Neues Wohnen an der Elbe

© Andreas Lander

„Magdeburg hat von der Elbseite Aehnlichkeit in der Gestalt und Lage mit Cöln am Rhein und ihrer vielen Türme wegen ein ebenso katholisches Aussehen“, schrieb ein Reisender 1786 in sein Tagebuch. Ja, und das ist auch heute noch so. Steht man auf dem östlichen Elbufer, zeigt die Stadt ihre schönste Seite. Genau hier, auf dem Areal zwischen Schleusenstraße und MDR Funkhaus soll ein neues Wohnquartier entstehen. Die Stadt wächst und ungeachtet eines vorhandenen Leerstandes in Plattenbausiedlungen am Stadtrand sind solche Wohnquartiere gefragt. 

Pläne von Bruno Taut

© Privatsammlung

Neu sind die Ideen für das Wohnen auf dem Stadtmarsch nicht. Stadtbaurat Bruno Taut und sein Mitarbeiter Carl Krayl planten dort Anfang der 1920er Jahre einen Gürtel von Häusern samt Straßenbrücke hinüber zur Danzstraße. Zu ihm gehörte ein sich bogenförmig entlang des Ufers hinziehendes Wohnhaus. Dominiert wurde die Pläne vom neuen Verwaltungsbezirk samt Rathaus auf dem Zitadellengelände.

Wohnen auf dem Kleinen Stadtmarsch 

© Steinblock Architekten

„Das Projekt am Kleinen Stadtmarsch sehen wir als eine Riesenchance für die Stadt, den kulturellen Faden aus den 1920er Jahren wieder aufzunehmen“, drückt es MWG-Vorstand Thomas Fischbeck aus. Das Quartier mit gut 280 Wohnungen wollen die beiden größten Magdeburger Wohnungsunternehmen, die kommunale WOBAU und die genossenschaftlich organisierte MWG, zusammen errichten. Die Gesamtinvestition für das ambitionierte Projekt beträgt um die 60 Millionen Euro. Oberbürgermeister Lutz Trümper hatte den Beginn des Satzungsverfahrens zum Bebauungsplan „Kleiner Stadtmarsch /Schleusenstraße“ mit den Worten begleitet: „Das ist ein hervorragender Standort zum Wohnen“. Die Gestaltung des Areals steht ohnehin an, denn durch den Bau der Strombrückenverlängerung wird die Straßenanbindung an die Stadthalle an die Zollelbe und die Taube Elbe rückverlegt. Die Ufermeile am Kleinen Stadtmarsch wird dagegen künftig keinen motorisierten Verkehr mehr haben, sondern zum Boulevard für Fußgänger und Radfahrer umgestaltet. Diese Planungen greift das Projekt auf, inklusive einer Fußgängerquerung vom Fürstenwall über die Elbe. Skepsis gab es aus einzelnen Ratsfraktionen, allen voran die Gartenpartei, vor allem wegen des Hochwasserschutzes und weil manch einer den Aspekt des sozialen Wohnungsbaus vermisst, als müsste man ausgerechnet auf einem solchen Filetstück der Stadt unbedingt sozial geförderte Wohnungen unterbringen. So diskutierte man nicht nur über die neue städtebauliche Qualität, sondern auch über das Mietniveau des neuen Quartiers, und manch einer stellt polemische Begriffe wie „Luxuswohnen“ in den Raum. 

© Landesarchiv NRW

Gebaut wird das, was der Markt verlangt

„Wir haben in Magdeburg einen klaren Bedarf an hochwertigem Wohnraum“, hält Thomas Fischbeck dagegen und Peter Lackner bringt es aus seiner Sicht auf den Punkt: „Die Stadt möchte sich unter anderem als Wissenschaftsstandort weiter profilieren. Wenn Sie aber hochkarätige Wissenschaftler nach Magdeburg holen wollen, brauchen Sie entsprechende Wohnangebote in gehobener Lage.“ Einer wie er darf so etwas sagen: Die zu 100 Prozent in kommunaler Hand befindliche WOBAU trägt schließlich entscheidend die soziale Verantwortung in der Stadt, wenn es um das Grundrecht auf Wohnen geht. 

Widerstand einer Bürgerinitiative

Intensiver Widerspruch kommt von der Bürgerinitiative „Rettet den Stadtpark Rotehorn“. Die nach eigenem Bekunden etwa 40 Bürger vertretende Initiative um die Bürgerin Renate Fiedler und den BUND-Kreisvorsitzenden Hartmut Koblischke moniert vor allem die Bebauung des Elbraumes, den Koblischke als für die Lebensqualität in der Stadt wichtige Frischluftschneise sieht. Es ist eine Ansicht, die man vertreten kann. Die Sprecherin der Bürgerinitiative, Renate Fiedler, allerdings polemisiert gerne, spricht vom „Luxus-Wohnprojekt“, ihr eigentlicher Angriffspunkt ist aber „der Schutz der Stadtparks“. Dabei nimmt sie es mit der Wahrheit nicht so genau. Denn der Stadtpark ist gar nicht betroffen, der beginnt erst südlich der alten Eisenbahnlinie. Das Areal an der Schleusenstraße bezeichnet sie als schützenswerten „Stadtwald“. Auch falsch. Bis 1945 bestand hier der dicht bebaute Stadtteil Winkelhausen mit eigenem Anschlussgleis der Bahn. Hier waren vor allem Gewerbebetriebe wie eine Spirituosenfabrik angesiedelt. Das Areal wurde am 16. Januar 1945 schwer zerstört, die Industriebrache wucherte zu, ein Teil wurde später als Schrebergärten genutzt. Noch ein drittes Argument bringt die BI: Ein auf dem Areal geplantes Medienzentrum hätte der MDR wegen Hochwassergefahr fallen gelassen. Gleich doppelt falsch. Denn der MDR hatte mit dem Medienzentrum nie etwas zu tun und eine Hochwassergefahr gibt es für das Areal auch bei einem über dem Rekordhochwasser von 2013 liegenden Scheitel nicht.    

Projekt „Grüner Stadtmarsch“

Angesichts des Widerstandes hatten sich beide Unternehmen immer wieder kompromissbereit gezeigt und an dem Projekt Veränderungen vorgenommen. Erst verpflichtete man sich „für jede der knapp 300 neu entstehenden Wohnungen dort einen Baum pflanzen zu wollen.“ Die im Architektenwettbewerb favorisierte Variante, die auch durch öffentliches Votum der Magdeburger zustande gekommen war, kassierte die beiden Wohntürme wieder ein, auch weil es Probleme mit dem Schallschutz gab. Zuletzt griffen die beiden Unternehmen den grünen Gedanken noch intensiver auf. Unter der neuen Marke „Grüner Stadtmarsch“ möchte man das Quartier auf Rotehorn zu einem klimaneutralen Modellprojekt machen, das auch die Strömung der Elbe für die Energiegewinnung nutzen soll. Auch bei der Einbindung des Uferboulevards hat man den Siegerentwurf weiterentwickelt.

Stadtratsentscheid am 23. Januar

Bei aller Entwicklung hat sich die Gartenpartei nicht davon abhalten lassen, im Stadtrat einen Antrag zur Rücknahme des Satzungsverfahrens zu stellen. Nach einer bereits gelaufenen Beratung in drei Ausschüssen ist eine Wiedervorlage im Stadtrat für den 23. Januar vorgesehen. Dann soll entschieden werden. 

Nähere Informationen zum Bauprojekt der MWG und WOBAU

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