Stadtläufer: Es gibt viel zu tun

Unser Stadtläufer mischt sich in die Debatte um die Stadtfelder Mohrenapotheke ein und versucht den Begriff "Mohr" semantisch einzuordnen.

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Um den Namen der Stadtfelder Mohrenapotheke ist eine hitzige Debatte entbrannt. Sie gipfelte in der Forderung, dass all jene, die von vermeintlicher Diskriminierung nicht betroffen seien, sich aus dieser Debatte herauszuhalten hätten, da es Sache der Opfer sei, diese Diskussion zu führen und die Bedeutung des Begriffes Mohr semantisch einzuordnen. Ich gedenke diese Forderung allerdings nicht zu erfüllen, weil ich mich nicht von einer zugereisten Studentin über europäische Geschichte und die deutsche Sprache belehren lassen will.

Hannah Umutoni Mugarago, so heißt die Autorin des offenen Briefs, der die Debatte auslöste, ist felsenfest davon überzeugt, dass der Begriff vom griechischen moros abgeleitet sei, was „stumpf oder dumm“ bedeute; das Argument, dass die Wortherkunft eher auf das lateinische „Maurus“ für die Bewohner der einstigen römischen Provinz Mauretanien zurückgeführt werden müsse, wie die Mehrheit der Sprachwissenschaftler glaubt, und dass damit der pharmazeutische Wissenstransfer arabisch-muslimischer Gelehrter ins mittelalterliche Europa gewürdigt werden sollte, lässt sie nicht gelten. Diese Deutung sei irrelevant, weil dieser Fakt der Bevölkerung weitgehend unbekannt sei. Mir allerdings ist dieser Fakt bekannt und ich weiß sogar noch mehr: Der Begriff Mohr ist nachweislich vorkolonialen Ursprungs und hatte daher mehr als 1000 Jahre lang mit einer Diskriminierung von Schwarzafrikanern oder gar der Sklaverei nicht das geringste zu tun. Im Gegenteil: ab dem 18. Jahrhundert grenzte man den „edlen Mohren“ vom pejorativen Ethnonym des „primitiven Negers“ sprachlich eindeutig ab, weil man die muslimischen Araber in Nordafrika für rassisch höherwertig hielt. Die Pejoration des Begriffs und seine allmähliche Anwendung auf alle Afrikaner fand erst nach und nach statt – und vielleicht erlebt er ja irgendwann eine erneute Melioration, wie es etwa dem Wort „geil“ geschah. Das ursprünglich positiv konnotierte Wort für nahrhaft und üppig verwandelte sich irgendwann in einen Dysphemismus, als es für lüstern oder wollüstig stand – inzwischen hat die Jugendsprache es aber wieder in ein positiv besetztes Adjektiv verwandelt. Auch das Wort Weib hat eine Abwertung erfahren und wird heute meist durch das Wort Frau ersetzt; allerdings kenne ich nur wenige Frauen, die Männer verklagen, von denen sie „Rasseweib“ genannt werden, obgleich darin gleich zwei politisch inkorrekte Begriffe verschmolzen sind.   

Aber da all das offenbar vernachlässigt werden muss und lediglich die Befindlichkeit unserer dunkelhäutigen Mitbürger den Ausschlag gibt, ist bei der Säuberung unserer Benennungen viel zu tun, denn es gibt nicht nur mehr als 100 Mohren-Apotheken in Deutschland, sondern auch zahlreiche Straßen, Brunnen, Häuser, Brauereien und Gastwirtschaften, die das Wort im Namen führen - und die Gemeinde Kettershausen im Unterallgäu besitzt gar einen Ortsteil namens Mohrenhausen. Es gibt einen Pilz namens Mohrenkopfmilchling, den Mohrensalbei und den Eisenberger Mohrentropfen, einen Kräuterlikör. Auch der Mohrenkopfpapagei, der Mohrenkaiman und der Graubindige Mohrenfalter müssen mit ihren Personalausweisen zum Einwohnermeldeamt. Denn der „Mohr“, so heißt es schon im „Fiesco“ von Friedrich Schiller, „hat seine Schuldigkeit“ offenbar „getan“.

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