Das doppelte Lottchen

Der Magdeburger Stadtrat wählt Mitte Mai die beiden nach dem Stadtkämmerer wichtigsten Beigeordneten – Kultur und Wirtschaft – neu. Aus der Bilanz der aktuellen Amtsträger könnten man für diese Wahl Wichtiges ableiten.

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© Engelhardt

Mit den beiden Ausstellung des Europarates, die Prof. Dr. Matthias Puhle als Direktor des Kulturhistorischen Museums 2001 und 2006 nach Magdeburg holte, hat er Großtaten vollbracht. Ein kleines Stadtmuseum in der ostdeutschen Provinz bekommt binnen fünf Jahren zwei Ausstellungen des Europarates und reiht sich damit neben dem Deutschen Historischem Museum und Louvre ein – eine Sensation. Mit dieser Bilanz hätte Puhle gut in die Geschichte eingehen können. Aber dann kam man in Magdeburg auf die Idee, mit seiner Reputation könnte er als Abteilungsleiter im Kultusminsterium doch weiterhin Großes für Magdeburg vollbringen – das Projekt scheiterte lautlos. Bereits da hätte man wissen können: Der exzellente Historiker ist nicht geschaffen fürs Organising in den komplizierten Höhen der Politik, erst recht nicht für raffiniertes Spindoctoring. Und doch wählte man ihn auf die Position des Beigeordneten für Kultur, Schule & Sport, wohl weil ebenso das Renommee für ihn sprach, mit dem einer wie er doch die ambitionierten Pläne Magdeburgs als Europäische Kulturhauptstadt befeuern könnte. Aber auch hier holte ihn der Alltag ein.

Von den drei Positionen – Kultur, Schule und Sport – blieb in der öffentlichen Wahrnehmung, wenn überhaupt, die Kultur übrig. Und selbst die doch eher eingeschränkt. Ein Satz, der das Dilemma sehr schön zusammenfasst, und der selbst im inneren Zirkel der Kulturbetriebe der Stadt immer wieder gern mit einem Lächeln zitiert wird, ist: „Egal zu welchem Thema Professor Puhle spricht, er ist spätestens nach drei Sätzen beim Mittelalter.“ Peng! Der Satz hat Sprengkraft, beschreibt er doch sein bevorzugtes Interesse, das offenbar wenig Kraft für Gestaltung in anderen Bereichen des Amtes ließ. Die Diskrepanz wird besonders deutlich, wenn man sich die Ergebnisse seines Vorgängers Dr. Koch anschaut. Der entwickelte in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Konzepte für Stadtteilkulturzentren, schuf über alle Stadtratsfraktionen hinweg Allianzen und trieb so den Kulturanteil am städtischen Haushalt auf gute 9 Prozent hoch. Neben seinem exzellenten Netzwerk war er zugleich äußerst fleißig, kein Wochenende an dem er nicht einen Volkssportlauf startete, ein Kulturfest eröffnete oder einfach anwesend war – aus purem Eigeninteresse fürs Thema. So kannte er sich selbst in Randbereichen der Subkultur und Nischen des Sports aus. 

Nicht viel anders ist es beim aktuellen Beigeordneten für Wirtschaft. Rainer Nitsche suchte in seiner Amtszeit vor allem mit Mode- und Kreativszeneevents und regelmäßigen Reisen ins wirtschaftlich doch so wichtige China Akzente zu setzen. Aber fragt man bei den Großunternehmen der Stadt nach, im Maschinen- und Anlagenbau beispielsweise, die mit ihrer Wertschöpfung entscheidend zum Gewerbesteueraufkommen der Stadt beitragen, dann rollt man dort mal mehr mal weniger offensichtlich mit den Augen. Die Industriekapitäne vermissten allzeit das klare Wort auf Augenhöhe. 

Wenn die Stadträte am 14. Mai auf ihrem Wahlzettel 45 KandidatInnen und Kandidaten für das Amt des Wirtschaftsbeigeordneten und 44 für das des Kulturbeigeordneten vorfinden werden, um in freier geheimer Wahl ihr Kreuzchen zu machen, dann wünscht man sich, dass sie die richtigen Prioritäten dabei setzen.

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