„Zum ersten Mal haben wir das große Bündnis“

Die Perspektivlosigkeit des Shutdowns hat die Freie Kulturszene zusammenrücken lassen. Für die Freie Kulturszene sitzen u.a. Lars Johansen (Artist e.V. Moritzhof) und Christian Szibor von der FestungMark in der Runde. Ein Gespräch.

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© Engelhardt

Erzählt mal, wie eure Videokonferenzen entstanden sind. Szibor: Der Grund, warum wir uns zusammengefunden haben, ist doch, das wir Rechtsverbindlichkeit brauchen, es geht um wirtschaftliches Überleben, das Bespielen der Krise, um gemeinsames Verantwortungsbewusstsein. Die Organisationsstruktur hat sich nach meinem Erleben aus purer Notwendigkeit heraus entwickelt. Ausgangspunkt war ein gemeinsam gegenüber dem OB verfasstes Schreiben weil doch klar ist, dass man als Zusammenschluss von 30 Freien Kulturbetrieben besser Gehör findet, als wenn jeder einzeln schreibt. Letztendlich macht Dich so ein gemeinsamer Weg nicht nur effektiver, sondern auch stärker.

Eigentlich wäre ja der scheidende Beigeordnete für Kultur, Schule und Sport erster Adressat. Szibor: Wir hatten uns zuerst an den OB wenden müssen, ehe da Bewegung reinkam und auch der Kulturausschuss, der jetzt eine Beschlussvorlage für 250.000 Euro Soforthilfe auf den Weg gebracht hat, sich verpflichtet fühlte.

Johansen: Ohne unseren Anstoß wäre natürlich nichts passiert. Man sollte nicht erwarten, da käme jemand und fragt, wie es einem geht. 

In der Videorunde sitzt ihr zu fünft. Gab es eine Wahl? Johansen: Bei mir lag es ja vielleicht daran, dass ich schwätzen kann (grinst), und dann ist es sicher ein Vorteil, wenn man selbst da nicht zu tief drinhängt. Auch wenn bei mir sofort jeder an Solokünstler denkt, habe ich doch immer noch einen festen Zusatzjob und bin viel weniger in Not als andere.  

Szibor: Ein wenig Zufall hat sicher eine Rolle gespielt. Neben uns Beiden sitzen auch Michael Conrad, von der Insel der Jugend, der die Clubszene vertritt, Ulrike Löhr von der Zwickmühle, die für die Freien Bühnen spricht und schließlich Norbert Pohlmann (Forum Gestaltung) als Vertreter der Soziokulturellen Zentren.

Johansen: Was ich bemerkenswert finde: Zum ersten Mal haben wir das große Bündnis der Freien Kulturszene und das selbst die Clubszene wie der Geheimclub vertreten ist, freut mich besonders. Gut ein paar fehlen vielleicht noch, wie das Oli.

Szibor: Es ist eine Solidarisierung, wie wir sie als Festung Mark 2015 selbst erlebt haben, als uns rechtswidrige Beauflagungen für Veranstaltungen gemacht wurden. Nachdem sich die Freie Kulturszene geschlossen hinter uns stellte, griff schließlich der OB ein und sprach ein Machtwort.

Die wirtschaftliche Situation einzelner Kulturbetriebe wird immer enger. Wie ist die Atmosphäre in euren Video-Gesprächsrunden? Johansen: Bei freien Betrieben wie dem Kabarett Hengstmanns oder dem Theater an der Angel, da geht es um das blanke Überleben. Das Geld vom Land ist zu wenig und es ist unpraktikabel, was da beschlossen wurde. Aber die Atmosphäre in der Runde ist fast immer sehr konstruktiv, da gibt es kein Jammern. Bei allen akuten Problemen habe ich das Gefühl, dass bei der Poltik eine Offenheit, eine Lernbereitschaft da ist, dass man diese Vorschläge wirklich bekommen möchte, was denn aus Sicht Freier Kulturtreibender notwendig ist. Dass die Angst größer wird, das spürt man unter den Kulturschaffenden deutlich. Andererseits bin ich froh, dass ich selbst nicht in politischer Verantwortung bin.

Szibor: Ich finde es spannend, dass da alle am Tisch sitzen, bis hin zu Solokünstlern. Es ist doch eine Situation, mit der sich jeder konfrontiert sieht. Und es geht darum, dass die oft gut gemeinten Hilfen auch wirklich ankommen. Ich sage nur Betriebskosten, für die es Unterstützung gibt, die aber für Soloselbständige wie eine Geigenlehrerin nicht greifen. Als Politik muss man die Wirksamkeit der Maßnahmen überprüfen, und andere Bundesländer, Thüringen, Baden-Württemberg gehen da oft andere Wege. 

Johansen: Letztlich geht es für alle auch um eine Absicherung für die Zeit nach Corona. Wenn Mittel nicht mehr fließen, zum Beispiel durch eine Haushaltssperre, wie man das jetzt in Halle erleben kann, dann betrifft das schnell auch vermeintlich sichere Betriebe. So gilt es in der Krise, die Möglichkeiten, die uns gegeben sind, effektiv zu nutzen. 

Ungeachtet der geringen Infektionszahlen hält sich das Land mit seinen Freigaben zurück. Szibor: Die neue Verordnung macht die Dinge kompliziert, effektiv steht dort drin, dass bis Ende August keine Veranstaltungen möglich sein werden. Egal wie es wirklich kommt, betriebswirtschaftlich muss man sich auf diesen 31. August einstellen, heißt, du kannst im Juli noch nicht bis September planen. Effektiv bedeutet das, Kurzarbeit bis Jahresende, weil mit der notwendigen Vorplanung kein normaler Veranstaltungsbetrieb möglich ist. 

Johansen: Auch ich hatte die Hoffnung, dass das neue Gutachten besser differenziert. Letztendlich ist Kultur ist ein wichtiger sozialer Kitt, man braucht diese Gemeinsamkeit. Oberbürgermeister Trümper hatte beispielsweise für die Öffnung der Freiluftgastronomie plädiert. Da ist er nicht der einzige.

Wie soll es weitergehen? Johansen: Es ist schwer, unter solchen Bedingungen Veranstaltungen zu machen, aber da kann es Lösungen geben. Es geht nicht um kreative Umgehungen. Aber Regelungen hin, Regelungen her, wenn tatsächlich vorsichtig geöffnet wird, heißt die Frage: Was machen die Zuschauer? Gerade die älteren, kommen die dann überhaupt

Szibor: Mit Blick auf die neuerliche Bewertung der Situation haben wir zuletzt ein Papier an Kultusminister Robra mit konkreten Vorschlägen der Einstufung von Veranstaltungen geschrieben. So hoffe ich auf ein Gesprächsangebot und,  dass es zu einem Strategiewechsel im Land kommt.  

Veranstaltungsreihe "Kulturpicknick", voraussichtlich am 29. Mai, FestungMark

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