Pick Up Artists in Magdeburg: Die Kunst der Verführung

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Tiefe Technobeats treiben die rhythmisch stampfenden Körper langsam zur Exstase. Schweiß tropft auf die Tanzfläche. Leo tanzt mit einer hübschen Spanierin, dann reißt ihre Strumpfhose – kurz darauf verschwinden sie gemeinsam. Er hatte es wieder geschafft. Er hätte die Auswahl gehabt. Ihre Freundinnen waren auch interessiert. Und das nur, weil er ihnen Aufmerksamkeit schenkte. Bei Leo hat das Methode, er nennt sich einen Verführungskünstler. 

Verführung, das Thema ist so alt wie die Menschheit. Giacomo Casanova wusste schon im 18. Jahrhundert, wie es geht. In seinen Memoiren erzählt er von seinen frivolen Liebesabenteuern. Die Frauen liebten ihn für seine charmante zuvorkommende Art, gaben sich bereitwillig hin. Das war im 18. Jahrhundert. Heute nennen sie sich Pick Up Artists. Im Kern geht es darum, mehr „Alpha-Tier“zu sein.   „Wir Männer sind zu weich geworden“, sagt Leo, nippt an seiner Kaffeetasse und schaut nach draußen. Vor dem Café Flair pulsiert das Leben bei strahlendem Sonnenschein. „Beim Verführen geht es darum, die psychologischen Mechanismen einer Frau zu ergründen.“ Es ist also das Männerbild, was scheinbar im Argen liegt. Die Männer sollen Gefühle zeigen und gegenüber einer selbstbewusst und unabhängig agierenden Generation von Frauen die Starken sein. Die Zeiten, wo der Mann die Frau zum Tanz auffordert, scheinen vorbei zu sein. „Hör dich doch um, viele haben Angst Frauen anzusprechen“, stellt der 27-Jährige fest. Er hat da keine Hemmungen mehr, ist vergeben, sucht dennoch das Abenteuer.

Ihren Ursprung haben die Pick up Artisten im öffentlich prüden Amerika der 1980er Jahre. Man widmet sich der Speed Seduction, die schnelle Verführung. Es geht um Bewusstseinsbeeinflussung, neurolinguistische Programmierung. Es war der Anfang einer weltweiten Bewegung, die ihren Durchbruch mit Neil Strauss Roman „The Game“ Anfang der 2000er feierte. Strauss beschreibt darin, wie er zu einem der größten Verführungskünstler Amerikas wurde. Zu brav, zu technisiert, findet Leo. Er will Frauen charmant erobern und mit ihnen ins Bett.Im Netz findet man dazu Hinweise. Da ist von der Push-Pull-Methode die Rede. Heißt übersetzt: der Frau Komplimente machen, sie anziehen, dann wieder ignorieren und damit abstoßen, das soll Interesse wecken.  Andere Männer geben vor, die Hand der Frau lesen zu wollen, um Nähe zu schaffen. Für Life- und Beziehungscoach Leonie Viola Thöne sind diese Männer deswegen„manipulative, frauenfeindliche Aufreißer“. Nach ihr geht es bei Pick-Up-Artists also nur um das Eine, Frauen werden zum Objekt. Sie beschäftigte sich für ihre Promotion intensiv mit der Szene, schreibt allerdings auch Bücher, die Frauen unwiderstehlich für Männer machen sollen. Irgendwo ein Widerspruch. Journalistin Clarisse Thorn ist für eine Recherche noch tiefer in die Szene eingetaucht und hat mehrere Wochen Pick-Up-Artists-Coachings begleitet. Ihr Fazit: es gibt Unterschiede. Thorn spricht von sechs Typen, die Schlimmsten seien die „Darth Vaders“. „Sie sind in der Szene aktiv, weil sie Frauen verachten und Spaß daran haben, sie zu manipulieren“, sagt sie. Ein Beispiel: der YouTube-Kanal vom Berliner John Damianov alias Don Jon. Da lässt er zum Beispiel mit versteckter Kamera filmen, wie er eine Frau innerhalb von 90 Minuten verführt. Andere wollen endlich lernen, ihre Schüchternheit zu überwinden.  Natürlich gibt es auch Frauen, denen es so geht. Es beführworten auch nicht alle Männer die Idee von Pick-Up-Artists.

Leo begann sich nach einer gescheiterten Beziehung mit Psychologie und Verführungskunst zu beschäftigen. Mittlerweile ist er Mentor für Anfänger wie Thomas. „Natürlich ist die Szene auch ein Sammelbecken für sozial inkompetente Menschen, die meinen, mit einem Mal zum Player werden zu können“, sagt Leo. Thomas sitzt neben ihm, gerader Rücken, offener Blick. Er genießt es, das Erlernte auszuprobieren, sucht den Blickkontakt. „Viele Frauen sind heute nur frustriert und biestig“, sagt Thomas. Man kann nur erahnen, dass er mal dicker war. Kennengelernt haben sich Leo und Thomas über mehrere Kontakte. Der Inner Circle soll etwa 20 Männer umfassen, die sich immer wieder für das Day- & Nightgame treffen. Das heißt, das Spiel mit den Frauen. Da gibt es Aufgaben, Einsteiger-freundlich zum Beispiel: Sprich zehn Frauen an.City Carré Freitagnachmittag, eine Gruppe von Männern hält sich am Eingang auf. Sie fixieren die Frauen, einer löst sich immer wieder von der Gruppe. Vielleicht ist es eines dieser Day-Games. Da lassen sich Leo und Thomas aber nicht in die Karten gucken. Sie schweigen, philosophieren über die Rolle des Mannes. Fest steht: sie sind mittendrin im Game. Leo hat zwei Freundinnen, die voneinander wissen, so sagt er. „Am Anfang hatte ich Probleme mit der Ehrlichkeit.“ Am Wochenende umgarnt er die nächsten in Spanien. Thomas probiert noch, ist noch vom „Darth Vader“ entfernt. Abenteuer sucht er und wenn die Richtige dabei ist, dann hört er vielleicht auf oder verliert sich im Spiel der Geschlechter. Wie kann man die Verführungskünstler nun sehen? Die Mehrheit hat da eine klare Meinung. Natürlich, niemand will belogen und dann zum Objekt eines falschen Spiels werden, Frauen wie Männer nicht. Schüchtern ist jeder mal, aber muss man daraus eine Bewegung, ja vielleicht ein Hobby von einzelnen machen?

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