„Es gab mehr Lorbeeren als Dresche“

Ein halbes Jahrhundert ist es her, dass Hans-Günther Pölitz erstmals auf einer Kabarettbühne stand. Hier erzählt er von den Anfängen in Zwickau, Qualitätskontrollen zu DDR-Zeiten, dem Ausflug nach München und der Gründung des eigenen Kabaretts.

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Herr Pölitz, vor 50 Jahren begannen Sie Ihre Laufbahn als Kabarettist Was war damals Ihr Anliegen, warum wollten Sie Kabarett spielen?

Ich hatte 1972 in Zwickau ein Pädagogikstudium angefangen. Damals war es für alle Studenten Pflicht, ein sogenanntes künstlerisches Testat abzulegen. Es gab an der Hochschule verschiedene Angebote wie z.B. Chor, Singeclub, Schriftgestaltung, u.a. auch Kabarett. Da habe ich mich eingeschrieben, weil ich dachte, da muss ich am wenigsten tun. Das war eine Fehlkalkulation, die mir aber nicht zum Schaden gereicht ist.

Sie haben bis 1990 unter DDR- Bedingungen Kabarett gemacht.

Wie blicken Sie heute auf das Kabarett in der DDR?

Die Sprache war kunstvoller. Wir legten größten Wert auf die sprachliche Formulierung der Texte. Sie mussten ja der sogenannten Qualitätskon­trolle, sprich der Zensur, standhalten. Grundsätzlich aber gilt, Kabarett ist nur aus seiner Zeit heraus zu bewerten.

Gab es Verbote?

Ja, 1988 „Der Fortschritt ist hinter uns her“ Man kam natürlich nicht für jeden kritischen Satz, wie noch in den 1950er Jahren, nach Bautzen. In der Regel gab es Gespräche und Kompromisse auf beiden Seiten. Wir gingen ohne klein beizugeben dabei an unsere Grenzen. Und die Gegenseite auch. Oft war es eine Frage der Formulierung und das Publikum war ja gewohnt zwischen den Zeilen zu lesen. Aber 1988 waren die, die sich „verantwortlich“ nannten so dünnhäutig geworden, dass sie sich jeglichem Kompromiss verweigerten. Und so verhängten sie ein Verbot aus angeblich „qualitativen Gründen“.

Gibt es auch heute für Kabarett Einengungen?

Ja, sie sind nicht ideologischer, sondern ökonomischer Natur und der Euro ist unerbittlich. Wir arbeiten auf eigenes Risiko. Nur wenn die Besucher kommen, können wir überleben.

1994 verließen Sie Magdeburg und waren beim wohl berühmtesten Kabarett Deutschlands, der Münchner Lach- und Schießgesellschaft, als Autor und Kabarettist tätig. Warum kamen Sie nach Sachsen- Anhalt zurück und gründeten 1996 hier Ihr eigenes Kabarett. #Die hohe Schule des Kabaretts habe ich in der DDR gelernt, das Arbeiten mit Begriffen, das Verklausulieren, das Fabulieren. Da war nicht als erstes die Schere im Kopf, sondern die Frage, wie kann man es sagen. Ich merkte, auch in München wird nur mit Wasser gekocht, auch dort gab es Rücksichtnahmen. Ich dachte, wenn ich mein eignes Ding mache, ernte ich selbst die Lorbeeren und ich beziehe auch selber die Dresche. In Magdeburg kannten mich die Leute. Das war die Chance und es gab dann mehr Lorbeeren als Dresche.

Welchen Sinn hat politisches Kabarett in der gegenwärtigen Gesellschaft?

Den gleichen wie zu DDR-Zeiten: einen Solidarisierungsprozess unter den Zuschauern herzustellen, Leute durch Satire zu politischem Denken zu verführen.

Was bereitet Ihnen in der Jetztzeit Kopfzerbrechen, wenn Sie ein Programm vorbereiten?

Zum einen zweifellos die Realsatire: Es ist schwierig einen Übertreibungseffekt herzustellen. Und, die Probleme werden immer existentieller. Ich hätte nie gedacht, dass ich in meinem Leben noch einmal mit dem Thema Krieg in Europa zu tun haben würde. Es ist mühsam, da eine Pointe zu finden, über die Zuschauer lachen können. Unser Ziel ist es nach wie vor, dass die Besucher mit einem hoffnungsvollen Gefühl der Überlegenheit nach Hause gehen.

"Wir kriegen nicht genug" mit  Hans-Günther Pölitz und Manfred Breschke

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