Jan Kubon: „Wir haben uns eine eigene Nische geschaffen“

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Jan, lass uns angesichts des anstehenden Jubiläums einen Blick zurück werfen.

Zehn Jahre sind eine lange Zeit. Als wir damals angefangen haben, war das eher eine One-Man-Show. Ich hatte seinerzeit in der Feuerwache eine Blues-Reihe namens "3rd Degree". Die kam vor zehn Jahren zum Erliegen, weil die Nachfrage nach Blues in der Stadt einfach nicht mehr da war. Durch meine Kontakte jedoch fiel mir jedoch auf, dass einerseits viele Künstler aus dem Singer/Songwriter-Bereich im Frühjahr unterwegs waren, es andererseits in Magdeburg zur gleichen Zeit veranstaltungstechnisch ein großes schwarzes Loch gab. Deshalb haben sich Nadja Gröschner und ich zusammengesetzt und die uns vorliegenden Angebote zusammen getan, als Reihe gebündelt und dem Kind einfach einen Namen gegeben. Im zweiten Jahr war es dann schon so, dass die Künstler wie Ad Vanderveen, Niels Frevert oder Katharina Franck ihren Agenturen schon erzählt haben „Du da gibt es solch ein Festival, das kümmert sich hautsächlich um Singer/Songwriter.“ Obwohl wir es ursprünglich gar kein zweites Mal machen wollten, hatten wir auf einmal ganz viele Angebote auf dem Tisch. Dann dachten wir natürlich „Mensch, das ist ja ganz schön cool, dass die Leute das so gut annehmen.“ Dann haben Nadja und ich uns überlegt, wie wir das noch etwas aufpeppen könnten. Dann kam die Idee der ungewöhnlichen Veranstaltungsorte dazu, die jeweiligen Veranstalter und eben der Songtage-Verein.

Wenn du eine Resümee ziehen wolltest, wie sähe das aus?

Das Resümee aus diesen zehn Jahren ist - neben einem Ableger in Gera, mit dem wir uns ab und zu auch unterstützen und was ich schon als tollen Nebeneffekt sehe - , dass für solch eine Reihe der kleinen intelligenten Kunst, sowohl Wort als auch Musik, Bedarf bestand. Und dass die Leute es vor allen Dingen genießen, Künstler für sich zu entdecken. - was übrigens auch ein Grund dafür ist, dass wir Künstler buchen, die eben nicht so irre bekannt sind – und dabei auch die Veranstaltungsorte zu genießen, so wie z.B. Missin Cat in der Kapelle des Südfriedhofes.

Missin Cat ist ja auch ein gutes Beispiel dafür, dass die Songtage stets ein gutes Händchen bei der Auswahl hoffnungsvoller Künstlerinnen und Künstler hatten.

Genau, Missin Cat ist ja mittlerweile eine richtig große Nummer die überall läuft. Ähnlich wie Niels Frevert. Wir haben ihn veranstaltet, als andere da noch wesentlich vorsichtiger waren. Aktuell ist er bekanntermaßen ständig unterwegs. Oder da wäre auch Francesco Wilking, der heute tierische Erfolge mit der Allerhöchsten Eisenbahn feiert, der hat bei uns solo vor 30 Leuten in einer kleinen Kneipe gespielt. Wie gesagt, es gab immer einen kleinen feinen Bedarf und das hat uns Recht gegeben in dem was wir da tun. Wir müssen keine neuen Nischen besetzen. Wir haben uns eine eigene Nische geschaffen, die der kleinen Form, der kleinen Kunst, aber eben fein, mit Liebe gemacht. Apropos mit Liebe, unser Songtage-Tänzerinnen- Layout ist auch schon zum Symbol geworden.

Bist du persönlich auf etwas Bestimmtes stolz?

Überhaupt die Tatsache, dass wir das bereits seit zehn Jahren machen können, ist das größte Kompliment für uns selbst, die Künstler und das Publikum. Auf die Schnelle fällt mir keine andere Veranstaltungsreihe oder Festival ein, welches so lange in Magdeburg durchgehalten hat. Andererseits kam natürlich auch beizeiten das Gefühl der Verpflichtung dazu. Die Leute waren heiß auf das Festival, wir wurden schon im September gefragt, was im Folgejahr denn an Künstlern käme. Ein weiteres Resümee ist, dass es uns auf eine relativ unkomplizierte Art und Weise gelungen ist, die Kulturkräfte in den Monaten März bis Mai zu bündeln und Magdeburg ein kulturelles Gesicht zu geben.

Und das hat ja auch das Kulturbüro beizeiten erkannt.

Ja, das Kulturbüro unterstützt seit einigen Jahren die Veranstaltungsreihe. Selbst im Rahmen der Kulturhauptstadtbewerbung spielen die Songtage eine Rolle, nicht umsonst werden die als kultureller Leuchtturm der Stadt mit aufgeführt. Das muss doch einen Grund haben. Das ist ein schönes Kompliment.

Bemerken darf man bestimmt aber auch, dass gute Ideen natürlich von anderen auch aufgegriffen werden?

Na klar, wir war vor zehn Jahren die ersten in der Stadt, die Künstler an außergewöhnliche Orte gebracht haben bzw. an Orte, an denen Kunst nicht unbedingt erwartet wurde, wie z.B. erwähnte Friedhofskapelle oder etwa das Bukowski-Programm in der Gartenkneipe Sonnenbad. Dann musst du natürlich damit rechnen, dass andere es auch tun und man eben aufpassen muss, dass es nicht zu inflationär wird. Das merken wir aktuell ganz deutlich. Es ist nicht unser Ziel, Künstler etwa durch bestimmte Orte aufzuwerten, sondern gute Künstler „zu nehmen“ und trotzdem an verrückte Orte zu stellen. So etwa wie die Amerikanerin Susan James in der Abfüllanlage des Abtshofes.

Und was heißt das für die Zukunft?

Es ist ganz klar festzustellen, dass es zukünftig erheblich schwieriger wird, bezüglich der Konzertorte auch weiterhin neue Highlights zu setzen. Da kann man durchaus auch über das bestehende Konzept nachdenken oder sich die Fragen stellen, ob man es auch zukünftig über den gewohnt langen Zeitraum veranstalten muss, ob man es vielleicht nicht auch bündeln kann oder auch die neuralgischen Kulturpunkte außerhalb der gewohnten Festivalzeit setzt. Wir sind konzeptionell immer auf der Suche nach neuen Ideen. Persönlich hat sich ja auch einiges getan. Wir haben mittlerweile Familien oder auch Jobs die uns mehr einbinden als früher. Damit wird es für uns zwangsläufig auch schwieriger, die Zeit zu finden. Manchmal ist es auch schöner zu sagen, Mensch es ist Sonntag und Tatortzeit, anstatt sich hinzusetzen, um Abrechnungen zu machen oder Förderanträge zu schreiben. Auch haben wir keine feste Infrastruktur, in welche wir uns zurückziehen können, um mal eben nebenbei ein Festival abzufackeln. Trotzdem ist der Wille immer noch so groß. Wir wollen und werden das auch weiterhin tun.

Und alles aus Spaß an der Freude?

Unbedingt, die ganze Geschichte läuft nebenberuflich. Die oder der eine arbeitet beim Radio, der Bahn, in der Apotheke, der Bank oder als Layouter einer Plattenfirma. Ich glaube schon, dass wir einer der letzten echten ehrenamtlichen kulturellen Großveranstalter dieser Stadt sind und dabei für diese, auch wenn es recht hochtrabend klingt, einen kulturellen Mehrwert schaffen. Und Sachen wie diese finden wir auch nach zehn Jahren noch toll. Und vor allem, macht es uns allen immer noch Spaß zu zeigen, dass wir Lust auf Kultur, Künstler und Begegnungen haben. 

Nach dem Blick in Zukunft und Vergangenheit, der in die Gegenwart. Worauf freust du dich in diesem Jahr am meisten?

Ganz weit vorn ist Thomas Bille, MDR Figaro Moderator, mit seiner Lesung vom kleinen Nick, da freue ich mich wie irre drauf. Annamateur ist auf jeden Fall ein Highlight. Und natürlich unsere meisterlichen Konzerte in Magdeburger Handwerksbetrieben. Die da wären: das Pulsar Trio in der Werkstatt des Stahlbildhauers Joachim Röderer im Bahnhof Südost, Ray Cooper von der Oysterband in der Geigenwerkstatt von Martin Banditt, das wird großartig, wie auch das Blues Urgestein Country Rudie and the Lost Boys in der neuen Schmuckwerkstatt im Rayon Haus in der Leipziger Straße. Drei Konzerte mit der Idee, Handwerk und musikalische handwerkliche Meisterschaft in Einklang zu bringen.

http://www.songtage.org

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