Du hast die Wahl

Am 24. April wählt Magdeburg ein neues Stadtoberhaupt. Vier Frauen und fünf Männer bewerben sich dafür. Wer sind sie, welche Schwerpunkt-Themen für die künftige Entwicklung der Stadt und welche Qualifikationen zur Führung einer derartig großen Verwaltung haben sie?

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© Rayk Weber, Kai Späte, AfD-Fraktion, Michael Kranz, Bettina Fassl, Gross, SPD Magdeburg, Conrad Engelhardt; Grafik: DATEs Medienverlag GmbH

© Rayk Weber

Entbürokratisierung & Digitalisierung

Schon in jungen Jahren wollte Tobias Krull mitgestalten, mit 19 trat er in die CDU ein, als 25-jähriger wurde er Teil des Stadtrates. Was ihn schon damals auszeichnete, war die Fähigkeit, über Parteigrenzen hinweg zu kommunizieren: „Politik lebt doch am Ende von Kompromissen zwischen verschiedenen Ansichten.“ Das klingt fast altersweise, aber nicht zufällig wurde er schon mit 34 Jahren Kreisvorsitzender der CDU. Nach Jahren im Stadtrat holte er 2016 auf überzeugende Weise eines der vier Magdeburger Direktmandate für den Landtag. Dort ist sein Schwerpunkt die Innen- und Sozialpolitik, was ihn schon in seiner ersten Legislatur zum Vielredner am Pult gemacht hat. Sein Wissen zu der oft komplexen Materie erarbeitet er sich dabei bevorzugt selbst, wie auch seine Redemanuskripte aus der eigenen Hand kommen. Dabei weiß er um die oft schwierige Wahrnehmung von Politik und politischen Entscheidungen durch die Bürger, dass „vielleicht kein Einverständnis, aber doch Verständnis für die Entscheidungen“ eingeholt werden müsse. Ob Straßenausbaubeiträge, Krankenhaus- oder Kinderförderungsgesetz: Als Teil des Sozialflügels der CDU predigt er weniger das Mantra des Marktes. Er will einen Beitrag zu leisten, damit „die Fliehkräfte in der Gesellschaft nicht weiter zunehmen.“ Seine Schwerpunkte: „Wir müssen die Verwaltung entbürokratisieren und die Digitalisierung der Verwaltung zur Chefsache machen.“ Kann einer wie er auch Oberbürgermeister? Zugegeben, in der Führung einer so großen Verwaltungsstruktur fehlt ihm bisher ein Stück Erfahrung, aber die hatten andere Oberbürgermeister auch nicht von Anfang an.

Zum Webauftritt von Tobias Krull


© SPD-Fraktion

Klimaneutralität und günstige Mieten

Jens Rösler ist im besten Sinne ein Magdeburger Kind, heute ist er verheiratet und hat selbst eines. Seit 2009 sitzt der diplomierte Finanzwirt, der als Finanzbeamter im öffentlichen Dienst arbeitet, für die Sozialdemokraten im Magdeburger Stadtrat und hat damit ordentlich Erfahrung vorzuweisen. Nicht zuletzt hat er dort Karriere gemacht. Mittlerweile hat der 53-jährige den Fraktionsvorsitz inne, sitzt unter anderem in den Ausschüssen für Verwaltung sowie Finanzen und Grundstücke. Nun möchte er einen Schritt weitergehen und die große Ära der SPD-Bürgermeister um eine Legislatur verlängern und in die Fußstapfen von Beims, Polte und Trümper treten. Welche Schwerpunkte will er setzen, wenn er im Amt ist? Zum einen möchte er absichern, dass es weiterhin „günstige Mieten und attraktive Wohnquartiere“ in der Stadt gibt, auch will er die Erschließung neuer und alter Gewerbegebiete „für zukunfts­trächtige Industrieansiedlungen und gute Arbeitsplätze voranbringen“. Auch das digitale Bürgerbüro, also deutlich kürzere serviceorientierte Wege zwischen Bürgern und Verwaltung, möchte er auf den Weg bringen. Schlussendlich möchte er die „die Stadt mit Maßnahmen an die Auswirkungen des Klimawandels wie Hitzewellen und Starkregen anpassen“ – also klimaneutral werden, nachhaltig handeln, mehr Bäume pflanzen. In dem Zusammenhang steht bei ihm auch die Verbesserung der Radwege-Infrastruktur Magdeburgs auf der Dringlichkeitsliste. Und zum konsequenten weiteren barrierefreien Ausbau des ÖPNV-Netzes gehört für ihn das kostenlose Schülerticket mit dazu.

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© Kai Späte

Junge Politik für alle Generationen

Sie ist ausgesprochen jung, in der parlamentarischen Arbeit völlig unerfahren, aber das hielt die Freien Wähler nicht davon ab, Newcomerin Sarah Katharina Biedermann im Winter als ihre Kandidatin zu nominieren. Dass die 24-jährige gelernte Hotelfachfrau, die derzeit als Recruiterin ihr Geld verdient, erst seit 2014 in der Stadt wohnt, fällt angesichts der anderen Defizite eher weniger ins Gewicht. Kleine Randnotiz: Erst im letzten Sommer trat sie überhaupt in die Partei ein, und stand aber sofort zur Bundestagswahl im Wahlkreis Mansfeld-Südharz auf dem Wahlzettel, konnte mit ihrem Pixie-Cut glatt 3,1% der Stimmen für sich gewinnen. Von Mansfeld nun der Sprung nach Magdeburg: „Junge Politik für alle Generationen“ hat sie sich konzeptionell auf die Fahnen geschrieben. Das klingt zunächst gut. „Keine Frage: Magdeburg hat sich in den vergangenen Jahren hervorragend entwickelt. Aber gerade für Kinder, Jugendliche, junge Leute und Familien mit Kindern ist noch viel Luft nach oben“, analysiert sie vielsagend. Konkreter wird sie schon, wenn sie ihre prioritär umzusetzenden Schwerpunkte nennt: eine digitale Infrastruktur für die Schulen (was Landessache ist), kostenlose Schülertickets und Förderprogramme für die Kulturszene. „Ich weiß um die Wichtigkeit und Verantwortung dieses Amtes“, gibt sie zu Protokoll. Wirklich, möchte man fragen, denn wer eine derartig dünne Bewerbungsmappe bei einem 250.000-Mitarbeiter-Unternehmen abgeben würde, um dort CEO werden zu wollen, würde sicher nicht mal ‘ne Absage bekommen. Das müsste sie als Recruiterin doch wissen.

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© Ben Gross

Soziale Themen stehen ganz oben

45 Jahre alt, Mutter zweier Kinder, Magdeburgerin durch und durch: Nicole Anger kandidiert für DIE LINKE und will die sozialen Herausforderungen in der Stadt angehen. Als Expertin für Kinder- und Jugendhilfe sowie linke Landtagsabgeordnete bringt Nicole Anger eine Expertise für die Bereiche Soziales, Bildung, Kinder und Jugend sowie Gesundheit mit. Sie will den Bürgern mehr zuhören und auf die Beteiligung der Magdeburger setzen. Ihre Herzensangelegenheit ist einerseits eine bessere Baustellenkoordinierung, die angesichts der gefühlt immer mehr werdenden Baustellen in der Stadt ein gutes Projekt ist – auch wenn sich hier schon viele die Zähne dran ausgebissen haben. Andererseits sollen Auto, Bus, Bahn und Radverkehr nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden, sondern zusammengehen. Nicole Anger nimmt außerdem den sozialen Wohnungsbau in den Blick. Mietsteigerungen auf dem Niveau von Berlin oder München sind hier nicht zu erwarten. Dennoch wird der soziale Wohnungsbau sicher auch durch die Intel-Ansiedlung immer wieder auf die Agenda des kommenden Stadtoberhaupts gerufen werden. Angesichts schwacher Wahlergebnisse der Linken in Land und Bund steht der Linkspartei Nicole Anger gut zu Gesicht, weil sie als Frau mittleren Alters frisch und frei zu Werke gehen kann. Ihre Chance ist zugleich auch ihre größte Herausforderung: Anger hat im Vergleich zu Krull, Rösler und Borris nur wenig kommunalpolitische Erfahrung. Seit 2017 ist sie Mitglied der Partei DIE LINKE, seit 2019 sachkundige Einwohnerin im Stadtrat, seit 2021 Co-Vorsitzende des linken Stadtverbands.

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© Micha Kranz

Nur gemeinsam sind wir stark

Politik und Verwaltung, das ist seit 30 Jahren das Revier von Simone Borris. Nun hat die Sozial-Beigeordnete und Bürgermeisterin mit ihrer parteilosen Kandidatur ihren Hut in den Ring geworfen. Von allein hätte Borris diesen Schritt nicht gemacht, doch bekam sie nach ihrer Wahl zur Bürgermeisterin im letzten Jahr offenbar so viel Zuspruch, dass sie sich entschloss, in Trümpers Fußstapfen treten zu wollen. Kein Geheimnis ist dabei, dass der amtierende OB sie gezielt für das Amt seiner Stellvertretung vorschlug, wohl wissend, dass es einer Nachfolgerin bedarf, die gerade in der Verwaltung ordentlich Erfahrungen aufweist. Tatsächlich ist sie unter den sieben Kandidaten diejenige mit der größten Erfahrung in der Führung einer Verwaltung – und zwar mit Abstand.  

Kann sie Oberbürgermeisterin? Als ehemalige Fußballerin wusste sich jedenfalls auf dem Platz zu behaupten, sowohl vermitteln zu können als auch Kante zu zeigen. Was will sie als Bürgermeisterin erreichen? Die Bearbeitungszeiten der Bürgeranliegen insbesondere in den Bürgerbüros zu verkürzen, Verwaltung stärker zu digitalisieren. Im Gegenzug weiß sie genau, dass man den Bürgern die Möglichkeit geben muss, sich selbst ins Gespräch einzubringen, ihnen zuzuhören und Entscheidungen zu erläutern. „Die Stadt, das sind wir alle“ und so will sie dieses Gemeinschaftsgefühl der Bürger fördern. Überhaupt sieht sie Magdeburg am liebsten als Ganzes. Eine positive Stadtentwicklung kann danach nicht nur aus baulicher Perspektive geschehen, sondern muss möglichst viele einbeziehen, sei es in Kultur, Sport oder Bildung.  

Zum Webauftitt von Simone Borris


Bildrechte: Bettina Fassl

Menschlich handeln, Tiere schützen

Seit ihrer Geburt vor 54 Jahren ist Bettina Fassl Magdeburgerin. Sie ist verheiratet, hat eine Tochter und ist von Beruf kaufmännische Angestellte in einer Anwaltskanzlei. In die Politik ist sie spät eingestiegen. Die als eine Art Familienunternehmen 2013 von der Tierschutzpartei abgespaltene Allianz für Menschenrechte, Tier- und Naturschutz – kurz Tierschutzallianz – wird heute von ihr (stellv. Parteivorsitz), ihrem Mann (Parteivorsitz) und Tochter Aila Fassl (Stadträtin) geprägt. Vom Monothema „Tierschutz“ hat sich ihre Partei ein Stück emanzipiert. Welche Ziele hat sie als Oberbürgermeisterin? Sie ist vor allem für einen Modellversuch zum kostenlosen öffentlichen Personennahverkehr, auch ein Sofort-Maßnahmenpaket samt Rundem Tisch zur „spürbaren Sanktionierung von (Graffitti-)Vandalismus“ will sie schnüren. Etwas nebliger formuliert sind die von ihr zu forcierenden „umfassenden Maßnahmen zur Verbesserung der Attraktivität der Stadt für die Bevölkerung und für einen Tourismusaufschwung.“ Konkreter ist, dass Fassl Magdeburg bunter machen möchte und dass im eigentlichen Wortsinn: sie bedauert „zu viel Grau und Schmuddelweiß“ an den Häuserwänden. Kann eine wie sie Oberbürgermeisterin? Erfahrung im Umgang mit Verwaltung hat sie keine. Was sie nicht davon abhält, mit Blick auf den aktuellen Oberbürgermeister zu monieren, dass die von ihr beobachtete „Abgeschlossenheit – teils Verbarrikadierung – einzelner Teile der Verwaltung aufgebrochen werden sollte.“ Das klingt ambitioniert und schwierig zugleich.

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© AfD-Fraktion

Gegen „linksgrün dominierten“ Stadtrat

Frank Pasemann, 1960 in Magdeburg geboren, tritt als parteiloser OB-Kandidat an und wird dabei von der AfD unterstützt. Im Stadtrat ist Pasemann Frak­tionschef der AfD. Von 2017 bis 2021 saß Pasemann sogar im Bundestag für die AfD, bis er aus der Partei ausgeschlossen wurde. Nach antisemitischen Äußerungen sowie dem Vorwurf von illegalen Spendensammlungen und nicht gezahlten Mandatsträgerabgaben musste er die Partei verlassen. Die Magdeburger AfD hält jedoch weiter zu ihm. Frank Pasemann kandidiert als Oberbürgermeister für drastische Sparmaßnahmen und eine Haushaltskonsolidierung. Er ist gegen die „Kreuzbergisierung“ mancher Magdeburger Stadtteile. Außerdem fordert Pasemann ein Ende des „linksgrün“ dominierten Stadtrats sowie der „kulturfremden Bereicherung“ der Stadt. Er bemängelt zudem das Fehlen eines historischen Stadtzentrums und einer dritten Elbquerung im Magdeburger Süden. Pasemann zählte jahrelang zu den schillernden Figuren der Patriotischen Plattform der AfD sowie des sogenannten Flügels der AfD, der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft und beobachtet wurde. Bundesgrößen der Alternative für Deutschland, wie Björn Höcke, unterstützten Pasemann auf seinem Weg in den Bundestag. Der AfD-Mann gilt als starker Kontaktmann in die rechte, gewaltbereite Identitäre Bewegung, die ein Sammelbecken für jüngere Nationalisten bietet. Laut Zeit Online hat Pasemann jahrelang Mitglieder der Identitären Bewegung Jobs bei der AfD vermittelt – auch eine Form von Jugendförderung.

Zum Webauftritt von Frank Pasemann


Gewählt wird am 24. April. Sollte kein Kandidat oder keine Kandidatin eine absolute Mehrheit hinter sich versammeln können, kommt es zu einer Stichwahl am 8. Mai.

Rathaus

Alter Markt 6, 39104 Magdeburg View Map

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