prozent dieser Reaktionen konnten als echte Nahrungsmittelallergie eingestuft werden.

Die Gluten-Panik

Besonders Gluten, eine Zusammensetzung aus Eiweißen, die sich in den meisten Getreidesorten, allen voran Weizen, Dinkel und Roggen finden, wird seit einiger Zeit von vielen Menschen als unverträglich wahrgenommen. Immer häufiger greifen sie nun nur noch zu Lebensmitteln im Supermarkt, auf denen sich die eindeutige Bezeichnung „glutenfrei“ findet und auch beim Bäcker, beim neuen, trendigen Konditor oder im Restaurant wird schon fleißig nachgefragt. Nudeln, Croissants, Kekse, Brötchen: alles, was vorher ein Leben lang gegessen wurde, wird auf einmal weggelassen. Denn es muss ja der Auslöser für all die Probleme sein, die man hin und wieder einmal gehabt hat, also für Magenschmerzen, Kopfschmerzen, Verstopfung, Blähungen, Durchfall usw.

Die Wahrheit lautet: glutenfreie Lebensmittel müssten eigentlich nur von einem winzigen Teil der Deutschen gekauft werden. Denn nur dieser winzige Teil, genau genommen maximal 1 von 130 Menschen, leidet an einer zum Teil erblich bedingten Gluten-Unverträglichkeit, auch Zöliakie genannt. Bei Betroffenen führt der Verzehr von Gluten tatsächlich zu einer Entzündung der Dünndarmschleimhaut, zu Verdauungsstörungen und zu weiteren Symptomen. Sie müssen Gluten daher konsequent meiden. Alle anderen können und sollten unbehelligt zugreifen. Denn der Verzicht führt schlimmstenfalls zu einer Fehlernährung.

Übrigens besteht ein Zusammenhang zwischen Diabetes und Gluten: Die Zöliakie gilt als eine Mischform einer Allergie und einer Autoimmunerkrankung. Menschen, die unter der Autoimmunerkrankung Typ-1-Diabetes leiden, erkranken auch häufiger an Zöliakie, als andere. Über die genauen Zusammenhänge hat die Schulmedizin aber noch keine Erkenntnisse erlangt. Vorbeugend als Diabetiker auf Gluten zu verzichten nützt übrigens nichts. Treten immer wieder Magen-Darm-Beschwerden auf, ist es dagegen ratsam, sich Gedanken zu machen und eventuell einen Arzt aufzusuchen, der mittels einer Magen-Darm-Spiegelung auf Zöliakie prüfen kann.

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Muss man laktosefrei, nussfrei oder gar zuckerfrei leben?

Neben einer glutenfreien Lebensweise, die wie bereits erklärt, für den Großteil der Menschen sogar eher schädlich sein dürfte, liegen auch die laktosefreie, die nussfreie sowie gar eine zuckerfreie Ernährung auf den vorderen Plätzen. Sind diese Trends ebenfalls unbegründet wie im Fall des Glutens?

Laktose

Laktose ist der Fachbegriff für den Milchzucker, der sich in Milch, Joghurt, Sahne, Frischkäse & Co. finden lässt. Manchmal ist Laktose auch in Lebensmitteln enthalten, in denen man ihn nicht vermutet hätte, wie etwa in Pommes, diversem Brot oder sogar in Süßstofftabletten.

Laktose kann bei manchen Menschen zu Problemen in der Verdauung führen, wo der Milchzucker im Dünndarm von dem Enzym Laktase gespalten wird. Wenn zu wenig Laktase gebildet wird, wandert der Milchzucker unverdaut in den Dickdarm, was zu Blähungen, Bauchkrämpfen und Durchfall führen kann.

Allerdings sind von diesen Symptomen nur diejenigen betroffen, die an einer Laktose-Unverträglichkeit leiden. Das sind etwa 10 von 100 Menschen, also schon deutlich mehr, als im Fall des Glutens. Übrigens: Hartkäse und Sauermilchprodukte enthalten keine Laktose.

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Nüsse

Nüsse und Spuren von Nüssen finden sich in nicht wenigen Lebensmitteln. Schokolade, Kekse und andere Knabbereien, in denen man sie vermuten würde, sind nur ein Bruchteil davon.

Da die Reaktionen auf den Verzehr von Nüssen bei Allergikern extrem sein können und bis hin zum lebensgefährlichen allergischen Schock reichen, sollten die Betroffenen eine vollkommen nussfreie Ernährung anstreben. Vor allem Hasel- und Walnüsse sind tunlichst zu meiden.

Alle Nicht-Betroffenen können und sollten nach Belieben zugreifen, denn die in Nüssen enthaltenen Fette, Eiweiße, komplexen Kohlenhydrate und Ballaststoffe sind eine Wohltat für das Herz und die Blutgefäße. Wer regelmäßig Nüsse verzehrt, mindert sein Risiko für Diabetes und für Bauchspeicheldrüsenkrebs.

Zucker

Dass viele Menschen zu viel Zucker konsumieren stimmt schon. Allerdings ist über einen kleinen Löffel Zucker im Tee oder Kaffee, über einen Lebkuchen an den Adventstagen oder ein paar Schokobonbons auf der Couch beim Filmschauen nichts einzuwenden. Ein zuckerfreies Leben zu führen ist eine unnötige und unbegründete Angelegenheit.

Als Diabetiker oder Übergewichtiger auf den Zuckergehalt bestimmter Lebensmittel zu schauen ist allerdings mehr als ratsam. Insbesondere Süßgetränke haben es in sich: Sie können bei einer akuten Unterzuckerung zwar nützlich sein, löschen aber nicht den Durst und schaden den meisten Menschen eher. Denn der gelöste Zucker in den Softdrinks geht schnell ins Blut und lässt den Blutzucker in die Höhe schießen. Außerdem liefert er eine Menge dickmachender Kalorien.

Besser ist es also auf natürliche Süßstoffe, wie etwa die im Obst, oder im Falle von Getränken auf Mineralwasser oder ungesüßte Kräuter- und Früchtetees zurückzugreifen.

Getränke und Lebensmittel mit dem Zusatz „light“ sollten übrigens besser gemieden werden. Sie stehen im Verdacht, bei übermäßigem Konsum Übergewicht und Typ-2-Diabetes zu fördern.

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