„Der Radverkehr hat an Schwung gewonnen“

Vor zwei Jahren gründete sich die Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen im Land Sachsen-Anhalt (AGFK), zu den anfangs 36 Gründungsmitgliedern gehört auch Magdeburg. Ein Gespräch mit Stefanie Arnhold, Radverkehrskoordinatorin des Landes.

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© Mennicke

Wieviel fahren Sie eigentlich im Jahr Rad? (lacht) wenig, eher in der Freizeit. Das ist aber auch nicht der Kern meiner Arbeit.

Anlass, diese Arbeitsgemeinschaft zu gründen? Ich sage mal, wir waren eines der letzten Bundesländer ohne. Solche AGs sind sehr erfolgreich in anderen Bundesländern. In NRW etwa gibt es die schon seit über 20 Jahren. Man merkt, dass das Thema Radverkehr in unseren Kommunen an Bedeutung gewonnen hat. Nach zwei Jahren können wir sagen, dass wir von diesem interkommunalen Austausch alle profitieren. Man lernt sich kennen, tauscht sich aus und bringt gemeinsame Projekte auf den Weg.

Mehr als 70 Gemeinden und Landkreise beteiligen sich mittlerweile an der AGFK. Was treibt sie dazu? Die Klimaentwicklung, Herdentrieb, formales Dabeisein? Das Interesse ist einfach groß, das Thema wird wichtiger. Schon zur Gründung saßen mehr als 70 Gemeinden am Tisch, die einzeln noch die Ratsbeschlüsse zur Mitarbeit fassen mussten. Es gibt auch Druck: Ortsräte machen sich dafür stark, es gibt Bürger und vermehrt Bürgerinitiativen, die das fordern.

Über was tauscht man sich zwischen den Kommunen aus? Das liegt oft in praktischen Details, etwa wie man Fördergeldanträge stellt, das ist das wovon das Netzwerk lebt und schlussendlich die Öffentlichkeit profitiert. Es geht aber auch um die gemeinsame Umsetzung von Projekten, darum, wie Planung funktioniert, wo man konkret Fördermittel herbekommt.

Für Magdeburg sind ja insbesondere die Stadt-Umlandbeziehungen wichtig, Verbindungen etwa ins Gewerbegebiet Osterweddingen zu schaffen. Warum kommen solche Projekt nicht schneller voran? Pauschal gesagt sind es oft die verschiedenen Zuständigkeiten. Beim Anfang diesen Jahres gestarteten neuen Förderprogramm „Stadt und Land“ lässt uns der Bund sehr viel Spielraum wie wir das ausgestalten und abwickeln. In den Antragsunterlagen steht auch die konkrete Frage ,Ist es ein interkommunales Projekt?‘, einfach um klar zu machen, dass das möglich ist. Diese Zusammenarbeit ist wichtig, damit ein Radweg nicht an der Gemeindegrenze im Nichts endet.   

Wie kann man sich denn als Bürger einbringen? Mängelmelder bei den einzelnen Kommunen gibt es ja schon länger. Manchmal ist es aber kompliziert. Da gehört der Radweg an der Bundesstraße im Ort zum Land und die Seitensträßchen der Kommune. Das ist für den Bürger schwer zu trennen. Im letzten Koalitionsvertrag stand ja ein Mängelmeldesystem drin, aber es bedarf für so eine bürgernahe App auch mehr, eine digitale Datenbank. Das hört sich vermeintlich leicht an, ist aber eine Mammutaufgabe. Also haben wir angefangen, im intensiven Austausch mit den Kommunen das Landesradverkehrsnetz 2030 zu planen, jede Verbindung durchzuprüfen. Digitalisierung ist da alles.

Erste Bilanz der AGFK nach zwei Jahren? Die Möglichkeiten, sich zu treffen, war natürlich in den letzten eineinhalb Jahren eingeschränkt. Erstes Projekt ist das Ladesäulenprojekt, zumeist an prominenter Stelle in den einzelnen Kommunen gesetzt mit einem Branding der AGFK.

Wie haben es Länder wie Dänemark geschafft, den Ausbau so stark voranzutreiben? Gutes Beispiel. Dort hatte es auch damit zu tun, den Ausbau des Radnetzes prioritär zu behandeln. In Dänemark gab es diese Entscheidung schon vor 30 Jahren, heute sieht man das Gesamtergebnis. In Deutschland gibt es diese Priorisierung auf den Radverkehr in den Städten noch nicht, da geht es oft um Kompromisse mit Fuß- und Autoverkehr, die oft genug schlechte Kompromisse sind. Aber auch in Deutschland gibt es ein Umdenken, nehmen Sie nur diese acht Städte, die 30km/h in ihrem Stadtgebiet durchsetzen wollen.

Wenn man an die zunehmende Zahl der Pedelecs denkt, gilt es doch, das Netz schneller auszubauen. In der Tat sind die Zuwachsraten immens, quer durch alle Altersgruppen. Das stellt neue Anforderungen an den Ausbau der Radwege und der Schnittstellen zum ÖPNV. Deshalb wollen wir durchgängige Netze aus eigenständigen Radwegen und gemeinsam mit der Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt GmbH (NASA) sichere Abstellanlagen schaffen und die kostenlose Fahrradmitnahme noch weiter ausbauen.

Die Stadt Magdeburg hat im Sommer über Zählschleifen auch die Zahl der Radfahrer in den Städten gezählt. Die AGFK stellt ihren Mitgliedskommunen Fahrradzählgeräte kostenlos jeweils für ein paar Wochen zur Verfügung. Und ich kann sagen: Die Nachfrage nach den Geräten ist riesig. Magdeburg hat im Mai, Juni gemessen. So waren durchschnittlich mehr als 2.000 Fahrradfahrende täglich auf der Albert-Vater-Straße unterwegs. Unter der Bahnbrücke in der Carl-Miller-Straße waren es maximal 1.831 pro Tag. Am ZOB lag der Spitzenwert bei 1.535 am Tag. 

Interessante Zahlen, bei denen einem das Gefühl fehlt: ist das viel ist das wenig? Die aktuellen Zahlen sind ja nur ein Momentanbild. Klar ist, dass der Radverkehr in den letzten Jahren sehr an Schwung gewonnen hat und auch dank E-Bikes wird er weiter wachsen. In den großen Städten wie Magdeburg und Halle liegt der Radverkehrsanteil mittlerweile über 20 Prozent, das ist schon eine sehr gute Quote.

Gibt es Ziele für in zehn Jahren?  #Wir haben ja gemeinsam mit den Kommunen und Verbänden den Landesradverkehrsplan 2030 aufgestellt. Da stehen die Ziele drin. Wir haben versucht, es so realistisch wie möglich zu formulieren, keine Wunderwelten gebaut. Trotzdem ist das Papier sehr ambitioniert.

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