„Definitiv kein Ergebnisdruck“

Die Wahl zum Trainer des Jahres in der Tasche, kann Bernd Berkhahn voll Optimismus auf Olympia vorausschauen. Neun Sportler seines auf Langstrecken spezialisierten Trainingsteams sind für Tokio qualifiziert, die Medaillenchancen realistisch. Und olympisches Edelmetall fehlt ihm als einziges noch in seiner äußerst erfolgreichen Trainerbilanz. Ein Gespräch am Beckenrand.

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© Ronny Hartmann

Erst Sonntagnacht ist Bundestrainer Bernd Berkhahn mit seinem Team von der Freiwasser-EM aus Budapest zurückgekehrt, aber am Montag ist er schon wieder in der Spur, leitet das Training in der Elbeschwimmhalle, analysiert Zeiten, organisiert, telefoniert, kommuniziert. So ein Trainerjob fordert: „Normalerweise geht mein Tag von 6.30 bis 19.30 Uhr“, sagt der 50-jährige. Seit achteinhalb Jahren ist er jetzt Bundestrainer am Bundesstützpunkt Magdeburg und mit einer Mischung aus Zielstrebigkeit, Fleiß und gelebtem Unterstatement hat er seine Trainingsgruppe am Stützpunkt und das deutsche Langstreckenschwimmen insgesamt zurück in die Erfolgsspur geholt. „Unser Anspruch ist es, aus jedem Sportler individuell das Beste herauszuholen.“ Übersetzt heißt das: Florian Wellbrock machte er zum ersten Doppelweltmeister im Becken und Freiwasser. Auch die Team-Weltmeister Sarah Köhler, Langstreckler Rob Muffels, Vizeweltmeisterin Finnia Wunram oder die Schmetterlingsspezialistin Franziska Hentke gehören zu seiner sehr erfolgreichen Trainingsgruppe. Dazu entwickelt er hoffnungsvolle Talente wie Lukas Märtens oder Isabel Gose, die vor einem Jahr nach Magdeburg gezogen ist. Seit letztem Sommer trainiert auch die holländische 10km-Olympiasiegerin von Rio, Sharon van Rouwendaal, in Magdeburg mit um vor Tokyo „noch einmal neue Reize zu setzen“.

So gibt es derzeit in Deutschland keinen erfolgreicheren Schwimmtrainer als Bernd Berkhahn, das brachte ihm 2019 die Ernennung zum Team-Chef dem Deutschen Schwimm-Verbands ein, Ende 2020 wurde er konsequenterweise zum DOSB Trainer des Jahres gewählt. In der Kommunikation bevorzugt der gebürtige Schleswiger nordische Zurückhaltung und leise Worte. Dass er dabei dennoch Klartext redet, zeigte er im aktuellen Zerwürfnis zwischen Schwimmverband und Athleten um den entlassenen DSV-Direktor Leistungssport Thomas Kurschilgen, und scheute dabei auch nicht die verbale Auseinandersetzung mit dem Vorstand.

Jetzt aber ist alles auf Tokyo ausgerichtet. Bei den letzten Olympischen Spielen 2016 hatte Berkhahn zwei Athleten am Start, aber Florian Wellbrock und Franziska Hentke waren in Rio zu aufgeregt, verpassten die Medaillen. Fünf Jahre später sind gleich neun Sportler seines Trainingsteams qualifiziert, einzig Marius Zobel, der sich im Oktober 2020 mit dem Coronavirus infizierte, litt anschließend an schwankenden Leistungen und verpasste die Quali-Norm. Die Medaillenchancen der anderen sind umso realistischer. Klappt es diesmal? „Ich habe definitiv keinen Ergebnisdruck“, sagt Berkhahn mit leiser klarer Stimme. Und schiebt nach: „Eine Olympiamedaille wäre das letzte was mir noch fehlt in der Bilanz als Trainer. Es würde mich riesig freuen, wenn es klappt.“

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