Otto ist nicht auffindbar

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Dass sich ausgerechnet jetzt, wo die Macher der Kulturhauptstadt-Bewerbung intensiv am zweiten und letzten Bewerbungsbuch arbeiten (das am 21. September vorgelegt werden muss), die Hoffnung auf eine erfolgreiche Suche nach den Gebeinen Otto von Guerickes endgültig zerschlagen hat, ist natürlich ein Schlag ins Kontor. Das mag auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar sein, da der „große Stadtvater“ bekanntlich ein Naturwissenschaftler war, von dem keinerlei nennenswerte Leistungen auf kulturellem Gebiet überliefert sind, aber dennoch scheint diese Bewerbung ja mit Otto von Guericke zu stehen und zu fallen. Wie sonst ist es zu erklären, dass es nach der Kritik des Expertenberichts am ersten Motto der Bewerbung, nämlich „Out of the void“, auch im zweiten Anlauf unbedingt ein Motto mit Bezug zur Vakuumforschung, nämlich „Force of Attraction“, also Anziehungskraft, sein muss? Das neue Motto solle abermals mit physikalischen Begriffen spielen, aber deutlich positivere Signale aussenden, erklärte Bewerbungschef Tamas Szalay. Denn das ursprüngliche Motto habe zu viel Spielraum für negative Assoziationen gelassen, hatte die Jury in Auswertung der ersten Bewerbungsrunde erklärt; und überhaupt habe Magdeburg zu sehr seine Mängel und Schwierigkeiten betont.

Das neue Motto ist aber nicht nur eine leichte Kurskorrektur, sondern eine 180-Grad-Wendung. Schien es zuvor darauf anzukommen, die Leere zu verlassen und zu sprengen, wird nunmehr offenbar alles darangesetzt, sie zu verfestigen. Denn die „Anziehungskraft“ zwischen den beiden Magdeburger Halbkugeln hat ja bewirkt, dass 1654 in Regensburg nicht einmal 30 Pferde etwas gegen die Macht der Leere ausrichten konnten. Es scheint wahrlich ein schwieriges Unterfangen zu sein, aus dem berühmten Halbkugelversuch ein überzeugendes Motto abzuleiten.

Um die Jahrtausendwende warb die Stadt eine Zeitlang mit dem Slogan „Stadt mit Zugkraft“, der sich ebenfalls darauf bezog. Auf dem Signet war allerdings nicht zu übersehen, dass die Pferde zwar mit aller Macht zogen, aber ihren Job, die zwei Halbkugeln zu trennen, nicht erledigen konnten. Die Zugkraft war also bei weitem nicht ausreichend. Hätte sie gereicht, wäre dies freilich auch kein Ruhmesblatt für unsere Stadt gewesen, weil dann das berühmte Experiment unseres großen Sohnes gescheitert wäre. Aber es gelang, denn er hatte mit der von ihm erfundenen Kolbenpumpe die Luft aus dem Hohlraum gesaugt. Mit anderen Worten: Die Luft war raus - und die Leere nicht zu überwinden. Vielleicht sollten wir den Versuch, aus alledem eine positive Metapher abzuleiten, einfach aufgeben.            

Es sei denn, wir legen es darauf an, dass Otto von Guericke sich wegen all dieser hilflosen Versuche permanent im Grab umdreht, damit wir es auf diese Weise vielleicht doch noch finden.

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