Szene im Pausenmodus: "Es ist spektakulär, der Politik beim Scheitern zuzuschauen"

Seit einem Jahr haben Diskotheken und Clubs nun geschlossen. Wie ist die Stimmung bei den Besitzern, wer wagt einen Blick in die Zukunft?

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© Screenshot NOAHMT #18

Ein trauriges Ereignis jährt sich dieser Tage - die Clubszene begeht den einjährigen Lockdown. In einer Zeit, in der so wenig planbar ist, berichten einige Clubbesitzer über ihre Stimmungslage und eventuelle Pläne.

"Clubbesitzer sind grundsätzlich immer Überlebenskünstler. Es ist verwunderlich, dass wir es schon 10 Monate geschafft haben, zu überleben. Größtenteils beiße ich meine Zähne zusammen, weil jeder Club in jeder der Stadt ist eine sehr wichtige Identifikationsmöglichkeit für Heranwachsende, Jugendliche, Studenten. Es wäre das Schlimmste, wenn Clubs die Corona-Krise nicht überstehen. Die wenigsten 20-Jährigen gehen ins Theater", erklärt Michael Conrad, Betreiber der "Insel der Jugend" im Januar bei der Show "Noahmt". Er hält an der Idee seines Clubs fest, für den er jährlich sonst 150 Veranstaltungen organisiert. Aktuell arbeitet er für einen privaten Kampfmittelbeseitigungsdienst.

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Marco Wald hingegen, lebt mittlerweile von Hartz IV. "Ich habe mir keinen Job gesucht, weil ich immer optimistisch war, dass es jederzeit wieder losgehen kann." Die Betriebskosten für sein Boys 'n' Beats kann er dank der Überbrückungshilfen noch zahlen. Wald zeigt sich im Gespräch mit Tobias und Sebastian Hengstmann immernoch als stolzer Clubbesitzer. Er hofft sehr, dass der einzige "LGBTQ+"-Club Sachsen-Anhalts in diesem Jahr 17. Geburtstag feiern kann und betont, dabei, wie wichtig und beliebt sein Club, auch über die Stadtgrenzen hinaus ist.

Alexander Jödecke, der hauptberuflich Fotograf ist, muss derzeit auch überbrücken. Der Ellen Noir-Inhaber hat das Glück, noch vom "Ellen Noir Summer Camp"-Festival, zehren zu können. 1000 Leute feierten dabei im September auf dem Wartberg. "Sogar die Bundespolizei war damals da und hat unser Hygienekonzept kontrolliert, aber wir haben es gestemmt gekriegt." Zudem wird sein "Ellen" derzeit etwas umgebaut.

Gedrückter ist da die Stimmung bei Marcel Koke vom DownTown. "Der Club hatte ja nur 6 Monate geöffnet und da konnten wir noch kaum Rücklagen bilden. Zum Glück sind trotzdem Hilfsgelder geflossen und wir hatten einen kooperativen Vermieter. Auch durch den Lieferdienst vom Kartell konnten wir den Ausfall etwas abfangen." Verständnis hat er für die politischen Entscheidungen aktuell trotzdem nicht, "bis Herbst würden wir noch durchhalten, aber noch ein Jahr schaffen wir nicht!" 

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Guido Schwirzke gehen die Lust und das Vertrauen in die Regierung langsam aus: "Es ist spektakulär, der Politik beim Scheitern zuzuschauen. Diese Stadt ist für mich Geschichte, es ist einfach erbärmlich, was so passiert." Er scheut keine derben Aussagen, will aber Hassgedanken trotzdem keinen zu großen Raum geben. "Momentan verdient nur mein Vermieter, weil aktuell in der Politik nur mit den Schultern gezuckt wird! Es ist die totale Zerstörung der Clubs, wenn es dann wiederlosgeht, fängt man bei Null wieder an!" Andere Länder wie die USA und beispielhaft sein Lieblingsreiseziel Las Vegas hätten bessere Strategien, wären fortschrittlicher und schneller beim Impfen. "Dort sollen demnächst die Clubs wieder auf machen." Positiv gestimmt ist er auf sein anstehendes großes Jubiläum, den 20. Geburtstag des Prinzzclubs im November. "Ich werde definitiv die 20 Jahre feiern, komme, was wolle!"

Daniel Heuer, Veranstalter und Projektmanager der Buttergasse, ist auch betrübt, dass die Überbrückungshilfen nur 90% der laufenden Kosten decken und derzeit zuviel Unsicherheit und Unplanparkeit vorherrrscht. Die Rücklagen für die Buttergasse reichten aber aktuell noch aus, damit im Herbst eine 2. Wiedereröffnung stattfinden kann. "Ich hoffe, auf große Nachholeffekte ähnlich wie nach den Kriegsjahren. Wir freuen uns auf die kommenden Goldenen 20er, denn die Leute wollen garantiert 'raus und feiern."

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