Jazz mit Buchstaben

© Freiraumgalerie Halle

© Aerosol Arena

Ich bin mit Mr. Oneliner im Strudelhof in Magdeburg verabredet. Er trägt eine dunkelrote Strickmütze und hat grüne Farbe am Daumen von der letzten Spray Aktion vor ein paar Minuten. Seinen richtigen Namen will er nicht nennen. „Was soll ich erzählen?“, fragt er, „Warum ich spraye, wie ich dazu gekommen bin und den ganzen Quatsch?“ Ich beiße mir auf die Zunge und fühle mich ertappt. „Erzähl mir etwas über deine Technik“, fordere ich ihn auf. So reden wir uns langsam warm und er zeichnet in mein Notizbuch, damit ich besser verstehe, was er mir erklärt. Zwei Wochen später sitze ich mit MadC in Halle im Straßencafé. Sie ist eine der wenigen weiblichen Profis im Graffiti-Geschäft und fliegt rund um den Globus zu Street Art Festivals. Galerien in Zürich, London und Paris verkaufen ihre Bilder auf Leinwand. Den internationalen Ruf hat sie sich konsequent erarbeitet. Zum Beispiel mit der „700 Wall“, der längsten, je von nur einer Person gemalten Wand der Welt. Ein unglaublicher Kraftakt. Sie nennt sich nicht umsonst MadC: die verrückte Claudia. Zurück in Magdeburg habe ich einen Termin mit Mark Gmehling aus Dortmund, der im Rahmen eines Festivals im Hafen sprüht. Wir sitzen auf dem Sofa und sprechen über seine Bilder. „Graffiti ist wie Jazz“, sagt er, „genauso verschlungen und variiert. Nur dass an der Wand die Buchstaben die Töne ersetzen“.

Autorin Sabine Ullrich ist Kunsthistorikerin. Für ihr Buchprojekt „Street-Art: Die bunte Stadt als Utopie“ hat sie sich mit der aktuellen Graffitiszene in Halle und Magdeburg beschäftigt. Gemeinsam mit Fotograf Frank Pudel war sie an deren Lieblingsplätzen unterwegs. Solche verlassenen Orte, Industrieruinen oder leer stehende Wohnhäuser locken neben lokalen Sprayern Künstler aus der ganzen Welt an. Zwei ehrgeizige Projekte unterstützen diese Entwicklung: die Freiraumgalerie in Halle und die Aerosol-Arena Magdeburg.

Unter dem Namen „Street-Art: Die bunte Stadt als Utopie“ ist daraus ein Buch entstanden, das dieser Tage erscheint. Parallel dazu bringt Pudel in einer Ausstellung eine Auswahl großformatiger Graffiti- und Street-Art-Motive.

Zum Opening am 12. Mai zeigen die beiden Sprüher Soné und Parkz eine Graffiti Live-Action und die Movement Dance Academy gibt eine kleine Hip Hop und Breakdance Show.

Street-Art: Die bunte Stadt als Utopie, Vernissage und Buchpräsentation am 12. Mai, 19 Uhr im MDR Landesfunkhaus (Ausstellung bis 26. Juni, Mo-Fr 10-18 Uhr, Sa/So 10-16 Uhr) 

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