„Um unsere Innenstadt habe ich keine Sorge“

Wobau-Geschäftsführer Peter Lackner spricht mit uns über Laden-Leerstände in der Innenstadt und deren Hintergründe, die Auseinandersetzung mit dem Online-Handel und seine Visionen für Magdeburgs Zentrum.

© Engelhardt

Herr Lackner, machen Ihnen die grauen Amazon-Wagen, die in diesen Tagen wie Fliegenschwärme durch die Stadt schwirren und ihre Pakete ausliefern, Sorgen? Ich sage es mal so: Wir führen keinen Kampf gegen Amazon oder den Onlinehandel insgesamt. Es kann nicht bestritten werden, dass einzelne Wirtschaftszweige von der Onlinekonkurrenz stark unter Druck gesetzt werden. Aber Veränderungen hat es immer gegeben, ich denke an die zahllosen Videotheken in den 1990ern und ihr rasches Verschwinden wenige Jahre später. Mir ist deshalb vor dem Onlinehandel grundsätzlich nicht bange, einfach weil er in vielen Branchen die dort vorhandene Beratungskompetenz nicht ersetzen kann.

Die Leute sehen aber den aktuellen Ladenleerstand. Und der wirkt auf viele besorgniserregend, dass sich diese Entwicklung in Zukunft verstärkt und wir ein langsames Sterben des stationären Handels erleben. Die Wahrnehmung ist falsch. Von den 400 Läden der Innenstadt ist der überwiegende Teil vermietet, unsere Leerstandsquote beträgt derzeit 7,2 Prozent. Bei manchen sieht es aus wie Leerstand, aber in Wirklichkeit sind es vertragstechnische Gründe wie bei einem Laden am Breiten Weg. Da hat sich der Mieter aus strategischen Gründen für das Ulrichshaus entschieden, der Vertrag bei uns läuft aber noch parallel weiter. Und das markante Eckgeschäft, ehemals Ledermoden, ist an ein Reisebüro vermietet. Und dann sind ja auch innovative Ladenkonzepte neu dazugekommen wie Infinitea oder Danz 11 und Café Thies im neuen Domviertel. Und es gibt andere Läden, bei uns z.B. Radmitte, die 20 Jahre dabei sind und Erweiterungsbedarf anmelden. Mir ist auch aus einem anderen Grund nicht bange: Im Gegensatz zu anderen Innenstädten haben wir in Magdeburg ein Verhältnis von Wohn- zu Gewerbefläche von 4:1. Heißt, da kommt bei uns den Waren des täglichen Bedarfs besondere Bedeutung zu. Das haben wir im Katharinenturm mit der Ansiedlung eines Supermarkts sehr erfolgreich so gemacht und auch ins Domviertel ziehen dieser Tage ein hochmodern ausgestatter, komplett barrierefreier Edeka-Markt mit 1500 qm Fläche und ein Rossmann mit 1000 qm Fläche ein. Die bringen dem Domviertel im Südabschnitt des Breiten Wegs erhebliche Zusatzfrequenz. Dort haben wir ja auch Dinge umgesetzt, die man auf den ersten Blick nicht sieht, wie das größte Solarfeld der Innenstadt auf dem Dach, eine Zisterne zur Regenwasserspeicherung.  

Wenn man das natürlich mit den einstigen Wohnblocks vergleicht ... Auch mit den dazwischen entstandenen Gastwirtschaften, die ja nicht zur Wobau gehören, haben wir dort eine sehr gute Mischung, hat sich in Summe eine Flanierstrecke als Verbindung zwischen Dom- und Hasselbachplatz entwickelt.    

Nochmal zum Leerstand. Auch am Alten Markt ist mit dem ehemaligen Bioladen eine Triple-A-Lage seit längerem leer. Warum dort? Wenn wir gewollt hätten, wäre der Laden inzwischen längst wieder vermietet gewesen. Es gab gleich mehrere Interessenten von der Apotheke bis zur Bäckerei. Aber auf dieser Ecke sehen wir einen Laden mit starker Markenpräsenz wie Lindt oder Lush Naturkosmetik. Um solche hochkarätigen Player zu gewinnen, braucht es mehr als eine einfache Anfrage, da kommt es auf Beziehungsmanagement, auf Soft Facts an. Und dazu braucht man einfach mal eine Vorratsfläche, da muss ich auch mal ein Jahr warten können.

Woran liegt es dann, dass namhafte Marken sich schwer tun, Stichwort Starbucks, nach Magdeburg zu kommen? Am Image. So hat Potsdam ein höherwertiges Markensortiment als Magdeburg. Beide Städte sind ähnlich, rein von der Kaufkraft her ist das Verhältnis nicht gerechtfertigt. Unser Image hat sich in den letzten Jahren Stück für Stück gebessert, aber es ist insgesamt ein weiter Weg. Dass Starbucks, die  deutschlandweit sehr zahlreich Filialen haben, bisher nicht nach Magdeburg gekommen ist, deute ich als Zeichen, dass wir noch nicht angesagt genug sind.

Der Chocolatier Lindt soll es also richten. Er würde gut in das Eckgeschäft passen. Nicht zuletzt hat uns der Denkmalschutz für dieses Objekt Auflagen erteilt, das dort bestehende Wandbild „Rote Rose für Mao Zedong“ aus den 1950ern freizulegen und künftig sichtbar zu machen. In dem Zusammenhang sehe ich auch künftiges touristisches Potential bei Besuchern aus Fernost.

Kulturtourismus ist das Stichwort. Wenn Shopping ein Stück an Bedeutung verliert, wodurch wird die Innenstadt in Zukunft attraktiv bleiben? Mit der wiedereröffneten Lichterwelt zeigen wir doch den Weg auf, wie man eine Innenstadt erlebbar macht. Ich denke, in dem Zusammenhang müssen wir uns unserer besonderen Geschichte, unserer besonderen Altstadt mit den Stalinbauten der 1950er Jahre bewusst werden. Unsere Kulturdezernentin Regina Stieler-Hinz hat das mit dem Wort „Eastfeeling“, so finde ich, sehr treffend beschrieben. Auch glaube ich daran, dass die Sammlung von Mike Schrader aus DDR-Konsumartikeln und Kulturgütern in die Innenstadt gehört. Also passend zum Eastfeeling ein DDR-Museum. Aus touristischer Sicht setzte ich da auf das AIDA-Wirkprinzip: Attention (Aufmerksamkeit), Interest (Interesse), Desire (Verlangen) und Action (Handlung).

Im Nordabschnitt werden wir darüber hinaus das Internationale Haus bauen. Mit direkter Nähe zur Universität und den vielen internationalen Studierenden wird das Bürgerbüro dort eine Anlaufstelle für Verwaltungsvorgänge wie An- und Abmeldung werden. Das wird zusätzliche Frequenz in die Fußgängerzone bringen.

Die Kultur soll es also ausgleichen. Die Kultur spielt auf jeden Fall eine wichtige Rolle. Als weiteren Kulturträger sehe ich auch ein Varietemuseum im Nordabschnitt. Schließlich haben wir in Buckau eines der ersten Zirkusmuseen Deutschlands, aber ich bin der Meinung, dass es ins Zentrum gehört, dort wo bis 1945 mit dem Zirkus Blumenfeld ein festes Zirkushaus existierte. Zum Bestand des von Gerald Mette aufgebauten Museums gehört ein Originalkostüm von Josephine Baker, die in den 1920ern, nur mit Bananenrock bekleidet, im Varieté tanzte. Und wer weiß denn, dass der legendäre „Buffalo Bill“ 1890 mit seiner Wildwestshow in Magdeburg gastierte? Oder, dass der amerikanische Kunstschütze und Lassowerfer Billy Jenkins (1885-1954) eigentlich Erich Rudolf Otto Rosenthal hieß und aus Magdeburg kam.

Was hat noch Potential, die Innenstadt attraktiv zu machen? Aktuell haben wir einen sehr schönen Entwurf für den Prämonstratenserberg, der auf Initiative unseres Alt-OB Willi Polte entstand. Es wird darum gehen, hier ein kleines Viertel entstehen zu lassen, das in seiner Kleinteiligkeit an die Gassen der Altstadt erinnert. Nach den Plänen soll dort auch ein Stück der alten Stadtmauer freigelegt werden. Im Moment ist das Projekt in den Ausschüssen, aber schon im nächsten Jahr möchten wir das gern öffentlich machen und wenn es umgesetzt wird, wäre das ebenfalls eine sehr spannende Entwicklung für unsere Innenstadt.

Wir danken für das Gespräch.

Back to topbutton