Neue Konzepte für eine lebendige Magdeburger Innenstadt

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© Andreas Lander

Wir fragen das mal am Anfang ganz pauschal: Wie geht es der Magdeburger Innenstadt, ihren Händlern und Gewerbetreibenden? Arno Frommhagen: Ich sage es mal so: Da gibt es ein paar deutliche Wahrheiten. Eine davon ist, dass jeder dritte Händler mit dem Weihnachtsgeschäft nicht mehr zufrieden ist. Das ist für uns Interessengemeinschaft mehr als ein Alarmzeichen.

Frank Wagner: Der Einzelhandel hat eine wichtige Funktion für eine lebendige Stadt. Man braucht aber nur mit offenen Augen durch die Stadt zu gehen, um ein Gefühl zu bekommen, wie es um ihn steht. Der Leerstand allein in der Innenstadt beträgt etwa 10 Objekte. Man muss aber auch die Frage stellen, ob die geforderte Miete noch realistisch ist.

Neben den Auswirkungen der Baustelle am Bahnhof ist doch der Onlinehandel und die Paketlieferdienste an sinkenden Einzelhandelsumsätzen schuld? A.F.: Natürlich ist der Onlinehandel ein entscheidender Faktor. Die Bequemlichkeit beim Bestellvorgang und es kostengünstig bis an die Wohnungstür geliefert zu bekommen, das ist für viele attraktiv. Dem Wettbewerb mit dem Onlinehandel muss man sich stellen. Aus unserer Sicht geht es um den Umgang mit Paketlieferverkehr und allen Nebenerscheinungen …

Oh, Sie meinen bestimmt das penetrante Abstellen der Fahrzeuge auf Fuß- und Radwegen? A.F.: Genau solche Effekte meine ich. Wir stellen den aktuellen Umgang mit diesem Verkehr infrage, denn der Wettbewerb zwischen Online- und stationärem Handel braucht mehr Fairness und Ehrlichkeit.

© Andreas Lander

F.W.: Das sehe ich genauso. Dieser Verkehr wird in Magdeburg viel zu gut behandelt. Es bedarf dringend ausgleichender Maßnahmen. Seit gut 3 Jahren ist es unsere Forderung, dass die Lieferwagen mit mindestens 2.000 Euro Gebühren pro Jahr belegt werden, schließlich benutzen sie den öffentlichen Raum für ihr Geschäft und so passen sich die Liefergebühren für den Online-Versand ein Stück an. Für den Fahrradständer vor dem Geschäft muss der Händler ja schließlich auch zahlen.

Es geht Ihnen bei Ihrer Arbeit vor allem um die Idee einer lebenswerten Innenstadt. Wie sieht die nach Ihren Vorstellungen in zehn Jahren aus?  A.F.: Ich würde sagen, es werden eher wenige Autos sein als heute, dafür mehr Fahrräder. In Sachen Fahrrad hat bei uns im Vorstand übrigens ein Umdenken stattgefunden. Nicht erst seit den Erfahrungen mit der Baustelle am Bahnhof. Umgekehrt sind wir aber auch gegen eine Verteufelung des Autos.

F.W.: Eine echte Stärke unserer Innenstadt ist, dass hier 30.000 Menschen wohnen. Das ist viel mehr, als andere Städte im Bundesvergleich vorweisen können, dort ist zumeist der Anteil der abends leerstehenden Büroflächen höher. Das würde ich in Bezug auf eine auch künftig lebenswerte Innenstadt als Chance sehen.

Und wie sieht Ihre Prognose für den Einzelhandel, die innerstädtische Gastronomie aus? A.F.: Beim Einzelhandel traue ich mir derzeit keine echte Vorhersage zu. Stationären Einzelhandel wird es immer geben, aber welche Formate auf Dauer in der Innenstadt ihren Platz haben, das ist im Moment einfach nicht abzusehen. In der Gastronomie sehe ich übrigens ähnliche Probleme auf Magdeburg zukommen wie für den Einzelhandel. Dass sonntags immer mehr Kollegen nicht mehr öffnen sind erste Anzeichen dieser Kreise. Erst Mitte März habe ich dem Oberbürgermeister dazu einen offenen Brief geschickt, mit einem Gesprächsangebot.  

Welche Maßnahmen gibt es denn für einen Lobbyverband wie die IG Innenstadt, um die Entwicklung positiv zu beeinflussen? F.W.: Es sind vor allem Festivitäten und Events zu organisieren. Allein für 2019 haben wir das Europafest, die Bierbörse, den Stoffmarkt und natürlich den Weihnachtsmarkt.  

A.F.: Auf den Punkt gebracht, sehen wir dort künftig eine Städtische Veranstaltungs GmbH, die solche Events organisiert. In Leipzig beispielsweise werden solche Veranstaltungen vom städtischen Marktamt aus organisiert.

F.W.: Tatsächlich bringt uns die Organisation solcher Festivitäten an unsere personellen Grenzen. Wir sind da als IG nicht auf Profit aus und irgendwann sind unsere Ressourcen einfach erschöpft. Nehmen wird das Rathausfest am deutsch-deutschen Feiertag, dem 3. Oktober. Es ist das älteste Fest der Stadt, zu dem jährlich 65.000 Menschen kommen. Das wackelt, da die Verwaltung das Rathaus am 3. Oktober nicht mehr öffnen will! Wenn das so kommt, werden wir das Fest ausfallen lassen.

In letzter Zeit machten Ideen von teuren Großprojekten wie einem Panometer oder dem Meerwasseraquarium die Runde. Wie stellen Sie sich das vor? A.F.: So ein Panometer, wie wir es aus Dresden oder Leipzig kennen, halten wir für eine attraktive Idee, auch weil man damit historische Themen visualisieren kann und daran gibt es immer wieder ein großes Interesse. Wir haben uns fünf Jahre Zeit gegeben, um die Machbarkeit zu prüfen und an der Umsetzung zu arbeiten. Aber es muss nicht unbedingt das sein. Die Stadt Montreal etwa zeigt einen anderen Weg. Die bespielen die Häuserwände ihrer Altstadt mit Projektionen aus dem Beamer. Das fasziniert dort die Menschen. So etwas können wir uns hier auch vorstellen.

F.W.: Etwas Vergleichbares hatten wir ja schon zur La Notte beim Figurentheaterfestival. Damals gab es eine fantastische Projektion auf der Fassade der Denkfabrik im Wissenschaftshafen. Wenn man sich das mal in den Straßen um den Hasselbachplatz oder am Ulrichplatz vorstellt ...

Was ist mit der Idee vom Meerwasser-Aquarium? A.F.: Ich finde die Idee aus dem Zoo mutig und gut. Als IG Innenstadt wünschen wir uns eine Ansiedlung im Innenstadtbereich, an einem Standort, an dem es gegenüber der Neuen Neustadt für eine Stadt auch die meisten Synergieeffekte gibt. Wir könnten uns das am Universitätsplatz gut vorstellen. Im Bereich der nördlichen Altstadt brauchen wir unbedingt ein Zugpferd, auch als Bindeglied für eine Belebung der Fußgängerzone im Nordabschnitt des Breiten Wegs.

Beim Domplatz und konkret beim Domplatz Open Air des Theaters, gab es zuletzt aber Unstimmigkeiten, dabei ist es ein sehr attraktives Kulturangebot, das Menschen in die Innenstadt zieht. A.F.: Zunächst ganz deutlich: Wir sind nicht gegen das Domplatz Open Air. Was viele nicht wissen, ist, dass wir das Musical Open Air mit auf den Domplatz geholt haben. Und dass hochwertige Kultur ein wichtiges Bindeglied für eine Altstadt ist, haben wir längst begriffen. Wir wünschen uns halt nur, dass die Aufbauzeit verkürzt wird und der Domplatz dadurch im Sommer länger frei zugänglich ist.

Das Theater zeigt dort Gesprächsbereitschaft, sagt aber auch deutlich, dass ein schnellerer Aufbau nur mit mehr externen Firmen machbar ist, sprich, dass es teurer werden würde. F.W.: Das sehen wir nicht so. Die Leistung muss machbar sein. Und wenn sie es partout technisch nicht können, dann sollte man aus meiner Sicht auch über einen alternativen Standort nachdenken.

Aber erstmal gibt es ab diesem Herbst ein neues Beleuchtungskonzept für die Altstadt. A.F.: Ja, auf diese künftige Winterbeleuchtung bin ich schon ein wenig stolz. Ich weiß noch wie es angefangen hat, mit 20.000 DM für erste Lichterketten, die wir damals aus Mitteln der Weihnachtsmarkt GmbH genommen haben. Jahre später sind wir endlich so weit, richtig zu investieren.

F.W.: Weil der Einzelhandel seine magnetische Wirkung ein Stück verloren hat, musste dort auch etwas passieren. Ab diesem Jahr wird es eine Winterbeleuchtung von November bis Februar für die Innenstadt und angrenzende Stadtteile geben. Insgesamt 1,8 Millionen Euro werden dafür investiert. Es ist also ein ziemlich dickes Brett, was wir gemeinsam bohren.   

A.F.: Und was eine Lichtinstallation in der Altstadt ausmacht, kann man heute bereits am Katharinenturm sehen. Dessen, ich sag mal, magisch leuchtende Fassade ist über den Uniplatz hinaus bis in die Lüneburger Straße zu sehen, ganz nach der alten Kaufmannsweisheit ,Licht lockt Leute‘.

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