Grenzgänger

Christoph Bouet ist erfolgreich als Pleinair Maler, Musiker und Fotograf. Sein aktuelles Album „Traces“ verbindet seine Leidenschaften zu einem Gesamtkunstwerk.

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© Chris Gonz

Die Kontrolle über den gesamten Kreativprozess ist letzlich ein Garant für Qualität. Wer wüsste das besser als der in Halle an der Saale geborene Künstler Christoph Bouet, der mit vielen Talenten ausgestattet ist. Seine Kindheit verbringt er zeichnend und mit 18 studiert er Malerei an der Hochschule für Kunst und Design Burg Giebichenstein. Danach zieht er in den Schmelztiegel Berlin. Damit verbunden beginnt Bouet 2004 seinen Malstil zu ändern und verläßt sein Atelier, um draußen zu malen. Diese bewusste Ausrichtung zur Natur bestimmt bis heute seine Arbeit. Die Grundlage für den Kosmos Bouet ist dabei die Plainair-Malerei. Seine Werke sind pastose, abstrakte Landschaftsdarstellungen. Dicke Schichten von Ölfarbe wirken wie eine Schlacht. Auf den zweiten Blick entfalten seine Bilder zerbrechliche, mystische Details, die den Betrachter festhalten, hineinziehen und die Zeit still stehen lassen. Es sind Sehnsuchtsorte, die brennen, leuchten, stürmen und ruhen. Mit dieser Qualität erarbeitete sich Christoph Bouet ein Netz an Galerien, die seine Arbeiten vertreten. Der Ankauf seiner Bilder durch Museen, den Bundestag oder Sammler wie Plattner, Würth und Gründer aus dem Silicon Valley zeigen sein Renommee.

© 1301 Media

Mit diesem Erfolg stürzt sich Bouet – aus Berlin zurück – in ein neues Abenteuer. In Gommern fängt er an, Songs zu schreiben und nebenbei die Recordingmethoden der 1960er und -70er zu studieren. Sein Bilderlager wird zum experimentellen Ort. Hier sammeln sich die legendären Geräte, wie Fender Rhodes, Martin Gitarren, Universal Audio Röhrenpreamps und Studer Bandmaschinen. Es wächst die Freude am analogen Sound. Er ist Anfang 30 und bringt sich selbst Schlagzeug, Gitarre und Piano bei, eignet sich auch Wissen als Tontechniker und Produzent an. Nach 7 Jahren und zahllosen Nächten im Studio war der nächste Schritt nur folgerichtig. Der Schritt in die Öffentlichkeit auf dem progressivsten Massenmedium aller Zeiten – der Schallplatte. Das über Jahre betriebene Suchen nach den passenden Produktionsabläufen und dem richtigen Sound ist ein Weg für den Marathonläufer ohne Zieleinlauf. Jede der bisher fünf veröffentlichten Schallplatten auf seinem Label 1301 MEDIA ist mit einem weiteren Entwicklungsschritt verbunden. Somit verwundert es nicht, dass schon seine erste Plattenveröffentlichung von 2015 auf Anhieb positive Reaktionen in Musikmagazinen und der deutschen Hifi-Szene bekam.

Sind die ersten beiden Platten noch vom Sound eines J. J. Cale geprägt, ist das Album Nr. 3 „Skyline Drive“ ein drastischer Schritt hin zu seiner wütenden, dunklen, fast resignierenden Seite. Das Narrativ ist Krieg. Eine Art unveröffentlichter Sound­track zu „Apocalypse Now“. Eben weil das Album neue unerwartete Facetten im „psychedelisch-flirrenden Gitarrensound“ (OX-Fanzine) zeigt, wächst seine Präsenz in der Szene. Die EP spielte er mit Freunden und Musikern wie Wulf Mohrmann und Tilman Roos ein.

Mit seinem aktuellen Album „Traces“ hebt sich Bouet auf eine neue Ebene. Neue Klangfarben, wie die eines alten Pianos, Mundharmonika, Wurlitzer und der facettenreiche Gesang, machen das Album zum schlüssigen Longplayer. Das Werk trägt über die gesamte Länge und hebt an den richtigen Stellen zum Schweben ab. Geprägt sind die Arrangements durch den West Coast-Sound der frühen 70er, CSNY, Bob Dylan oder Gene Clark. Im August 2019 schrieb Bouet den ersten Titel „On The Shore“, im Frühjahrs-Lockdown beendete er den letzten Song für das Album. Dazwischen, mitten im deutschen Winter, entfesselte er in einer Werkstatthalle im Alleingang California-Style und Country-Feeling. Die Drums spielte Sebastian Symanowski.

Die Fähigkeit Bouets die Dinge fiktiv für sich festzulegen, also die Ergebnisse im Voraus klar zu definieren, machen es nötig, dass sich Bouet auch selbst produziert. Für „Traces“ hat er sein TANK-Studio genutzt, eine umgebaute Panzergarage. Diese ihm eigene Vorstellungskraft ist hörbar im Sound und lässt seine Produkte aus der Masse hervorstechen.Wie auch schon auf den vorangegangen Produktion ist der Klang auf Traces bemerkenswert. Ein wichtiger Schritt zu diesem Ergebnis ist das Mastern der Musik im Tonstudio. Das übernahm kein geringerer als Rainer Maillard aus den Emil Berliner Studios. Der mit vier Grammys geschmückte Tontechniker war bei allen Produktionen für das Mastering und den Lacquer Cut verantwortlich.

Trotz der Tatsache, dass die drei Editionen zwischen 30 € und 360 € kosten, ist die Gesamtauflage beinahe schon ausverkauft und auf Discogs werden atemberaubende Preise für seine Platten aufgerufen. Die aufwendig gestalteten Editionen mit Originalzeichnungen und Polaroids bilden ein Gesamterlebnis. Die Ausstattung beinhaltet eine Vielzahl an Dingen, welche die Musik weiterführt, in den Raum hinein zum Betrachter. Das Klappcover legt im Innenteil eine Canyonlandschaft frei. Ein Buch erzählt mit Tuschezeichnungen, Szenen aus Westernfilmklassikern und Polaroids bieten passende Atmosphäre zu den Songs.

Dieses Bewahren trägt der in Magdeburg verortete Bouet auch in sein soziales Umfeld. Sobald er Qualitäten erkennt, stellt er seine Beziehungen und Möglichkeiten anderen Kreativen zur Verfügung. Er vermittelt Künstler zu ihm bekannten Galerien oder steht als Ideengeber bereit. Er stärkt sein Umfeld als eine Art Nivellierung der eigenen Möglichkeiten, um weitere Grenzen zu überschreiten. Erfolg dient ihm als Selbstzweck, sich weiter zu entwickeln und Dynamiken auszubauen. Genießen kann Christoph Bouet erst mal die Eigendynamik die sein aktuelles Album erzeugt, denn es ist auch sein bis heute bestes Album. 10 Songs Country & Folk, präsent, warm, atmosphärisch aber glücklicherweise nicht mit dem Anspruch perfekt sein wollen.

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