Eine von uns

Sie war ein stets präsentes Gesicht. Zugleich verstand sich Roswitha Enoch als Botschafterin zwischen den Geschlechtern. Nichts wünschte sich die Transfrau dabei mehr, als Mut zur Individualität und Akzeptanz in der Gesellschaft.

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© LSVD

Schon als Kind liebte Roswitha die Ästhetik des Balletts, nähte sich bald selbst Kleider. Damals hieß sie noch Rainer, aber es fiel schwer, sich in das erwartete Rollenbild eines Jungen zu quetschen. Auf Dauer ließ sich das nicht verbergen: Als seine Frau ihn beim Tragen des Brautkleids ertappte, war es das Ende der 27-jährigen Ehe. In jenem Jahr 2004 beschloss er, sich nicht länger gegen sein inneres Ich zu stemmen: Aus Rainer wurde endlich Roswitha. Dabei lebte sie ihr neues Leben nicht im Verborgenen, im Gegenteil. In Magdeburg war sie stets mit Fahrrad und Kleid unterwegs, gefühlt auf jedem Event anzutreffen und kein bißchen kontaktscheu. Äußerlich zeigte Roswitha einen harten Kern, innerlich hatte sie aber mit ihrer alltäglichen Ausgrenzung kämpfen. Politik war für Roswitha allgegenwärtig, auch wenn sie selten explizit darüber sprach. Roswitha begegnete allen Menschen gleich, und das zeigte sie unverblümt. Auch vor hochrangigen Politikern schreckte sie nicht zurück. Eine solch vielfältige Person konnte, obwohl sie selbst geduldig und großmütig war, für ihr Umfeld auch anstrengend werden. So mischte sie sich oft in laufende Gespräche ein. Wenn man sie versuchte zu bremsen, konnte sie stinkig werden. Unermüdlich war sie dabei, sich gesellschaftlich zu beteiligen, etwa beim Geflüchtetenprojekt Rainbow Connection – obwohl sie kaum Fremdsprachen konnte –, im Steinzeitdorf Randau oder beim Christopher-Street-Day, wo sie oft den Stand des LSVD betreute. Nicht zu vergessen der von ihr geliebte Orientierungslauf, bei dem sie für den USC Magdeburg bei Bundesranglistenläufen antrat – und dafür nur allzugern einmal das Kleid auszog. Im Januar ist Roswitha Enoch unerwartet und einfach viel zu früh mit nur 71 Jahren verstorben.

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