Tiefe Fußstapfen

Als am 31. Oktober 1998 der Offene Kanal Magdeburg sein Programm aufnahm, war Bettina Wiengarn (63) als Leiterin von Anfang an dabei und prägte das Bürgerfernsehen. Nun übergibt sie den Staffelstab an ihren Nachfolger. Ein Gespräch über gestern, heute und morgen.

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© OK Magdeburg

Frau Wiengarn, wie haben Sachsen-Anhalts Offene Kanäle die Medienlandschaft hier verändert?

In keinem anderen Bundesland haben sich so schnell, so viele Offene Kanäle gebildet. Es müssen an die hunderttausend Menschen sein, die damit bereits in Berührung kamen und unzählige Reportagen, Filme und Sendungen über ihre Region gemacht haben.

Wir führen aktuell eine große Debatte um die Öffentlich-Rechtlichen. Was entgegnen sie jemandem, der Bürgerkanäle, die zum Teil aus diesem Beitrag finanziert werden, für Gebührenverschwendung hält?

Dass er keine Ahnung hat. Wenn etwas wert ist, aus Gebühren finanziert zu werden, dann sind es partizipative Sender. Es gibt den schönen Satz: „Der Rundfunk gehört den Bürgern.“ Offene Kanäle verwirklichen dieses Credo in vorbildlicher Art und Weise.

24 Jahre Bürger-Programm machen sich nicht von alleine. Vor allem junge Menschen engagieren sich hier seit eh und je. Das haben sie stets gefördert.

Ja, von Anfang an. Schon vor der Inbetriebnahme des Senders haben wir den Jugendfilmpreis ins Leben gerufen. Ein Gedanke dahinter war, junge Leute auf die Offenen Kanäle aufmerksam zu machen und an uns zu binden. Mittlerweile hat sich das gut etabliert.

Heute kann jeder in guter Qualität filmen, seinen Content ins Internet hochladen und eine eigene Community aufbauen. Ist es im Zuge der Technologisierung schwieriger geworden, junge Menschen für den OK zu gewinnen?

Nee, das kann ich nicht sagen. Die Anzahl ist gleich geblieben. Klar kann man das zu Hause machen. Wer aber einen ambitionierten Film machen will, der braucht eine Crew und die findet man am besten unter Gleichgesinnten. Tim Buchmanns „Gute Nacht Magdeburg“ beispielsweise ist solch eine anspruchsvoll produzierte Sendung. Das schafft man nicht alleine.

Viele von denen, die mitmachen, sind vom Institut für Journalismus der Hochschule. Würde sich da nicht eine Kooperation anbieten?

Es gab einige tolle Kooperationen. Die Hochschule hat unter anderem ein monatliches Magazin namens 39 Grad gemacht oder auch Wahlsendungen. Corona hat vieles aus der Bahn geworfen. Das muss auch unbedingt weitergehen. Für uns ist das eine wunderbare Möglichkeit, junge Journalisten zu bekommen und die Hochschule kommt raus aus dem Campus, rein in die Stadt.

Ähnlich wie bei den zahlreichen Austauschprojekten …

Ja, der europäische Freiwilligendienst ist eine tolle Sache. Die Leute haben immer viele Impulse und Kontakte mitgebracht.

Sie selbst sagten mal: „Ich bin hier das Mädchen für alles“. Keine Angst, dass es in der Rente langweilig wird?

Ne (lacht). Es ist schon ein Abschied. Vor allem die Leute werde ich vermissen. Aber irgendwann muss man auch abgeben und Schluss machen. Ich tue jetzt einfach andere Dinge. Ich habe einen großen Garten und bin gerne in der Natur.

Im November erst der Jungendfilmpreis, der wieder talentierte junge Menschen zum Vorschein gebracht hat, dann noch Moritzplatz Staffel 2: Hätte Abschied schöner sein können?

Nein, definitiv nicht. Das ist unglaublich!

Mit ihrem Nachfolger Felix Kaminski kommt ein junger Medienmacher an ihren Platz, der viel Erfahrung mit professionellen Produktionen hat. Für sie eher ein Vorteil oder könnte er auch zu verkopft für einen Bürgerkanal sein?

Das hoffe ich nicht. Die Erfahrung ist ein Vorteil, aber er bestimmt ja nicht über die Qualität. Es geht um die Förderung von Partizipation, nicht so sehr um die Qualität. Die Leute werden technisch auch von selbst immer besser. Die Herausforderung wird sein, Diversität weiter zu fördern und zwar durch alle Schichten und gesellschaftliche Gruppen hindurch.

Was wünschen Sie sich abseits dessen für den Offenen Kanal?

Dass es weitergeht und weiterhin so viele Leute ihn nutzen. Das ist mit Abstand das wichtigste.

Ich nehme an, dafür sind die Weichen gestellt.

Denke ich auch. Die Menschen hier bringen viel mit. Ich sehe optimistisch in die Zukunft.

Offener Kanal Magdeburg e.V.

Olvenstedter Strasse 10, 39108 Magdeburg View Map

0391/7391327

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