Poesie des Abwartens

Man stelle sich das mal vor: Magdeburgs neue Stadtschreiberin, die Österreicherin Marlen Schachinger, veranstaltet eine Schreibwerkstatt, und keiner darf hin …

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© Engelhardt

Das gab es in Magdeburg noch nie zuvor. Eine Schriftstellerin, studierte und sogar promovierte Philologin, die Stadtschreiberin war und es nicht dabei belassen wollte, ihr eigenes Talent zum Strahlen zu bringen, sondern sie wollte und will Interessierten einen eigenen Zugang zur Poesie in einer Schreibwerkstatt verschaffen. Dabei wendet sie durchaus unkonventionelle Methoden an, die ein völliges Eintauchen der Schreibenden in das Sujet ermöglicht, ähnlich wie es ein Schauspieler tut, der sich in eine Rolle komplett einlebt, bevor er sich ans Textlernen macht. Schachinger hat genügend Erfahrungen in ihrer Heimatstadt Wien gesammelt, auch am Lehrstuhl für vergleichende Literaturwissenschaft. Ist das nicht wunderbar? Nein. Ist es nicht. Es geht bloß online. Die ganze Misere fing damit an, dass sich Frau (Dr.) Schachinger zwei Wochen in Quarantäne begeben musste. Das Kulturamt hat sie bestens versorgt. Sie konnte ungestört arbeiten. Zweitens gibt es ja noch das Internet. Ernsthaft? Warum hat das Kulturamt nicht gleich zur Frau Schachinger gesagt, sie könne ihre Fähigkeiten der Stadt online zur Verfügung stellen, was sie ja jetzt im Falle der Schreibwerkstatt auch macht. Es gab nicht wenige Schriftsteller*innen in den letzten Jahren, die ihre Präsenzpflicht in der Gastgeberstadt nach eigenem Vermögen bzw. nach Lust und Laune ausgelebt haben. Sie hatten es ja auch nicht so weit nach Berlin. Die Bevölkerung hätte es verstanden, wenn man der Autorin angeboten hätte, abzuwarten, bis die Quarantänepflicht vorbei ist, die ja nur entstanden ist, damit die Deutschen nicht in Österreich zum Skifahren fahren sollten. Verstehen wir uns nicht falsch: Marlen Schachinger selbst übt keine Kritik an dieser durchaus diskutierbaren Handhabe des Stadtschreiber*innenamtes. Gebt ihr Urlaub!!!

Virtuelle Schreibwerkstatt mit Marlen Schachinger am 15. Mai, 16.30 Uhr, Anmeldung: marlen.schachinger@a1.net .

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